Weshalb Brians Instagram-Auftritt ihm nur schaden kann
Justizfall
Schweiz

Weshalb Brians Instagram-Auftritt ihm nur schaden kann

27.03.2023 16:49 - update 28.03.2023 05:47
Lea Meister

Lea Meister

Brian Keller ist gerade wieder Thema in den Medien. Der Grund: sein Auftritt in den Sozialen Medien und die illegale Nutzung eines Handys in seiner Gefängniszelle. Ein Experte ordnet die Situation ein.

Seit zehn Jahren beschäftigt der Fall die Schweizer Justiz, die Medienlandschaft und die Gesellschaft: Brian Keller. 2013 und 2015 löste seine Betreuung eine grosse Kontroverse aus. Zwischen 2018 und 2022 befand sich der 1995 Geborene in Einzelhaft in der JVA Pöschwies in Regensdorf.

Der «Fall Brian» steht unterdessen sinnbildlich für Diskussionen über Aufwand und Ertrag wenn es um die Resozialisierung von Straftätern und die damit einhergehende Überforderung der Schweizer Justiz geht. Durch die jahrelange Unterbringung Brians in Einzelhaft schaltete sich gar der UN-Sonderberichterstatter über Folter ein. Er warf der Schweiz vor, durch die lange Einzelhaft die UN-Antifolterkonvention zu verletzen.

Anfangs meldete sich Brian «auf Papier»

Am 28. Juni 2021 erschien ein Brief von Brian auf seinem neu erstellten Instagram-Account. Er hiess die Nutzer:innen auf seinem Kanal herzlich willkommen. Damals meldete er sich noch aus der Einzelhaft in Regensdorf. Der Kanal werde gemeinsam mit einer Gruppe von Künstler:innen geführt, hiess es.

Es folgten zahlreiche Briefe. Letztmals «auf Papier» meldete sich Brian Ende Oktober 2021. Er habe den Respekt vor Politik, Richtern und dem Gesetz verloren. Ab dann folgten Posts mit Fotos, stets unterlegt mit ein, zwei Sätzen in Grossbuchstaben, die wohl aus Brians Feder stammen. Wer den Kanal schon länger verfolgt, konnte hier auch Brians körperliche Entwicklung beobachten. So arbeitet er seit Monaten an seiner Fitness und scheint, wann immer möglich, wieder Gefallen am Boxen gefunden zu haben.

Möglich ist dies, seit er nicht mehr in Einzelhaft in Pöschwies sitzt, sondern in einem Gefängnis in Zürich. Auf seinem Profil teilt er Trainingsvideos, Bilder von sich, aber auch eine «Tour» durch seine Zelle. Auch sind immer wieder Mitinsassen im Bild gut erkennbar. Das Irritierende daran: Handys sind im Vollzug verboten, da sie missbräuchlich verwendet werden können. Beispielsweise für Fluchtversuche oder die Organisation von illegalem Handel.

Weshalb Brians Instagram-Auftritt ihm nur schaden kann
Immer wieder zeigt Brian sich mit Mitinsassen. Hier trägt einer Brians Gesicht auf seinem T-Shirt. Bild: Instagram

Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Handys im Vollzug landen. Dies bestätigt auch Marc Graf, forensischer Psychiater, der an Brians Fall gearbeitet hat, als dieser noch in Pöschwies sass und ihn auch schon in der Jugendforensik begleitete: «Handys sind ein Instrument, um Autonomie herstellen zu können. Im Vollzug sitzen junge Männer, die in ihrer Freiheit eingeschränkt sind, der Wunsch nach Autonomie ist riesig.»

Handys gelangen über Besucher:innen ins Gefängnis, selten aber auch über Mitarbeitende des Justizvollzugs. So soll ein Wärter in Zürich bis im April 2022 rund zwanzig Mobiltelefone organisiert haben. Ob auch in diesem Fall Mitarbeitende involviert sind, kann derzeit noch nicht gesagt werden, wie Elena Tankovski vom Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung gegenüber 20 Minuten sagte.

Brians Transformation im Bild

Für die Behörden sei das ein stetiges Katz und Maus Spiel. In Hochsicherheitsgefängnissen wie der JVA Pöschwies gebe es Installationen, welche jegliche Handysignale überstrahlen, so Graf. Wer ein Handy reinschmuggelt – beispielsweise vaginal oder anal –, hat dann also einfach keinen Empfang.

