Trotz Krieg: Hier treffen verschiedene Religionen aufeinander
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Konferenz
Basel-Stadt

Trotz Krieg: Hier treffen verschiedene Religionen aufeinander

17.10.2023 20:36 - update 18.10.2023 08:27
Manuela Humbel

Manuela Humbel

Am Dienstagabend trafen Vertreter:innen vom Juden-, Christentum und dem Islam aufeinander. Eingeladen von Regierungspräsident Beat Jans sprachen sie gemeinsam Gebete und gedachten der Opfer.

Es herrschte bedrückte Stimmung im Grossratssaal, immer wieder verschränkten die geladenen Gäste ihre Hände, schlossen die Augen und schauten nachdenklich. Die Gebete und Worte der Sprecher:innen wurden zwischenzeitlich durch Klaviermusik unterbrochen, ansonsten blieb es still. Kein Gemurmel, kein Getuschel keine Diskussionen im Publikum.

Beispiellos ein Zeichen dafür, wofür der Anlass stand – und, dass dessen Devise eingehalten wurde: Ein Zusammenstehen für Respekt, Achtung und Zutrauen. Verschiedene Vertreter:innen der drei monoethischen Religionen, heisst aus dem Juden- und Christentum sowie aus dem Islam, standen zusammen. Sie haben Gebete für die palästinensischen und israelischen Opfer gesprochen und gemeinsam für Frieden gebeten.

«Ein Zeichen der Zuversicht und Menschlichkeit»

Regierungsrat Beat Jans hat die Gäste begrüsst. Mit den Worten «Wir sind aus einem tragischen Anlass hier, ungeachtet unseres religiösen und kulturellen Hintergrunds», betonte er nochmals die Bedeutung des Abends. Das Zusammentreffen der verschiedenen Religionsgemeinschaften und der angestrebte Dialog seien ein «Zeichen der Zuversicht und Menschlichkeit».

Die Basler Regierung verurteile den Terror-Anschlag auf Israel aufs Schärfste und drücke zudem ihr tiefstes Mitgefühl für die palästinensische Bevölkerung aus. «Wir bedauern, dass wir diese Haltung nicht schnell und deutlich genug zum Ausdruck gebracht haben», sagt Jans im Namen der Basler Regierung. «Weil Hamas zur Tötung jüdischer Menschen auf der ganzen Welt aufruft, ist es wichtig, dass Basel zu diesen Menschen steht. Die Regierung duldet das nicht und ist in Kontakt mit jüdischen Religionsgemeinschaften.» Zudem sei das Sicherheitsdispositiv zum Schütz jüdischer Einrichtungen erhöht worden.

«Die Gefühle wehen wie Blitze durch uns»

Nach der Rede wollte Jans nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Die Idee sei nicht von ihm gekommen, sondern vom Extremismus-Experten Samuel Althof. «Ich bin traumatisiert, retraumatisiert, multipletraumatisiert», sagte dieser. «Die Gefühle wehen wie Blitze durch uns. Empathie kann Solidarität schaffen. Im Krieg gelingt dies tragend für beide Seiten nur selten.» Weiter plädierte er dafür nicht zu polarisieren und stets miteinander im Dialog zu bleiben.

Danach folgte Pfarrer Lukas Kundert von der reformierten Kirche. Auch er drückte seine Trauer aus. «Als Jüd:innen, Muslim:innen und Christ:innen wollen wir uns einander beistehen. Wir wollen uns vereinen, einander zuhören, einander halten.» Er herrschte lange Stille. «Ich bete.» Wieder Stille. » Die Gesellschaft droht, sich zu spalten. Wir dürfen uns nicht auseinandertreiben lassen. Wir müssen Nähe zueinander finden.»

Menschliche Würde als höchstes Gut

Wieder Stille, dann Orah Mendelberf, Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde Migwan: «Die menschliche Würde ist unser höchstes Gut. Wir werden es mit aller Kraft verteidigen. Möge kein Volk gegen ein anderes das Schwert erheben.»

Ähnlich klingt es auch von der Seelsorgerin Elke Kreiselmeyer, nur dass sie Gott als Sie benennt. «Möge sie uns zu Grösse und Barmherzigkeit verhelfen.» Damit meint sie wohl auch, dass die Menschen über die kulturellen und religiösen Grenzen hinausblicken, sich als Freund:innen und nicht als Gegener:innen sehen sollten.

«Ich sehe die Welt in Punkten – und, wenn ich sie verbinde, sehe ich das Gesicht eines Menschen. In diesem Menschen sehe ich uns selbst, Liebe, Güte, Hass und Wut – sie sind alle da», sagt die Politologin und Muslima Elham Manea am Dienstagabend im Rathaus. «Die Gräben zwischen uns scheinen unüberwindbar, jetzt müssen wir Mut haben, für unsere gemeinsame Menschlichkeit einzutreten, für Frieden.»

«Wollen weltweit Menschen inspirieren»

Mit den Worten «Wir hoffen, dass sie so zueinander halten, wie Sie es jetzt bewiesen haben, wie sie jetzt hierhergekommen sind», schliesst Pfarrer Kundert die Veranstaltung. Und Grossrat Philip Karger bedankt sich für den Respekt, die Achtung und das Zutrauen aller Teilnehmenden. «Ich hoffe, dass wir weltweit Menschen inspirieren, ähnliche Friedensanlässe zu organisieren und, dass wir so, für etwas Frieden im nahen Osten und für Zusammenhalt dort und hier beitragen können.»

Wieder Musik. Dann laufen die Gästen hinaus. Aus der Stille entstehen freundschaftliche Gespräche, die später am Apéro fortgeführt werden. Ob die Grüppchen aus Muslim:innen, Jüd:innen, Christ:innen oder Atheist:innen bestehen, lässt sich als aussenstehende Person nicht immer sagen – und erfüllt wohl das Ziel des Abends.

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