«Akt der Willkür»: Ein Land ausser Kontrolle
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Fan-Ausschluss
FCB

«Akt der Willkür»: Ein Land ausser Kontrolle

19.04.2023 10:41 - update 19.04.2023 19:40
Lea Meister

Lea Meister

Am Tag vor dem Conference-League-Rückspiel gegen OGC Nizza verbieten die französischen Behörden den FCB Fans den Zugang zum Stadion. Die Begründung? Innenpolitische Probleme, die in keinem Zusammenhang zum FCB stehen.

«Der FC Basel 1893 ist wütend und masslos enttäuscht über das inakzeptable Vorgehen und den Entscheid der französischen Behörden, keine FCB-Fans im Rahmen des Viertelfinal-Rückspiels in Nizza zuzulassen.» – «Den Vertreter:innen des FC Basel schlug seitens der Behörden eine inakzeptable Ignoranz und Arroganz entgegen.» Noch nie hat sich der FC Basel derart deutlich in einer Medienmitteilung zu Vorfällen geäussert.

Was die französischen Behörden sich in den vergangenen Stunden erlaubt haben, kommt einem Skandal gleich. Nachdem die Nizza-Fans sich vergangene Woche frei in Basel bewegen (nicht ganz ohne Nebengeräusche) und das Spiel ihrer Mannschaft im Joggeli besuchen konnten, wird dies den Basel-Fans verwehrt. Stossend ist nicht nur die Tatsache an sich, sondern auch der Zeitpunkt.

Nationale Sicherheit als Grund

Als Begründung nennen die Behörden hauptsächlich die anhaltenden Streiks und Unruhen im Land. Kurz gesagt also die nationale Sicherheit. Die Sicherheit der Auswärtsfans könne deshalb nicht gewährleistet werden. Soweit so gut. Aber: So kurz vor einem Fussballspiel befinden sich bereits Hunderte Basler:innen in Nizza. Ist deren Sicherheit denn gewährleistet, jetzt, wo sie nicht ins Stadion kommen? Sind sie in der jetzigen Situation nicht viel mehr Freiwild, Umständen ausgesetzt, die sich anscheinend nicht beeinflussen lassen? Oder anders gefragt: Inwiefern würden die Streiks und Unruhen sie denn innerhalb des Stadions in Gefahr bringen?

Und: Wie auch der FCB schreibt, sind Streiks in Frankreich keine Seltenheit. Im Gegenteil, sie gehören eigentlich fast schon zum Alltag. Auch die Unruhen rund um Macrons Rentenreform ziehen sich nun schon seit Wochen durch alle grossen französischen Städte. Weshalb dieser Entscheid also einen Tag vor dem Spiel kommuniziert wurde, lässt sich nicht vernünftig erklären.

Weiter werden im behördlichen Schreiben Ereignisse aus der Vergangenheit genannt, bei welchen es zu Krawallen von gewissen FCB-Fans gekommen ist. Beispielsweise die Ereignisse im Brügglifeld anno 2015. Auch vergangene Krawalle von Nizza-Fans werden aufgelistet. Würden alle Behörden damit anfangen, alle Verfehlungen verschiedener Fangruppierungen aufzuzählen und einen Ausschluss damit zu begründen, wir hätten wohl auf internationaler Ebene nur noch leere Stadien.

Reaktion auf Krawalle in Marseille und Neapel?

Was sich die französischen Behörden erlauben ist pure Willkür und zeigt ein hohes Mass an Überforderung und Kontrollverlust. So wie in französischen Grossstädten auf den Strassen bei den immer wiederkehrenden Protesten seit Wochen die Kontrolle verloren geht, so zieht dieser Kontrollverlust nun auch in den Profifussball weiter.

Handelt es sich vielleicht gar um eine verzweifelte Reaktion auf die Krawalle in der zweitgrössten Stadt Frankreichs nach dem Champions-League-Spiel zwischen Marseille und Frankfurt? Schon Mitte März 2022 waren im Vorfeld des Achtelfinal-Spiels in der Conference League zwischen Marseille und Basel ausserdem FCB-Fanartikel auf den Strassen Marseilles verboten worden. Dies aus Angst vor Krawallen gewaltbereiter Marseille-Fans.

Beispiele wie das Champions-League-Spiel zwischen Neapel und Frankfurt zeigen, dass Repressionen aus Angst vor Auswärtsfans nicht immer deeskalierend wirken. Der Auswärtsblock in Neapel blieb damals leer als Resultat eines skurrilen Hin und Hers der lokalen Behörden. Mit aller Macht wollte die Präfektur Neapel verhindern, dass es deutsche Fans auf die Tribüne schaffen. So verzichtete die Eintracht freiwillig auf 2’700 Auswärtstickets. In der Stadt kam es zu schlimmen Krawallen und Strassenschlachten zwischen den beiden Fan-Gruppierungen.

Keine Fussballspiele ohne ein Mindestmass an Sicherheit

Frankreich scheint die Kontrolle verloren zu haben. Auf innenpolitische Punkte gehe ich an dieser Stelle nicht ein. Dass aber eine verzweifelte, überhastete und derart sinnlose Kollektivstrafe verhängt wird, ist nichts anderes als ein Zeichen der kompletten Überforderung. Das Bitterste daran ist, dass am Ende alle verlieren, in erster Linie aber der Fussball und die Fans, die in den allermeisten Fällen in friedlicher Absicht zu Auswärtsspielen reisen.

Nicht nur FCB-Fans scheinen ab den jüngsten Entwicklungen zutiefst irritiert zu sein. In den Kommentarspalten auf Twitter zeigen sich Hunderte Nizza-Fans empört über den Ausschluss der Gäste aus Basel. Damit hätten sich die Behörden ein Ei gelegt und das allfällige Eskalationsrisiko erhöht.

Der FC Basel wird auf juristischem Weg noch versuchen, in den kommenden Stunden so viel wie möglich zu erreichen. Ein ganz bitterer Nachgeschmack wird bleiben. Und die Frage: Sollten Städte, die die Sicherheit von Auswärtsfans anscheinend in diesem Masse nicht gewährleisten können, überhaupt Fussballspiele austragen dürfen? Meine Antwort darauf ist klar.

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Kommentare

Dein Kommentar

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26.04.2023 21:57

ReMo61

Die MK sollte sich mal überlegen, ob sie diese wenigen Chaoten weiterhin decken und schützen wollen, wenn ja, seid ihr selberschuld, dass ihr an auswärts Spielen nicht mehr dabei sein könnt.

0 1
20.04.2023 14:45

skywings2

Sind die Behörden heute einfach strenger oder sind die Attacken von Kriminellen im Fussball einfach massiver ? Als FCB Fan fuhr ich während vielen Jahren an Matches in Europa. Das liegt einige Jahre zurück. Einttrittsverbote gab es hingegen nie.

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