Weshalb Brians Instagram-Auftritt ihm nur schaden kann
Brian zeigt seine Trainingserfolge auf Instagram fast täglich. Bild: Instagram

Mit den neuerlich auch gewaltsamen Videos und Posts, die Brian auf Instagram und Tiktok teilt, tue sich der junge Mann keinen Gefallen, sagt Graf. In einem Video versucht Brian, seine Zellentüre einzutreten, in einem anderen Post äussert er sich eher primitiv über Richter und den Staat. Ausserdem teilt er regelmässig Bilder seines Boxtrainings in seiner Zelle. Aus dem vor mehreren Monaten noch etwas fülligeren Brian ist ein «Kampfmonster» geworden. Zumindest sieht er oberflächlich betrachtet so aus. Was in ihm drinnen vorgeht, weiss nur er.

Ende Februar wies das Bundesgericht die Beschwerde gegen die Bestätigung der Untersuchungshaft durch das Zürcher Obergericht ab. Das Obergericht Zürich verlangte im Oktober, Keller aus der Sicherheitshaft zu entlassen, da eine Fortsetzung nicht mehr verhältnismässig sei. Die bisherige Haftdauer sei in grosse zeitliche Nähe zu der zu erwartenden Dauer der Freiheitsstrafe gerückt.

Der Wortlaut in der Begründung der Zurückweisung der Beschwerde: «Das Bundesgericht weist die Beschwerde eines medial bekannten Mannes («Brian») gegen den Beschluss des Zürcher Obergerichts ab, mit dem dieses im vergangenen Dezember die Anordnung von Untersuchungshaft bestätigt hat. Das Obergericht hat zu Recht das Vorliegen von Wiederholungsgefahr bejaht.»

Wie er in eine Rolle gedrängt wurde

Brian verkörpert eine Rolle, in die er über die Jahre reingedrängt wurde. Brian, der hoch gefährliche Straftäter, den man nicht in die Freiheit entlassen kann, weil er unkontrollierbar ist. Sein Instagram-Profil könnte den Anschein erwecken, dass er sich mit dieser Rolle abgefunden hat, ja sie gar geniesst.

Dass Brian sich mit den Bildern und Videos in den Sozialen Medien schadet ist laut Graf schade – und irgendwie auch Teil einer kompletten Überforderung aller Beteiligten. Die illegale Nutzung eines Handys in seiner Zelle werde Folgen haben. Es komme wohl zu einer Zellendurchsuchung und entsprechenden Sanktionen.

Daueraufgabe aller Gefängnisse

Elena Tankovski sagt auf Anfrage von Baseljetzt, dass man Kenntnis habe von Kurzvideos, die mutmasslich aus dem Gefängnis Zürich stammten: «Die Gefängnis-Verantwortlichen arbeiten daran, das zu unterbinden, denn der Besitz von Mobiltelefonen im Gefängnis ist verboten.» Weil aber täglich sehr viele Personen das Gefängnis betreten und wieder verlassen, könne es zu Schmuggel von unerlaubten Gegenständen kommen. «Der Kampf dagegen ist eine Daueraufgabe aller Gefängnisse», ergänzt Tankovski.

Sobald man Kenntnis von strafrechtlich relevantem Verhalten habe, schalte man die Strafverfolgungsbehörden ein. Möglich also, dass sich Brians Strafakte durch seinen Social-Media-Auftritt weiter füllt. #BigDreams stellte sich vom ersten Post an als für den Instagram-Kanal verantwortliche Gruppierung vor. Auf ihrer Webseite heisst es: «#BigDreams hat sich zur Aufgabe gesetzt, diese Missstände öffentlich zu verhandeln. Wir sind eine diverse Gruppe von Aktivist*innen, Expert*innen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen.» Auf eine Anfrage von Baseljetzt reagierte die Gruppierung nicht.

Auf Instagram spreche Brian selber. Er habe eine Geschichte zu erzählen und wolle nicht mehr nur zuhören, wenn andere über ihn sprechen. Ob es Sinn macht, die Posts unbegleitet zu veröffentlichen, bleibt dabei im Raum stehen. Helfen werden sie Brian wohl nicht. Denn: «Es müsste dringend eine Zeit lang Ruhe einkehren für und rund um Brian», ist sich Marc Graf sicher.

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30.03.2023 04:21

mil1977

Ein Glück wurde der in Haft behalten. Man stellte sich nur vor, diese Tritt hätte ein Mensch auf der Strasse einstecken müssen.

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