Wegen versuchter vorsätzlicher Tötung: 51-jähriger Mann zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt
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Messerangriff
Basel-Stadt

Wegen versuchter vorsätzlicher Tötung: 51-jähriger Mann zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt

11.04.2023 08:44 - update 12.04.2023 19:51
Maximilian Karl Fankhauser

Maximilian Karl Fankhauser

In der Webergasse ist es im letzten Sommer zu einem blutigen Messerangriff gekommen. Der Verurteilte wird zusätzlich für zehn Jahre des Landes verwiesen.

In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli ist es in der Webergasse zu einer wüsten Messerattacke gekommen. Mit einer hohen Blutalkoholkonzentration soll der Angeklagte, ein 51-jähriger Kenianer, einen Freund eines Kollegen aus dem Nichts als Rassisten betitelt haben. In der darauf folgenden Rangelei habe der Beschuldigte ein Messer gezückt und verursachte an der linken Seite eine tiefe, klaffende Schnittwunde. Auch hinter dem linken Ohr soll der Angeklagte das Opfer verletzt haben. Daraufhin soll der Angeklagte davongerannt sein, die bereits alarmierte Polizei konnte ihn aber an der Claramatte anhalten. Für den Angeklagten gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung. Baseljetzt war live an der Verhandlung.

Der Angeklagte erzählt von der Tatnacht: Er habe sich mit einer Gruppe getroffen und sich ans Rheinufer gesetzt. Dort habe er getrunken und geraucht. Nach Mitternacht haben er und drei Bekannte entschieden, noch in die Stadt zu gehen. Der Beschuldigte unterhielt sich mit einem der Bekannten über Religion in Suaheli. Sie liefen Richtung Webergasse.

Dort trifft der Bekannte eine Kollegin und einen Kollegen. Der Beschuldigte habe dann den Bekannten angesprochen und sei von dessen Kollegen wirsch angefahren worden. Danach sei er von ihm umgestossen worden. Der Angeklagte habe dann seinem Bekannten ein Messer aus der Tasche genommen. Der Kollege des Bekannten soll ihn darauf mit Faustschlägen eingedeckt haben. Er habe mit dem Messer nur die Schläge abwehren wollen. Als diese aufgehört haben, habe er sich auf den Weg gemacht in Richtung Claraposten, die Polizei habe ihn aber an der Claramatte angehalten.

Nicht die erste Anklage wegen eines Messers

Er habe dann Blut am Messer gesehen, wusste nicht, wo er das Opfer getroffen habe. Er beteuert, dass es sich um Notwehr handle, er habe noch nie in seinem Leben jemanden verletzt. Das Opfer sei sehr aggressiv gewesen, weshalb weiss der Angeklagte nicht.

Der Richter entgegnet, dass der Angeklagte bereits 2017 wegen eines Messers vor Gericht stand. Er habe mit einem Messer seiner Ex-Frau gedroht und gesagt, dass er jemanden umbringen könne. Der Angeklagte beteuert, dass er das Messer damals nie in der Hand gehabt habe.

Das Messer, dass der Angeklagte in der Tatnacht benutzte, hat er weggeworfen. Als ihn die Polizei an der Claramatte anhielt, habe er sich die Hände gewaschen. Dies, weil er noch ein wenig Blut an den Händen hatte, wie er selbst sagt. Entgegen Zeugenaussagen sei er auch nicht gerannt, sondern normal gelaufen, wie er beteuert.

Die erste Zeugin spricht

Auch der Ablauf, wie ihn ein Freund des Angeklagten schildert, steht im Gegensatz zu den Schilderungen des Beschuldigten. Gemäss dem Freund soll er nämlich aus seinem eigenen Rucksack etwas herausgeholt haben und nach kurzem Gespräch mit diesem Gegenstand auf das Opfer eingeschlagen haben. Ausserdem sei der Beschuldigte nie zu Boden gegangen, auch der Gang sei nicht normal, sondern schnell gewesen, als er den Tatort verliess. Der Angeklagte bleibt bei seiner Darstellung des Gehens.

Nun spricht die erste Zeugin. Sie ist die befreundete Dame des Opfers, die an diesem Abend in der Webergasse dabei war stand: Das Opfer war damals ihr Partner, nun seien sie an der Beziehung am Arbeiten. Sie genossen zu zweit den Abend, assen ein Fondue und bewegten sich rund ums Tattoo-Gelände. Dort trafen sie einen Freund, den Bekannten des Angeklagten und wollten ihm schöne Ferien wünschen. Der Angeklagte sei ohne Grund aggressiv geworden und habe das Opfer als Rassisten bezeichnet. Das Opfer habe dann den Angeklagten gestossen.

