268 Rugby-Spieler klagen gegen den Weltverband
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268 Rugby-Spieler klagen gegen den Weltverband

06.12.2023 15:41 - update 06.12.2023 17:28
Aliena Müller

Aliena Müller

Anrempeleien, Kopfstösse und Ohnmacht – Rugby ist eine Vollkontaktsportart, bei der es nicht selten zu Verletzungen kommt. Nun schlossen sich 268 (ehemalige) Spieler zusammen und klagten gegen den Weltverband.

Dass es sich bei Rugby um einen risikoreichen Sport handelt, ist auch für Laien schnell ersichtlich. Wie weitreichend die Konsequenzen für Spieler:innen und Ehemalige sein können wird nun vor Gericht in London verhandelt.

Am 1. Dezember 2023 fand in London eine erste Anhörung dazu statt. 268 (ehemalige) Rugby-Spieler schlossen sich zu einer Sammelklage zusammen und prangerten sowohl den Rugby-Weltverband, wie auch die nationalen Verbände von England und Wales an. Die Kläger erhoben den Vorwurf, dass die beschuldigten Verbände es versäumt hätten, angemessene Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Spieler zu ergreifen. Wie Watson berichtet, werde erwartet, dass die Spieler mit den Verbänden eine aussergerichtliche Einigung erzielen werden.

Häufige Verletzung: Gehirnerschütterung

In der höchsten englischen Liga wird die Gehirnerschütterung mit 12,5 Prozent zu den häufigsten Verletzungen gezählt. Zwar sind im Rugby Angriffe auf Kopf und Hals verboten, trotzdem kommt es in dem Vollkontaktsport immer wieder zu Stössen gegen den Kopf. Besonders im Profibereich sind Kopfverletzungen daher keine Seltenheit, da die Spieler mit einer höheren Intensität spielen als Amateure.

«Es ist zu einem Kollisionssport geworden, in dem die Spieler ganz gezielt kollidieren, um die generische Verteidigung aufzureissen», erklärt der Neuropathologe William Stewart, der den Rugby-Verband bezüglich Gesundheitsfragen berät, laut dem Onlineportal.

Titelgewinn zum Preis des Erinnerungsvermögens

Besonders eindrücklich die Beschreibung des ehemaligen Weltmeisters Steve Thompson aus England: Er könne sich an den Titelgewinn kaum erinnern. Thompson gehört zu den Klägern der Sammelklage und kritisiert: «Es war nicht ungewöhnlich, dass ich benommen war, weisse Flecken sah und für ein paar Sekunden nicht wusste, wo ich war. Manchmal wurde ich völlig ohnmächtig. Das war einfach ein akzeptierter Teil des Trainings.»

Erleidet ein:e Spieler:in häufig solche Kopfverletzungen, so kann es zu einer CTE kommen. Die sogenannte Chronische traumatische Enzephalophatie kommt nicht nur im Rugby vor. So war sie bereits in den 1920er-Jahren als «Boxersyndrom» bekannt und auch Eishockey-Spiele:rinnen und American Footballer:innen sind davor nicht gefeit.

Depression, Demenz, Tod

Die Folgen einer CTE können unterschiedliche Gebiete betreffen. Symptome reichen von  Depressionen, Angstzuständen, Aggression und kognitiven Defiziten bis hin zu Demenz und Parkinson. der 33-jährige Super-Bowl-Sieger Demaryius Thomas starb sogar daran.

Diagnostiziert werden kann die CTE erst nach dem Tod der betroffenen Person, aber viele Kopfverletzungen und damit einhergehende Symptome wie oben beschrieben, können eine Vermutung begründen.

Geschichten von Rugby-Spieler:innen, welche bereits während ihrer Karriere oder nach Karrierenende mit psychischen und neurologischen Folgen zu kämpfen haben, gibt es einige.

Verletzungsrisiko senken – aber wie?

Dass Gehirnerschütterungen als solche erkannt werden, ist glücklicherweise heutzutage früher der Fall. Während vor einigen Jahren erst nach einer Bewusstlosigkeit Untersuchungen vorgenommen wurden, gibt es dies heute bereits nach Kopfstössen, welche mit nachträglichen Schmerzen einhergehen.

Ausserdem könne man auf technische Hilfsmittel zurückgreifen, berichtet Watson. Beispielsweise auf einen «smarten Mundschutz», welcher nicht nur als Schutz dienen soll, sondern auch Echtzeit-Daten an Ärzt:innen leitet, welche dann die erlittenen Schläge besser einordnen sollen. Damit soll verhindert werden, dass mit einer Gehirnerschütterung weitergespielt wird.

In England soll gar eine Regeländerung im Amateursport erfolgen: Ab Saison 23/24 sollen nur noch Tacklings unterhalb der Taille erlaubt sein. Dies berge jedoch die Gefahr, dass die getackelten Spieler gar mit dem Kopf auf dem Knie oder dem Hüftknochen des Gegners aufprallen könnten.

Verletzungsprävention im Gange

Die Verletzungsprävention im Rugby nimmt also Fahrt auf. Für die 268 Spieler kommt sie jedoch zu spät. «Nach dem, was ich jetzt weiss, wünschte ich mir, dass ich nie Profi geworden wäre», lautet das ernüchternde Fazit des ehemaligen Weltmeisters Steve Thompson. Deshalb kämpfen er und seine Mitstreiter vor Gericht weiter für eine Genugtuung.

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