Anciennität bis Zauberformel: Wichtige Fakten rund um die Bundesratswahlen
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Anciennität bis Zauberformel: Wichtige Fakten rund um die Bundesratswahlen

11.12.2023 12:11 - update 11.12.2023 14:16

Baseljetzt

Zum Beginn einer neuen Legislatur wählt die vereinigte Bundesversammlung die Landesregierung neu. Sechs Bundesratsmitglieder treten am Mittwoch zur Wiederwahl an. Wir bringen dein Wissen rund um die Wahl auf den neusten Stand.

Anciennität

Die Bundesratsmitglieder werden einzeln und nacheinander gewählt, zuerst die Bisherigen, die sich zur Wiederwahl stellen. Die genaue Reihenfolge bestimmt das Amtsalter. Zuerst ist deshalb Guy Parmelin (SVP) an der Reihe. Er ist im Dezember 2015 in die Landesregierung gewählt worden und neu das amtsälteste Bundesratsmitglied. Danach folgt die Wiederwahl von Ignazio Cassis (FDP). Der Tessiner gehört seit 2017 zur Landesregierung. Als nächste folgen Viola Amherd (Mitte) und Karin Keller-Sutter (FDP); beide sind seit Anfang 2019 Bundesrätinnen. Den Schluss der Bisherigen machen die vor einem Jahr neu gewählten Albert Rösti (SVP) und Elisabeth Baume-Schneider (SP).

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Der aktuelle Bundesrat: Bundeskanzler Walter Thurnherr (v.l.n.r.), Albert Rösti (SVP, Ignazio Cassis (FDP), Viola Amherd (Mitte), Alain Berset (SP), Guy Parmelin (SVP), Karin Keller-Sutter (FDP) und Elisabeth Baume-Schneider (SP).

Ersatzwahl

Der zurzeit amtsälteste Bundesrat Alain Berset (SP) tritt Ende Jahr zurück, nach zwölf Jahren im Amt. Sein Sitz muss deshalb am 13. Dezember neu vergeben werden, was nach der Bestätigungswahl der sechs Bisherigen ansteht. Die SP-Fraktion hat für Bersets Nachfolge den Baselstädter Regierungspräsidenten und früheren Nationalrat Beat Jans und den Graubündner Nationalrat Jon Pult nominiert. Beide werden sich in Hearings den Fragen der Bundeshausfraktionen stellen müssen. Danach entscheiden die Fraktionen, wem sie ihre Stimme geben wollen. Abgestimmt wird geheim, sodass in der Regel niemand erfährt, wer schlussendlich wem die Stimme gegeben hat. Es entspricht den Gepflogenheiten im Parlament, sich beim Wählen ans Kandidatenticket der nominierenden Fraktion zu halten. Eine Pflicht dazu besteht aber nicht. Überraschungen können deshalb nicht ausgeschlossen werden.

Wahlgänge

Das Parlamentsgesetz schreibt vor, wie die Wahlen abzulaufen haben. Gewählt ist, wer die Hürde des absoluten Mehrs nimmt, also die Hälfte der gültigen Stimmen plus eine auf sich vereint. Die Zahl der Wahlgänge ist unbegrenzt. In den ersten zwei Wahlgängen können alle wählbaren Personen gewählt werden. Ab dem dritten Wahlgang sind keine neuen Kandidaturen mehr zugelassen. Und schon ab dem zweiten Wahlgang scheidet aus, wer weniger als zehn Stimmen erhalten hat. Vom dritten Wahlgang an ist jeweils jener Kandidat oder jene Kandidatin nicht mehr zugelassen, die die wenigsten Stimmen erhalten hat, ausser wenn zwei oder mehr Personen gleich viele Stimmen bekommen haben.

