
Am 25. wird entschieden: Wer schafft’s aufs Ticket der SP?
Baseljetzt
Sechs Kandidatinnen und Kandidaten streiten sich um das offizielle Ticket der SP für eine Bundesratskandidatur. Wer sind sie? Woher kommen sie? Wofür stehen sie ein? Die Kurzporträts.
Daniel Jositsch ist der Mann mit der unerwünschten Kandidatur

Der 58-jährige Strafrechtsprofessor ist beim Wahlvolk äusserst beliebt – seit 2015 wurde Jositsch dreimal im ersten Wahlgang als Zürcher Ständerat gewählt. In diesem Jahr konnte er gar noch mehr Stimmen holen als 2019. Seit acht Jahren vertritt er den grössten Kanton in der kleinen Kammer.
Bei einer Volkswahl für den Bundesrat würde der Zürcher wohl gewählt, wie Umfragen zeigen. Auch auf der bürgerlichen Seite des Parlaments kann Jositsch punkten. Mit seinem früheren Zürcher Ständeratskollegen Ruedi Noser (FDP) verstand er sich bestens.
Bei der eigenen Partei eckt er hingegen nicht nur mit seinen sozialliberalen Positionen öfter an. Mit der unerwünschten Bundesratskandidatur 2022 verspielte er Sympathien bei der SP-Bundeshausfraktion. Inzwischen bereut Jositsch gewisse Aussagen, etwa dass ein reines Frauen-Ticket «diskriminierend» gewesen sei.
Auch, dass er nachdem er bei der Bundesratswahl 58 Stimmen erhalten hatte, nicht ans Rednerpult trat und erklärte, die Wahl nicht anzunehmen, wird ihm vorgehalten. Es ist klar, dass er in erster Linie seine Genossinnen und Genossen überzeugen muss, um eine Chance zu haben.
Viel Aufmerksamkeit erhielt Jositsch zu Beginn seiner Karriere im Bundeshaus, als er 2007 zusammen mit seiner damaligen Parteikollegin Chantal Galladé einen 12-Punkte-Plan zur Bekämpfung der Jugendgewalt präsentierte. Dies brachte ihm jedoch viel Kritik von links ein.
In den letzten Jahren engagierte sich Jositsch allerdings auch für klar linke Anliegen, etwa die Konzernverantwortungs-Initiative oder das Frontex-Referendum.
Roger Nordmann empfiehlt sich als Brückenbauer für den Bundesrat

Der 50-jährige Nordmann wird am 4. Dezember seine sechste Amtszeit als Nationalrat antreten, dem er seit 2004 angehört. Am Ende der nächsten Legislaturperiode 2027 wird der politische Workaholic fast die Hälfte seines Lebens seiner Rolle als Nationalrat gewidmet haben.
Um die doppelte Anzahl an Amtszeiten in Bern zu erreichen, die gemäss den Statuten seiner Partei erlaubt ist, musste der Sozialdemokrat zwei Ausnahmeregelungen erwirken. Die letzte wurde ihm 2022 nur um Haaresbreite gewährt, aufgrund einer Vereinbarung, die seinem Waadtländer Parteikollegen Pierre-Yves Maillard den Weg für den Ständerat freimachte, für den er ebenfalls kandidieren wollte.
Bereits im April 2019 hatte Nordmann eine Niederlage hinnehmen müssen, diesmal als Kandidat für die Nachfolge der abtretenden Ständerätin Géraldine Savary. Gegen Ada Marra, welche die Wahl in die kleine Kammer dann aber verlor, unterlag er parteiintern um nur sieben Stimmen.
Nordmanns Ambitionen für den Ständerat sind passé. Es bleibt die kleine Hoffnung, im Dezember Bundesrat zu werden. Doch seine Chancen auf eine Wahl sind äusserst gering. Der Sitz von Alain Berset wird mit grosser Wahrscheinlichkeit an einen deutschsprachigen Kandidaten gehen. «Versucht, aber gescheitert» könnte das Motto dieses erfahrenen und respektierten Politikers sein, der als geschickter Stratege gilt und dem gute Dosierkenntnisse zugeschrieben werden.
Der engagierte Nationalrat, der sich in Energie- und Sozialfragen auskennt, gab im Juni nach acht Jahren das Präsidium der sozialdemokratischen Fraktion im Bundesparlament ab. Er entschied sich, bei der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur Credit Suisse mitzumachen. Er hatte das Präsidium angestrebt, musste sich aber damit begnügen, lediglich Mitglied zu sein.
Beat Jans will als Stadtvertreter in die Landesregierung

