Was wir von «Winnie the Pooh» lernen können
©wallpaperflare.com
«Pooh-Philosophie»
Unterhaltung

Was wir von «Winnie the Pooh» lernen können

18.01.2024 15:31 - update 18.01.2024 17:11
Manuela Humbel

Manuela Humbel

Er ist fiktiv, trotzdem ist ihm der Sprung in die reale Welt gelungen. Winnie the Pooh taucht in Coachings, Lebensweisheiten oder Resilienz-Tipps auf. Hinter dem gelben Teddybären steckt eine ganze Philosophie.

Er ist gelb, trägt bauchfrei – und ist fiktiv. Trotzdem können wir von «Winnie the Pooh» so das Eine oder Andere lernen. Du denkst dir jetzt bestimmt: Was kommt mir eine News-Plattform mit so einer Kindergeschichte? Aber: Am 18. Januar ist in Grossbritannien der nationale Tag des nachdenklichen Teddybären. Dann hat ihn sein Erschaffer, Alan Alexander Mile (A. A. Milne) ins Leben gerufen – und seit da an so manches Kinder- und Erwachsenenherz berührt.

Was wir von "Winnie the Pooh" lernen können
Alan Alexander Mile (A. A. Milne) hat den Kult-Bären ins Leben gerufen. Keystone

Von der fiktiven in die reale Welt

Längst hat es der vielleicht etwas dümmliche und langsame Bär von der fiktiven in die reale Welt geschafft. Von Buch und Bildschirm gar in Achtsamkeits-Coachings, Lebensweisheiten oder Resilienz-Tipps. Seine Philosophie sei naiv, heisst es zum Beispiel auf einer Webseite, aber: Er verkörpere eben auch das Leben im Augenblick. Alles geschehe im Hier und Jetzt – und diese Erkenntnis sei wichtig.

Das hat schon etwas. Immer öfter verplanen wir den nächsten Tag, ohne uns auf heute zu fokussieren, unser erster und letzter Blick wandert aufs Handy und wenn wir denn etwas im Hier und Jetzt machen, dann oft nicht der Freude, sondern der Arbeit wegen. Viel öfter sollten wir uns mit uns selbst und unserem engen Umfeld beschäftigen, so, wie es eben der kultige Bär tut. Und so, wie er es eben selbst in einem Gespräch mit dem Ich-Erzähler des Buches ausdrückt:

«‘Sag mal, Pooh, warum bist du nicht beschäftigt?’ frage ich. ‘Weil es ein schöner Tag ist’, sagt Pooh. ‘Aber du könntest etwas Wichtiges tun’, sage ich. ‘Wichtig? Das bin ich’, meint Pooh.»

Fast 100-jährige Figur trifft heute noch Nerv der Zeit

Was auf den ersten Blick vielleicht etwas ignorant oder egoistisch rüberkommt, ist durchaus wichtig: Grenzen setzen und eben im Jetzt zu leben und nicht dauernd irgendwelchen Terminen hinterher zu hetzen.

Aber der fast 100-Jährige Kinderheld pflegt auch einen offenen Geist und hält sich nicht gerne an starre Überzeugungen, ist auf einer Webseite für Achtsamkeitscoachings zu entnehmen. «Zuhören kann helfen, in eine echte Verbindung zu treten.» Und das tue auch Eduard Bär, wie der kleine Bär laut Wikipedia bürgerlich heisse. Neben dem, dass er sich in seiner Freizeit eigene Geschichten ausdenke, verbringe er viel Zeit mit seinen Freund:innen, heisst es auf der Coaching-Seite.

«Ein bisschen Überlegung, ein bisschen Nachdenken für andere, macht den Unterschied», sagt der fiktive Charakter in einem Text von A. A. Milnes und trifft noch heute den Nerv der Zeit. Und: «Wenn dein Gesprächspartner nicht zuzuhören scheint, sei geduldig. Es kann einfach sein, dass er einen kleinen Fussel im Ohr hat.» Klingt auf den ersten Blick etwas dämlich, soll aber heissen, dass jede Person ihr Päckli zu tragen hat.

