
«Wir üben auf ironische Art Kritik an der Kritikunfähigkeit der Verantwortlichen»
Jennifer Weber
Ein Ausredengenerator zur CS-Übernahme geht derzeit viral. Baseljetzt hat mit der Kampagnenagentur, die den Generator entwickelte, über deren Absicht dahinter und die beliebtesten Anfragen gesprochen.
Auf der Website cs-ausreden.ch werden automatisch Ausreden generiert, warum die Credit Suisse in den Sand gesetzt wurde. Seit Sonntagabend ist die Website von der Zürcher Kampagnenagentur digital/organizing online. Am Montagmorgen hat die Agentur sie erstmals geteilt.
Seither verzeichnete cs-ausreden.ch rund 30’000 Seitenaufrufe – und circa 42’000 verschiedene, automatisch generierte Ausreden für das Scheitern der Credit Suisse sind so bereits entstanden (Stand: Mittwoch, 8 Uhr).
Auch Baseljetzt hat den Ausredengenerator getestet:
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Baseljetzt hat mit Sandro Covo, Projektleiter bei digital/organizing über den Ausredengenerator, die Absicht dahinter und die beliebtesten Anfragen gesprochen.
Baseljetzt: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Chat GTP zu benutzen, um damit einen Ausredengenerator zu bauen?
Sandro Covo: Die Idee kam, nachdem Axel Lehmann auf der Pressekonferenz zur Rettung der Credit Suisse auf die Frage nach den Schuldigen für die Krise Social Media genannt hatte. Eine Social Media-Kampagne sollte also verantwortlich sein, nicht etwa das Missmanagement der Credit Suisse über die letzten 20 Jahre. Auch Finma-Präsidentin Marlene Amstad schob die Schuld auf einen Tweet aus dem Oktober 2022. Offenbar ist man nicht willens, die eigene Schuld anzuerkennen.
Wir haben bereits vor einigen Wochen mit GPT einen Parteienchatbot entwickelt, und konnten so ziemlich schnell eine erste Version des Ausredengenerators erstellen und verfeinern.
Auf den ersten Blick scheint das Ganze ironisch gemeint. Da steckt aber auch eine ernste Absicht dahinter?
Wir üben auf ironische, witzige Art und Weise Kritik an der Kritikunfähigkeit der Verantwortlichen. Wir schreiben: «Alles kann Schuld sein, ausser natürlich du und deine Manager-Kollegen, die sich die letzten 20 Jahre 42 Milliarden Boni ausbezahlt haben und jetzt auf ihren Yachten chillen», und meinen genau das Gegenteil damit. Es war kein Tweet aus dem Oktober 2022, es waren auch nicht das Wetter oder grüne Bananen. Es waren die Verantwortungsträger:innen bei der CS, die ihre überhöhten Boni immer mit der grossen Verantwortung rechtfertigten. Und jetzt wollen sie sich davor drücken.
Die Antworten können via Social Media geteilt werden und sorgen zurzeit für Schmunzler im Netz. Geht da Ihre Botschaft nicht unter?
Übertreiben ist ein uraltes satirisches Stilmittel, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Es ist aber tatsächlich so, dass die aktuellen Ausreden der Verantwortlichen bei der CS kaum noch mehr überspitzt werden können.
Sie Verlinken die Kampagne der SP, welche sich gegen Boni-Auszahlungen wehrt. Ist sie ihre Auftraggeberin?
Wir haben auch schon für die SP Schweiz Kampagnen gemacht, aber den Ausredengenerator haben wir unabhängig von der SP entwickelt. Den Appell der SP haben wir verlinkt, weil wir ebenfalls der Meinung sind, dass sich etwas ändern muss.
Trotzdem, wie viel haben Sie beim Erproben des Generators gelacht?
Sehr, die ersten Begriffe die wir probierten waren vielversprechend, etwa die FDP:
«Wir von der Credit Suisse tragen keine Schuld am Scheitern. Die FDP aber schon! Sie haben uns überzeugt, dass Deregulierung und Steuersenkungen der Schlüssel zum Erfolg seien. Tja, falsch gedacht!»
Oder die Sommerzeit:
«Wir von der Credit Suisse tragen keine Schuld an unserem Scheitern, sondern die verdammte Sommerzeit! Durch diese halbjährliche Zeitumstellung sind unsere Mitarbeiter ständig verwirrt und unkonzentriert, was zu katastrophalen Entscheidungen führte. Wir fordern eine Abschaffung der Sommerzeit – für eine bessere Zukunft der Schweizer Wirtschaft!»
Was ist denn Ihr Lieblingsbegriff beziehungsweise Name?
Das haben wir nicht, es sind so viele. Und die unterhaltsamste Antwort stammt nicht von unserem Generator, sondern von CS-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann. Was er für einen Generator verwendet hat, wissen wir aber nicht.
Was sind die beliebtesten Anfragen an den Generator? Wie sieht das aktuelle Ranking aus?
Spitzenreiter ist die UBS, danach kommen Putin, TikTok und das Wetter. Ebenfalls weit oben ist Donald Trump, und natürlich auch Credit-Suisse-Werbeträger Roger Federer wird oft genannt.
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