«Zu viel hängige Gesuche»: So will Beat Jans das Schweizer Asylwesen effizienter machen
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Schweiz

«Zu viel hängige Gesuche»: So will Beat Jans das Schweizer Asylwesen effizienter machen

02.04.2024 09:30 - update 02.04.2024 19:51

Baseljetzt

Beat Jans ist seit fast 100 Tagen Mitglied der Landesregierung. Am Dienstag zog der Justizminister vor den Medien eine erste Zwischenbilanz. Es ging in erster Linie um die Arbeit im Schweizer Asylwesen.

Den Pendenzenberg von hängigen Asylgesuchen abbauen, mehr Geflüchtete in den Arbeitsmarkt bringen, häusliche Gewalt bekämpfen und ebenso die Lohndiskriminierung: Nach fast 100 Tagen im Amt hat der neue SP-Bundesrat Beat Jans seine politischen Schwerpunkte vorgestellt. Er plädiert für Zusammenarbeit und äussert sich pragmatisch.

Seine Arbeit will der neue Justizminister am Leitsatz «Zäme goht’s besser» ausrichten. Die Schweiz lebe von der Bereitschaft der politischen Kräfte, aufeinander zuzugehen, sagte Jans am Dienstag in Bern vor den Medien. «Erst diese Bereitschaft hat uns Sicherheit und Freiheit gebracht.»

Über 15’000 hängige Gesuche zu Jahresbeginn

Das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) sei ein Departement am Puls der Zeit, sagte Jans. «Hier laufen viele Fäden zusammen, viele Themen prägen den Alltag der Menschen in unserem Land.» Jans sieht sich in seiner Tour d’Horizon seiner anstehenden Arbeiten als «Migrationsminister, Polizeiminister und Justizminister».

Angehen will er den Pendenzenberg bei den Asylgesuchen. «Als ich mein Amt am 1. Januar antrat, hatten wir über 15’000 hängige Gesuche», sagte er. «Das ist zu viel.» Nachdem das Staatssekretariat für Migration (SEM) im vergangenen Jahr zusätzliche 200 Personen einstellte, um Gesuche zu erledigen, sollen dieses Jahr weitere 60 Personen befristet angestellt werden.

Diese Investition lohne sich, gab sich Jans überzeugt. Die Asylsuchenden wüssten rascher, woran sie seien, und sie könnten sich besser integrieren. Das spare Sozialkosten.

Einen Fehler nannte er auf eine Journalistenfrage den Abbau von Stellen im SEM zu Zeiten mit weniger Asylgesuchen. Als die Zahl der Gesuche wieder angestiegen sei, habe das nötige Personal gefehlt für deren Erledigung. Entsprechend hätten die Pendenzen zugenommen.

Die Medienkonferenz mit Bundesrat Beat Jans:

Livestream: Youtube/EJPD

Schnelleres Verfahren kommt

Entlastung erhofft sich Jans auch vom 24-Stunden-Asylverfahren. Dessen Ziel ist, dass Menschen mit kaum Aussicht auf Asyl weniger Asylgesuche in der Schweiz stellen. In Zürich, wo seit November 2023 ein Pilotversuch laufe, habe die Zahl von Gesuchen von Menschen aus den Maghreb-Staaten um 70 Prozent abgenommen. In den kommenden Wochen sollen die 24-Stunden-Verfahren landesweit eingeführt werden.

Die Asylunterkünfte dürften 2024 – das dritte Jahr in Folge – stark belegt sein. Das Szenario «Tief» geht von um die 22’000 neuen Gesuchen aus, das mittlere von etwa 30’000 und das Szenario «Hoch» von bis zu rund 40’000 Gesuchen – Schutzsuchende aus der Ukraine nicht mitgezählt. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Gesuche im zweiten Halbjahr eingereicht werden.

«Wir bleiben dran»

Wichtig sind Jans auch Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern. Im Fall von Eritrea sei das schwierig, weil sich das ostafrikanische Land weigere, Abkommen zu unterzeichnen. «Wir bleiben dran», sagte Jans. Der Ständerat fordert mit einer Motion, dass Eritreer in ein Drittland ausgeschafft werden. Der Nationalrat lehnte dies bisher ab.

Die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt und damit die Nutzung von brachliegendem Potenzial steht ebenfalls in Jans’ Agenda. Im Mai will er dem Bundesrat Massnahmen vorschlagen dazu und auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft setzen. Von den Ukrainerinnen und Ukrainern mit Schutzstatus S haben zurzeit 22 Prozent einen Job in der Schweiz – das Ziel liegt bei 40 Prozent.

Opferhilfegesetz anpassen

Im Fokus hat Jans zudem die Sicherheit von Frauen in der Schweiz. 2022 hätten die Polizeien 19’000 Fälle von häuslicher Gewalt registriert, mehr als Verkehrsunfälle. Die Opfer müssten einfachen Zugang zu Hilfe haben. Diese vom Parlament verlangte Anpassung des Opferhilfegesetzes soll noch dieses Jahr in die Vernehmlassung gehen.

Auch die Löhne der Frauen hat der neue Justizminister im Auge. Dass Frauen immer noch deutlich weniger verdienten als Männer «ist und bleibt ein Skandal und verstösst gegen die Verfassung», sagte er.

Mit den gesetzlich vorgeschriebenen Lohngleichheitsanalysen ist das Thema für Jans nicht erledigt. In einem Jahr solle anhand eines Zwischenberichts ausgewertet und beurteilt werden, ob die geltenden Vorschriften genügten oder ob es eine Verschärfung brauche.

Der 59-jährige Baselstädter Beat Jans ist Nachfolger von Alain Berset und seit dem 1. Januar Justizminister. Laut einer im März veröffentlichten Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» ist er das derzeit beliebteste Bundesratsmitglied. (sda/daf/jwe)

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