Als sie sich dann verabschieden wollten, schrie der Angeklagte weiter und zog etwas silbernes aus dem Rucksack. Er habe direkt die Konfrontation gesucht und mit dem Messer gegen den Hals des Opfers geschwungen. Danach sei er weggerannt, das Opfer habe gar nicht realisiert, was passiert sei. Die Menschen drumherum seien sofort zur Hilfe geeilt.

Fürs Leben gezeichnet

Der Angeklagte habe dem Opfer auch gedroht: «Heute wirst du sterben», soll er gesagt haben. Diese Aussage hat die Zeugin sehr ernst genommen, als er etwas aus einem Rucksack zog, um danach auf das Opfer zuzugehen.

Über den Zustand des Opfers sagt sie: Das Trauma für ihn und auch für sie seien extrem gross. Zudem sei er auch sein Leben lang gezeichnet durch die Narbe, die auf seiner linken Seite am Hals. Auch das Kleinbasel betreten sie nur noch, wenn möglich. Er habe Schmerzen und werde immer angeschaut und wegen seiner Narbe verurteilt. Die Zeugin verlässt nun den Gerichtssaal.

Der zweite Zeuge spricht

Auch der zweite Zeuge, der Bekannte des Angeklagten, erzählt, dass an besagtem Abend viel Alkohol geflossen sei. Er erzählt von der Streitsituation, dass der Angeklagte ein Messer herausgezogen hatte. Nach einer Rangelei habe er das Messer hinter dem Rücken hervorgeholt und zugestochen. Danach verschwand der Angeklagte. Der Bekannte habe ein Messer dabei gehabt, habe dieses aber immer auf sich gehabt und besitze es immer noch. Er dementiert auch, dass sein Messer die Tatwaffe gewesen sein soll.

Bis jetzt stimmen die Zeugenaussagen überein. Zusätzlich widersprechen sie der Tatdarstellung des Angeklagten in mehreren Punkten. Sei es bei der Schnelligkeit der Entfernung vom Tatort, oder ob er in der Rangelei umgefallen sei, stehen die Aussagen gegeneinander. Der zweite Zeuge verlässt den Saal.

Der Anwalt des Opfers fordert einen Schadensersatz von über 900 Franken. Hinzu kommen Genugtuungsforderungen in der Höhe von 25’000 Franken.

Die Plädoyers

Nun kommen wir zu den Plädoyers. Der Staatsanwalt ist als erstes an der Reihe: Der Beschuldigte bestreitet nicht, mit dem Messer auf das Opfer losgegangen zu sein. Dies sei aber eine Reaktion auf die Aggressionen des Opfers. Dem Gegenüber stehen aber die Aussagen der Zeuginnen und Zeugen. Auch seien die verschiedenen Aussagen des Angeklagten widersprüchlich, eine Notwehrsituation lag nicht vor. Die Aggressionen seien klar vom Angeklagten ausgekommen. Auch seien es drei Stiche und nicht nur einer gewesen.

Der Beschuldigte versuche, etwas schuldmilderndes zu konstruieren. Für den Staatsanwalt sieht es nach einem gezielten Angriff auf den Hals aus. Mit dieser Aktion nehme der Angeklagte den Tod nicht nur in Kauf, er wolle ihn auch. Es ist darum von einer versuchten vorsätzlichen Tötung auszugehen. Die Vorstrafe des Beschuldigten sei zudem als strafschärfend zu werten. Einzig, dass der Beschuldigte alkoholisiert war, könnte sich strafmildernd auswirken. Er fordert eine Freiheitsstrafe von acht Jahren, zusätzlich eine obligatorische Landesausweisung von 15 Jahren. Weiterhin solle die Sicherheitshaft bestehen bleiben.

Der Rechtsvertreter des Opfers spricht nun: Er schliesst sich den Forderungen der Staatsanwaltschaft an. Da das Opfer die Rechnungen des Rettungsdienstes nach Hause erhielt und nicht bezahlen kann, da er nicht arbeitet, sei der Angeklagte zu einer Schadensersatzzahlung in der Höhe der Rechnung zu verpflichten.