Zauberformel

Seit 1943 sind alle grossen Parteien in der Landesregierung vertreten, massgebend für die Verteilung der Sitze ist die Zauberformel. SVP, SP und FDP stellen derzeit je zwei Bundesratsmitglieder und die Mitte eines. Nach den Wahlerfolgen der Grünen vor vier Jahren und den schlechten Resultaten der FDP bei den nationalen Wahlen im vergangenen Herbst steht die Zauberformel infrage. Die Grünen halten sie für nicht mehr zeitgemäss. Sie wollen der in ihren Augen übervertretenen FDP deshalb einen Sitz abnehmen mit der Kandidatur des Freiburger Nationalrats Gerhard Andrey. Die bei den jüngsten Wahlen erfolgreiche Mitte wiederum strebt mittelfristig einen zweiten Bundesratssitz an. Die Parteispitze versichert aber, keine amtierenden Bundesratsmitglieder abwählen zu wollen. Eine klare Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich laut einer aktuellen Erhebung im Auftrag des Newsportals Watson eine andere Zusammensetzung des Bundesrats. Befürworter einer Änderung gibt es vor allem in der Anhängerschaft von Grünen, SP, GLP und Mitte-Partei.

Regionen

Die Verfassung schreibt seit 1999 vor, dass die Landesgegenden und Sprachregionen im Bundesrat «angemessen» vertreten sein müssen. Aufgrund des Bevölkerungsanteils müsste knapp ein Drittel des Kollegiums aus dem französischen, italienischen und romanischen Sprachraum stammen. Das wären in etwa 2,3 Bundesratsmitglieder. Seit der Wahl der Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider (SP) vor einem Jahr ist der «lateinische» Sprachraum allerdings klar übervertreten: Baume-Schneider, der Freiburger Alain Berset (SP), der Waadtländer Guy Parmelin (SVP) und der Tessiner Ignazio Cassis (FDP) sitzen der St. Gallerin Karin Keller-Sutter (FDP), der Oberwalliserin Viola Amherd (Mitte) und dem Berner Albert Rösti (SVP) gegenüber. Da für Bersets Nachfolge zwei Deutschschweizer kandieren, dürfte dies am 13. Dezember korrigiert werden. Kritisiert wird zudem immer wieder, dass mit Ausnahme der Karin Keller-Sutter (FDP) – sie wohnt in Wil SG – alle Regierungsmitglieder in Gemeinden auf dem Land leben.

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Die Verteilung im Bundesrat sollte möglichst viele Teile der Schweiz abdecken. So sollte beispielsweise nicht nur die Land- oder die Stadtbevölkerung von den Vertreter:innen abgeholt werden. Auch die Sprachregionen sollten möglichst ausgeglichen vertreten werden. Bild: Keystone

Kantone

Die SP-Fraktion hat als Kandidaten für die Nachfolge des Freiburgers Alain Berset einen Baselstädter und einen Bündner nominiert. Beat Jans wäre nach einer Wahl der dritte Bundesrat aus Basel-Stadt. Bisher letzter Basler in der Regierung war der Sozialdemokrat Hans-Peter Tschudi, der Ende 1973 zurücktrat. Der Stadtkanton ist seit fünfzig Jahren nicht mehr in der Landesregierung vertreten. Jon Pult würde der fünfte Bundesrat aus Graubünden. Bisher letzte Vertreterin dieses Kantons war die 2015 zurückgetretene Eveline Widmer-Schlumpf (BDP). Die Kantone Zürich, Bern und die Waadt waren oder sind fast immer in der Regierung vertreten. Doch es gibt auch Kantone, die noch nie ein Bundesratsmitglied stellten: Schaffhausen, Uri, Schwyz und Nidwalden.

Bundespräsidium

Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin sowie der Vizepräsident oder die Vizepräsidentin des Bundesrates werden ebenfalls am 13. Dezember einzeln und nacheinander gewählt, für ein Amtsjahr. Gemäss Rotationsprinzip ist Viola Amherd (Mitte) Kandidatin für das Präsidium. Vizepräsidentin dürfte die Freisinnige Karin Keller-Sutter werden. Die Wahl ins Bundesratspräsidium gilt zwar als Formsache, wird von Ratsmitgliedern aber gerne genutzt, um Mitgliedern der Regierung ihr Missfallen oder aber ihre Zustimmung kundzutun. Das beste Resultat in den letzten Jahrzehnten hatte SVP-Bundesrat Ueli Maurer 2018 mit 201 Stimmen. Das bisher schlechteste erhielt Micheline Calmy-Rey (SP) 2011 mit 106 Stimmen. Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident ist «Erster» oder «Erste unter Gleichgestellten». Er oder sie leitet die Sitzungen des Bundesrats und übernimmt besondere Repräsentationspflichten. Die Funktion des Staatsoberhauptes übernimmt in der Schweiz der Gesamtbundesrat. Bisher hatte die Schweiz acht Mal eine Bundespräsidentin.