Psychische Erkrankungen bei «Winnie the Pooh»

Jeder Charakter in den Kinder-Erzählungen repräsentiert eine psychische Störung. Klar haben die Figuren wohl eher die klischeehaften Eigenschaften und es müssen nicht immer alle auf Betroffene zutreffen, aber: Die bekannte Saga könnte so bei Kindern der Stigmatisierung solcher Erkrankungen entgegenwirken.

  • «Winnie the Pooh»: Der Hauptdarsteller selbst hat ein Aufmerksamkeitsdefizit (ADHS). Er ist eher chaotisch, unordentlich und zögerlich. Das sind einige der Eigenschaften von ADHS.
  • Tiger: Auch die grosse Katze wird mit ADHS diagnostiziert, hat aber eine andere Ausprägung: Hyperaktivität. Ihr fällt es schwer, still zu stehen, sie überhört Kommentare oder unterbricht andere.
  • Ferkel: Das kleine Schweinchen macht sich ständig Sorgen und befürchtet das Schlimmste. Eigenschaften einer generalisierten Angststörung.
  • I-Aah: Der Esel hat mit einer Depression zu kämpfen. Meist sieht er nur das Negative, ihm fällt es schwer, ein Lächeln über die Lippen zu bringen und seinen Blick auch mal auf die guten Dinge zu richten.
  • Tappo: Der Hase hat einen Ordnungsfimmel, das kann auf eine Zwangsstörung zurückzuführen sein.
  • Kanga: Es mag keine Kontakte zu anderen, hat sogar Angst davor: Das Känguru hat eine soziale Angststörung.
  • Roo: Das Känguru-Kind scheint oft von der Realität abstrahiert zu sein, kann gewisse, gefährliche Situationen nicht einschätzen und bleibt oftmals für sich. Das sind Anzeichen für eine autistische Störung.
  • Eule: Ganz im Gegenteil dazu verhält sich dieses Tier: Es geht in die Offensive, greift oft ein und zeigt ein Übermass an Selbstsicherheit. Was arrogant wirkt, ist aber bloss ein Überspielen der eigenen Unsicherheit: Narzissmus.
  • Christopher Robin: Der Menschenjunge könnte Schizophrenie haben. Alle Tiere und die Ereignisse, die in der Geschichte passieren, stellt er sich in seiner Fantasiewelt vor.

Man muss jedoch vermerken, dass der Autor diesen Charakteren sehr wahrscheinlich nicht selbst die Krankheiten zugeschrieben hat. Erst 70 Jahre nach der Veröffentlichung der Bücher hat das Canadian Medical Association Journal diese These aufgestellt.

Poohs «Coping»-Mechanismus

Mit seinen naiven Aussagen oder Gedanken scheint sich Pooh durch den Hundert-Morgen-Wald oder eben die Welt zu schlängeln. Vielleicht ist das sein «Coping-Mechanismus», seine Strategie, wie Psycholog:innen sagen würden, mit bestimmten Ereignissen umzugehen. Vielleicht sollten wir uns aber auch nur ein Beispiel an dem gelben Teddy nehmen, wenn er auf die Aussage seiner Freundin Ferkel, «es ist heute», antwortet: «Mein Lieblingstag.»

Was wir von "Winnie the Pooh" lernen können
In den Büchern ist Ferkel ein kleines ängstliches Tier, das vor vielem Angst hat. Manchmal tritt es aber auch aus seiner Komfortzone, wenn es beispielsweise von Puuh ermutigt wird. pngimg.com

Und nicht zu vergessen, wenn ein Bär mit einem Honig-Bäuchlein bauchfrei tragen kann, dann wohl auch jeder Mensch nach den Festtagen. Neujahrsvorsätze sind zwar schön und motivierend, aber nicht vergessen, wie es Pooh einmal gesagt hat: «Die Leute sagen, nichts ist unmöglich, aber ich mache jeden Tag nichts.» Also einfach mal zurücklehnen und im Jetzt leben.

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.