Die Genugtuungsforderungen erklärt er folgendermassen: Das Opfer müsse mit dieser Narbe, die von hinter dem Ohr bis unters Kinn geht, den Rest seines Lebens umherlaufen und sich auch erklären. Zudem sei die Narbe noch immer wetterfühlig, auch ein leichtes Taubheitsgefühl im linken Ohr mache sich noch immer breit. Hinzu käme die psychische Belastung, die nicht minder gross sei.

Der Verteidiger spricht: Der Mandant habe Probleme mit seiner Konzentration. So fällt es ihm schwer, das Geschehene wiederzugeben. Auch seien die Aussagen der Zeugen nicht noch einmal zu überprüfen, da diese alle freundschaftlich mit dem Opfer verbunden seien. Zudem sei der Tathergang ab der Ankunft in der Webergasse zu korrigieren. Dies im Sinne der Aussage seines Mandanten. Auch habe er sich das Knie und die Schulter gebrochen. Es sei ein Reflex im Sinne des Schutzes gewesen. Auch habe der Beschuldigte das Gefühl, das Opfer sei ein Kunde seines Bekannten, der mit Drogen seinen Unterhalt verdienen würde. Somit hätte das Opfer ein Druckmittel gegen ihn, dass dieser Aussagen gegen den Angeklagten tätigen muss. Der Beschuldigte sei des Versuches der vorsätzlichen Tötung freizusprechen. Deswegen sei auch die Zivilklage abzuweisen.

Auch der Blutalkoholwert müsse korrigiert werden, da der letzte Schluck bereits weit vor der Tat getrunken wurde. Der Wert, der nun bei den Berechnungen herauskommen würde, würde auf eine Schuldunfähigkeit hinweisen. Auch dass es drei Stiche gewesen seien, müsse korrigiert werden. Deswegen sei von einer einmaligen Armstreckung und somit nicht von einem Tötungsversuch zu sprechen. Auch die Genugtuungsforderungen seien selbst bei einer unerwarteten Verurteilung viel zu hoch. Diese dürfte sich auf maximal 10’000 Franken belaufen. Ein Landesverweis sei ebenfalls aufgrund seiner Krankheitsgeschichte und deren nötigen Behandlung nicht adäquat.

Das Urteil

Das Urteil: Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und einem Landesverweis von zehn Jahren verurteilt. Zusätzlich muss er eine Schadensersatzzahlung von über 900 Fragen bezahlen und für eine Genugtuung in der Höhe von 12’000 Franken an das Opfer aufkommen.

Das Gericht begründet den Entscheid wie folgt: Auf dem an der Claramatte gefundenen Tatobjekt seien die DNA-Spuren des Verurteilten und des Opfers gefunden worden. DNA-Spuren des Bekannten seien hingegen keine gefunden worden. So könne es also nicht sein, dass das Messer dem Bekannten gehört hat.

Ausserdem seien auch die persönlichen Verbindungen der Zeugen zum Opfer nicht nicht gewichtig gewesen. Denn die Aussagen, die sie direkt nach der Tat getätigt hatten, seien praktisch gleich gewesen, wie die ein paar Wochen später. Eine Absprache habe somit nicht stattgefunden.

Auch die Art und Weise der Wunde weise darauf hin, dass eine Stichbewegung stattgefunden habe. Zudem seien die Zeugenaussagen aus unterschiedlichen Quellen meistens übereinstimmend, während der Verurteilte mit seiner Darstellung alleine dastehen würde. Auf die Aufforderung der Polizei, stehen zu bleiben, sei der Täter zum Brunnen auf der Claramatte gelaufen, um sich die Hände zu waschen. Ein Nachtatverhalten, dass sehr verdächtig macht.

Auch die Geschichte mit den Verletzungen an Knie und Schulter überzeugte das Gericht nicht. Denn am Tag danach seien diese weder bei der Rechtsmedizin oder der Einvernahme erwähnt worden sein. Einzig ein Arztzeugnis zwei Wochen später bestätigt, dass eine Verletzung am Knie vorliegen würde. Ausserdem seien sich die Zeuginnen und Zeugen klar, dass der Verurteilte nicht wie behauptet zu Boden ging.

Das Gericht verzichtet bei der Landesverweisung explizit auf einen Eintrag ins Schenger Informationssystem (SIS). Dies aus dem Grund, dass der Verurteilte mit seiner in Spanien lebenden Frau eine Familienzusammenführung vornehmen kann und sich ein Leben in Spanien aufbauen kann.

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13.04.2023 01:21

kutti

Lebenslanger Landesverweis

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