
Tinguely zeigt Künstler als Schaufenster-Dekorateure
Baseljetzt
Ausgehend von der Biografie seines Hauskünstlers widmet das Museum Tinguely seine Sonderausstellung «Fresh Window» dem Thema Kunst und Schaufenster. Unter den präsentierten Schaufensterdekorateuren finden sich nicht wenige prominente Namen der Moderne.
Jean Tinguelys Künstlerkarriere begann in den frühen 1940er-Jahren mit einem Knall: Das Warenhaus Globus, wo er eine Lehre als Schaufensterdekorateur absolvierte, teilte seinen Eltern mit, dass es die Nase voll habe von den «ständigen Dummheiten» des Lehrlings. Deshalb fasste man eine Auflösung des Vertrags ins Auge. Seinen Abschluss machte Tinguely dann bei einem unabhängigen Dekorateur, der ihn zum Besuch der Basler Kunstgewerbeschule Basel anregte.
So kam es, dass Tinguely Schaufensterdekoraktion und bildende Kunst zu verbinden begann – unter anderem mit Arbeiten für das Optikergeschäft Ramstein, für Kost Sport und weitere Ladengeschäfte in Basel, die das bekannte spätere Werk bereits erahnen liessen.
Da Tinguelys Schaufenster damals nicht als Kunstwerke betrachtet wurden, haben nur Fotografien der Auslagen die Zeit überdauert, mit zwei Ausnahmen: In der Ausstellung sind zwei abstrakte Kompositionen zu sehen, die er für die aufwändigen Installationen geschaffen hatte. Es sind einzigen Gemälde im Œuvre des Künstlers, wie Co-Kurator Andres Pardey am Dienstag vor den Medien sagte.
Dekorationen von berühmten Künstlern
Die Zeit überdauert haben indes ein paar bunte Melonensschnitze und Granatäpfel aus Gips, die Jasper Johns und Robert Rauschenberg in den 1950er-Jahren für Tiffany & Co. in New York geschaffen haben, allerdings verschämt unter dem Pseudonym Matson Jones.
Andy Warhol wiederum signierte seine kindlich mit Katzen und Spielkarten bekritzelte Auslage für die Parfümmarke Mistigri im Warenhaus Bonwit Teller in New York selber. So wie der Verpackungskünstler Christo, der bei Schaufenstern mit Farbe, Pappe oder Tüchern den Durchblick auf die Waren versperrte und so das Fester selber zum Kunstwerk erklärte.
Das Museum Tinguely hat für seine Überblickschau Werke und Dokumente dieser «Verschränkung von Kunst und Schaufensterdesign» zusammengetragen. Zu sehen sind auch Kunstwerke, die das Schaufenster zum Inhalt erklärten. So zum Beispiel das mit Lederstücken verklebte Fenster mit dem mehrdeutigen Titel «Fresh Widow» («Frische Witwe»), das Marcel Duchamp kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs geschaffen hat.
In der Ausstellung zeigt zudem aktuelle Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, die mit dem Phänomen der Zurschaustellung von Waren spielen oder gleich ganze Schaufenster nachbildeten. Dazu gehören zwei szenografische Arbeiten des Ateliers E.B alias Beca Lipscom und Lucy McKenzie von 2020, die je eine nostalgische Auslage von Hüten und von Badminton-Ausrüstungen zeigen.
Schaufenster als Performance-Bühne
Bis heute werden Schaufenster auch als Bühnen für Performances genutzt. Die berühmte Performance-Künstlerin Marina Abramović tauschte 1976 in Amsterdam den Platz mit einer Sexarbeiterin, die in einem Schaufenster ihre Dienste beziehungsweise ihren Körper anpries.
Abramovićs Performance ist als Foto- und Videodokumentation zu erleben. Junge Künstlerinnen und Künstler werden in einer Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst der FHNW ab 14. Januar in Basel aktuell Schaufenster gestalten und mit Performances live bespielen.
Die Ausstellung «Fresh Window. Kunst & Schaufenster» im Museum Tinguely Basel dauert bis 11. Mai 2025.
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Sonnenliebe
Sehr interessante Ausstellung, sicher sehenswert!
HeroOfGallifrey
Spannend, sicher einen Besuch wert!