Beat Jans ist seit über zwei Jahrzehnten eine feste Grösse in der lokalen und nationalen Politik. Bei den Nationalratswahlen 2015 und 2019 erhielt er jeweils die meisten Stimmen. Und 2020 schaffte er als Neuling im ersten Wahlgang den Sprung in die baselstädtische Regierung. Als Jans’ Markenzeichen gelten seine Begeisterungsfähigkeit, Eloquenz und Volksnähe.
Jans wuchs in Riehen als Kind einer Arbeiterfamilie in einem Wohnblock auf. Er absolvierte eine Lehre als Landwirt und bildete sich sich zum Agrotechniker weiter, bevor er an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften studierte.
Erst mit 34 Jahren trat er der Basler SP bei. Schon zwei Jahre später übernahm er das Präsidium der Kantonalpartei. Unter seiner Führung gewann die SP einen dritten Sitz in der Regierung. Gewählt wurde die damals in Basel noch wenig bekannte und heutige Ständerätin Eva Herzog. Zusammen mit dem Grünen Bündnis stellte die Linke die Mehrheit in der siebenköpfigen Exekutive – es war der Beginn der fast 16-jährigen Ära des rot-grünen Basel.
Im Grossen Rat gewann die SP als stärkste Fraktion zudem sieben Sitze. Der Erfolg war auch darauf zurückzuführen, dass Jans Migrantinnen und Migranten in die Partei integriert hat – so auch den im Oktober abgewählten Nationalrat Mustafa Atici. Zudem hatte der heute 59-Jährige schon vor 20 Jahren gesagt, dass es unbedingt mehr Frauen in der Regierung brauche.
Ab 2001 politisierte Jans zehn Jahre im Basler Grossen Rat, wo er für seine leidenschaftlichen, manchmal auch als etwas verbissen empfundenen Voten bekannt war. 2010 rückte er für den zurückgetretenen Ruedi Rechsteiner in den Nationalrat nach und machte sich rasch schweizweit einen Namen als Umwelt- und Energiepolitiker. Neben seiner politischen Tätigkeit arbeitete Jans für die Naturschutzorganisation Pro Natura und das Basler Beratungsunternehmen Ecos.
Mit Jon Pult will ein begnadeter Rhetoriker in den Bundesrat

Pult wurde im Unterengadin als schweizerisch-italienischer Doppelbürger geboren. Mit 19 Jahren stieg er in die Politik ein, als er 2004 ins Churer Stadtparlament gewählt wurde.
Danach ging es in zügigem Tempo die politische Sprossenleiter hinauf: Mit 24 wurde Pult Präsident der SP Graubünden, mit 26 Bündner Grossrat, mit 29 Präsident der Alpen-Initiative, mit 35 Nationalrat und mit 36 Vizepräsident der SP Schweiz.
Spätestens als er im Grossen Rat ankam, fiel in Graubünden Pults politisches Geschick und seine treffsichere Rhetorik auf. Der junge Parlamentarier argumentierte und taktierte wie ein Routinier, ohne dabei altklug oder als Möchtegern zu wirken. Bald hiess im Bündnerland: «Der wird mal Bundesrat.»
Seinen wohl grössten Erfolg im Heimatkanton feierte Pult 2017, als SP und Grüne unter seiner Führung kantonale Pläne für Olympische Winterspiele an der Urne versenkten – gegen das beträchtliche Engagement der anderen Parteien und aller Wirtschaftsverbände.
Nationale Bekanntheit erreichte der studierte Historiker als Präsident der Alpeninitiative, die sich für den Gütertransport per Bahn einsetzt. Der Sprung in den Nationalrat gelang Pult 2019 gleichwohl erst im dritten Anlauf, als der von Silva Semadeni gehaltene – damals nur eine – Bündner SP-Sitz frei wurde.
In Bundesbern fielen einmal mehr Pult politisches Talent und rhetorisches Geschick auf. Schon ein Jahr nach seinem Einzug ins Parlament machte ihn die SP zum Vizepräsidenten. In der Grossen Kammer präsidiert er mittlerweile die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N).
Pult habe die Kommission «angenehm geführt» und dabei seine Dossiersicherheit unter Beweis gestellt, erklärte Christian Wasserfallen, FDP-Nationalrat und ebenfalls in der KVF, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Er erlebe Pult als sehr talentierten Politiker, «der inhaltlich wie sprachlich seine klar linken Positionen vertreten kann.»
Evi Allemann ist Vollblutpolitikerin seit über zwei Jahrzehnten