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Viola Amherd ist gemäss Rotationsprinzip die Kandidatin für das Bundespräsidium. Bild: Keystone

Departementsverteilung

Mit dem Rücktritt von Alain Berset (SP) wird das wichtige Departement des Innern (EDI) frei. Die sieben Departemente werden vom neu zusammengesetzten Bundesrat neu verteilt. Dabei spielt das Anciennitätsprinzip eine zentrale Rolle: Wer länger im Amt ist, wählt zuerst, welches Departement er oder sie führen will. Der oder die Neue muss nehmen, was übrig bleibt. Über die Departementsverteilung abgestimmt wird nur, wenn sich die sieben Bundesratsmitglieder nicht einigen können. Über Wechselgelüste vor der bevorstehenden Verteilrunde ist bisher kaum etwas bekannt. Spekuliert wird indes, dass Aussenminister und Arzt Ignazio Cassis (FDP) ins für das Gesundheitswesen verantwortliche Innendepartement wechseln könnte.

Bundeskanzler/Bundeskanzlerin

Am 13. Dezember muss das Parlament auch einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin des zurücktretenden Bundeskanzlers Walter Thurnherr (Mitte) bestimmen. Kandidaturen angemeldet haben die SVP und die GLP. Auch Lukas Gresch-Brunner, parteiunabhängiger Generalsekretär des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI), will die Nachfolge von Thurnherr antreten. Die SVP hat Gabriel Lüchinger und Nathalie Goumaz vorgeschlagen, und Kandidat der GLP ist der heutige Vizekanzler Viktor Rossi. Der zweite Vizekanzler und Bundesratssprecher André Simonazzi (SP) verzichtet auf eine Kandidatur. Für die SVP und auch für die GLP wäre es das erste Mal, dass sie den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin stellen. Bisher eine Bundeskanzlerin und acht Bundeskanzler waren FDP-Mitglieder. Die frühere CVP und heutige Mitte-Partei stellte bisher eine Bundeskanzlerin und drei Bundeskanzler, die SP einen Kanzler. Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin ist Stabschef oder Stabschefin des Bundesrates und nimmt an dessen Sitzungen teil. Er oder sie hat beratende Stimme und kann Anträge stellen.

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Auch für Bundeskanzler Walter Thurnherr wird es am 13. Dezember eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger geben. Er tritt zurück. Bild: Keystone

Bundesratslohn

Das Bruttojahreseinkommen der Bundesratsmitglieder beträgt ab dem 1. Januar 2024 rund 472‘000 Franken. Der Lohn wird der Teuerung angepasst, aber gemäss dem Portal der Schweizer Regierung gibt es keine Reallohnerhöhung. Hinzu kommt eine Spesenpauschale von derzeit jährlich 30’000 Franken. Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident erhält zusätzlich eine Entschädigung von 12’000 Franken während des Präsidialjahres. Weiter übernimmt der Bund die Kosten für die Telekommunikation (Festnetz, Mobiltelefon, PC). Die Gebühr für Radio und Fernsehen zahlen die Regierungsmitglieder selber. Bundesratsmitglieder und der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin haben Anrecht auf ein Repräsentationsfahrzeug und ein Dienstfahrtzeug. Für die private Nutzung des Autos wird pro Monat 0,9 Prozent des Neupreises verrechnet. Jedes Regierungsmitglied erhält ein SBB-GA für die 1. Klasse und ein GA für die Seilbahnen in der Schweiz. (sda/mei)

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