
U17-Weltmeister Benjamin Siegrist: «Wir hatten einen geilen Jahrgang»
Maximilian Karl Fankhauser
Als Underdog ins Turnier gestartet und diese Überraschung dennoch geschafft. Am 15. November 2009 besiegt die Schweizer U-17-Nationalmannschaft Gastgeber Nigeria. Torhüter Benjamin Siegrist erinnert sich.
«Ich fühle mich alt.» Benjamin Siegrist muss lachen, als er auf seine Gefühlslage angesprochen wird. Denn am Freitag jährt sich der U-17-Weltmeistertitel zum 15. Mal. Und Siegrist ist als Stammkeeper mittendrin. Zuerst habe er das Jubiläum gar nicht auf dem Schirm gehabt. «Ich bin gerade mitten in den Vorbereitungen für unser Spiel gegen den CFR Cluj», sagt Siegrist, der mittlerweile bei Dinamo Bukarest in Rumänien unter Vertrag steht.
Doch das «unmögliche Ding», wie er den Weltmeistertitel selbst nennt, bringe unglaublich tolle Erinnerungen hervor. Die Schweiz wird vor dem Turnier als zweitschwächste Mannschaft gehandelt. «Und dann kam dieses Storybook-Ending.»
Der Trainer als Vaterfigur
«Ich habe mich nach der Weltmeisterschaft noch oft gefragt, warum das ganze mir passiert ist», erzählt Siegrist. Auf der Ursachenforschung setzen sich die Puzzleteile aber Stück für Stück zusammen. Es ergibt sich ein Bild eines Teams, das sich von mehreren Gruppierungen zu einer Einheit geformt hat. «Wir hatten einen geilen Jahrgang.» Laut Siegrist hat das auch zu einem grossen Teil am Trainer gelegen. Dany Ryser begleitete die Jungs seit der U15. «Er war für uns wie eine Vaterfigur.»
Ryser habe es geschafft, die verschiedenen, oftmals durch die Kantonsgrenzen getrennten Lager zu vereinen. «Ich habe ihm heute gerade eine SMS geschrieben und ihm gesagt, dass ich an ihn denke.» Aber auch das Mindset, dass sich die Spieler gegenseitig mitgeben, sei ein grosser Erfolgsfaktor gewesen. Denn viele Spieler haben damals die «typisch schweizerische» Einstellung, man gehe ans Turnier und schaue Mal, wies läuft.
Kaum Erinnerungen an die erste Halbzeit
«Aber sicher nicht Granit Xhaka und Haris Seferovic. Die gingen dorthin und wollten das ganze Ding gewinnen», sagt Siegrist. Nach und nach habe sich das auch auf die Mannschaft übertragen. Die junge Schweizer Mannschaft denkt nach Abpfiff bereits ans nächste Spiel und ist im Film. Das sei nach dem Finale im ersten Moment ein wenig verwirrend gewesen: «Als wir als Weltmeister feststanden, habe ich mich nur gefragt: Ok, wann kommt das nächste Spiel?»
Doch irgendwann an diesem Abend ist auch dem letzten klar: Das war das letzte Spiel, die Mannschaft ist am Ziel. Der Weg dahin ist ein schwerer. «Im Stadion hatten 60’000 Menschen Platz, anwesend waren wahrscheinlich 75’000», erinnert sich Siegrist. Und sie alle unterstützen die Heimmannschaft.

Woran er sich weniger erinnern kann? Die erste Halbzeit. «Ich habe früh im Spiel bei einem Duell einen Schlag an den Kopf gekriegt.» Siegrist macht weiter, trotz Brummschädel. Die Devise an seine Vorderleute ist klar: «Lasst den Gegner ja nicht schiessen! Ich konnte weder Distanzen abschätzen, noch konnte ich unterscheiden, ob ein Gegner auf mich zurennt oder von mir wegläuft.» In der Pause schliesst er sich in einem dunklen Raum ein, danach geht es wieder besser.
Die Nervosität ist weg
Und der Rest ist Geschichte. Nachdem Haris Seferovic in der 63. den goldenen Treffer erzielt, mauern Siegrist und seine zehn Vorderleute das Resultat über die Zeit. «Ich glaube in so einem wichtigen Spiel ist es auch einmal erlaubt, dass man sich hinten reinstellt», sagt Siegrist und muss schmunzeln. Siegrist erhält nach dem Finale den Golden Glove, die Auszeichnung für den besten Torhüter des Turniers.
Auch 15 Jahre nach dem erfolgreichen Abend in Abuja ist spürbar, wie viel Benjamin Siegrist dieser Weltmeistertitel bedeutet. Wenn er von nächtlichen Schwimmeinlagen im Hotelpool nach dem Brasilien-Sieg erzählt. Oder von der Polonaise mit Sepp Blatter und Gigi Oeri im Teamhotel nach dem Sieg. Vor allem kann er noch heute von diesem Turnier profitieren. «Ich hatte als 17-Jähriger über 60’000 Leute gegen mich in einem Spiel. In wichtigen Spielen bin ich nicht mehr nervös, weil ich weiss, dass ich meine Leistung abrufen kann.»
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Sonnenliebe
Nicht schlecht.
pserratore
👍