Erstmals für Schlagzeilen sorgte Allemann im April 1998 bei den bernischen Grossratswahlen. Mit 19 Jahren wurde sie zur jüngsten Kantonsparlamentarierin der Schweiz gewählt.
Im Berner Rathaus engagierte sie sich vor allem in Jugend- und Bildungsfragen. Zudem gehörte sie der Justizkommission an. Das passte gut zum Jus-Studium an der Universität Bern, das sie 2003 abschloss. Im gleichen Jahr wurde Allemann in den Nationalrat gewählt.
15 Jahre lang gehörte sie der grossen Kammer an. In der Öffentlichkeit wurde sie vor allem als Verkehrs- und Sicherheitspolitikerin wahrgenommen. Während ihrer Nationalratszeit war Allemann unter anderem Präsidentin des VCS Schweiz und sass im Vorstand des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands.
Ihre Nationalratskarriere neigte sich 2018 dem Ende zu, wegen der parteiinternen Amtszeitbeschränkung. Doch Allemann konnte ihre politische Karriere nahtlos fortsetzen: Sie wurde in den Berner Regierungsrat gewählt, als Nachfolgerin ihrer Parteikollegin Barbara Egger.
Die SP-Politikerin, die vom Boulevard einst das Label «rote Evi» verpasst bekommen hatte, wuchs rasch in die Rolle der Magistratin hinein. Als Direktorin für Inneres und Justiz stand sie allerdings nur selten im Scheinwerferlicht. Grössere Niederlagen und Skandale musste sie bislang keine hinnehmen.
Ein nicht selbstverständlicher Erfolg an der Urne gelang ihr im Februar 2020: Nach einem hochemotionalen Abstimmungskampf sagten 53,5 Prozent der bernischen Stimmberechtigten Ja zu einem Transitplatz für ausländische Fahrende in Wileroltigen – gegen den Widerstand der Dorfbevölkerung.
In Politkreisen wird Allemann als pragmatisch, umgänglich und strebsam beschrieben. Kritiker werfen ihr mitunter vor, zu wenig durchsetzungsstark und etwas farblos zu sein.
Matthias Aebischer ist erfahrener Parlamentarier und Kommunikator

Er habe einen klaren Gestaltungswillen, sei ein Teamplayer, habe eine gewinnende Art und wolle in wichtigen Fragen tragfähige Lösungen finden, etwa in der Energiepolitik. Das sagte Aebischer Mitte September vor den Medien bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur.
Sein Name wurde nach Bersets Ankündigung zum Rücktritt mehrmals ins Spiel gebracht. Daraufhin nahm sich Aebischer den Sommer über Zeit, um sich die Bundesratskandidatur zu überlegen. Er kam zum Schluss, dass er alle Voraussetzungen für das Bundesratsamt mitbringt und sich das Amt zutraut.
Aebischer politisiert seit bald zwölf Jahren im Nationalrat. Derzeit präsidiert er die Gerichtskommission und ist zudem Mitglied in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N) und in der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N).
Im Parlament ist Aebischer gut vernetzt. Er ist Mitglied in fast sechzig parlamentarischen Gruppen mit verschiedenen Themenbereichen wie Sport, Medien, Verkehr und Weiterbildung. Aebischer gilt als Brückenbauer, der überparteilich agiert. Vor zwei Jahren schaffte er es auf einen entsprechenden Brückenbauer-Index von CH Media, der Personen im Nationalrat mit grosser Kompromissbereitschaft auszeichnete.
Hingegen hat er keine Regierungserfahrung. Dieses Manko will er laut eigenen Angaben mit erworbenen Führungsqualitäten durch das Präsidieren von Verbänden und Vereinen wettmachen. Aebischer präsidiert etwa Pro Velo Schweiz, den Verband für Weiterbildung und den Kinoverband Cinésuisse. Exponentinnen und Exponenten der SP des Kantons Bern lobten Aebischer zudem als begnadeten Kommunikator und Mann mit Führungsqualitäten.
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