Aticis Vorteil im Herbst und die Chancen der Bürgerlichen auf einen vierten Sitz
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Regierungsrat
Basel-Stadt

Aticis Vorteil im Herbst und die Chancen der Bürgerlichen auf einen vierten Sitz

08.04.2024 06:22 - update 08.04.2024 10:18
David Frische

David Frische

Die Basler Regierung ist wieder vollzählig, Mustafa Atici ist das neuste Mitglied. Doch im Herbst wird das Gremium bereits wieder neu gewählt. Wie ist die Ausgangslage nach der jüngsten Wahl? Eine Analyse.

Basel gönnt sich eine Verschnaufpause. Der Stadtkanton befand sich die letzten Monate gefühlt im Dauerwahlkampf. Doch lange können Politiker:innen und Parteien nicht Durchatmen. Schon im Herbst steht die Gesamterneuerungswahl der Regierung an. Und deshalb warfen am Abend des Wahlsonntags vier Polit-Expert:innen der Basler Medienszene bei Telebasel schon mal einen Blick voraus. Es diskutierten in der Talk-Runde: Ina Bullwinkel (Co-Chefredaktorin Bajour), David Sieber (Polit-Journalist Telebasel), Hans-Martin Jermann (stv. Chefredaktor «bz Basel») und Sebastian Briellmann (Polit-Journalist «Basler Zeitung»).

Die Themen

  1. Luca Urgeses starker Wahlkampf
  2. Muss Mustafa Atici um seine Wiederwahl zittern?
  3. Haben die Bürgerlichen eine Chance auf einen vierten Sitz?
  4. Chancen der Grünen im Herbst
  5. Treten die Verlierer nochmals an?

1. Luca Urgeses starker Wahlkampf

Die erste Erkenntnis der Polit-Runde kurz nach der Ersatzwahl in den Regierungsrat: FDP-Kandidat Luca Urgese legte einen starken Wahlkampf hin. Die Journalist:innen gehen sogar so weit, dass sie sagen: An Urgese selbst habe es nicht gelegen, dass er SP-Mann Mustafa Atici unterlag. «In manchen Gebieten war er sogar stärker als Atici», sagt Ina Bullwinkel (Bajour), beispielsweise beim Thema integrative Schulen. Urgese habe «den besseren Wahlkampf gemacht», attestiert ihm auch Sebastian Briellmann von der BaZ. «Dass es nicht reicht, liegt am Kanton Basel-Stadt, der generell links-grün dominiert ist.» Urgeses Abschneiden könne den Bürgerlichen Mut für zukünftige Wahlen machen, so Briellmann.

Auch wenn Hans-Martin Jermann (bz) den FDP-Grossrat nicht als «den grössten Charismatiker» sieht, lobt er dessen Abschneiden. Urgese könnte seiner Meinung nach durchaus auch in Zukunft ein guter Kandidat für die Bürgerlichen sein, findet auch er.

2. Muss Mustafa Atici um seine Wiederwahl zittern?

Nach der Wahl ist für Neo-Regierungsrat Mustafa Atici schon fast vor der Wahl. In gerade einmal sechs Monaten muss sich der SP-Politiker zusammen mit den anderen sechs Regierungsrät:innen zur Wiederwahl stellen. Eine Gefahr?

Nein, finden alle vier Polit-Beobachter:innen. Erstens sieht David Sieber (Telebasel) die drei SP-Sitze in der Regierung «als gesichert» an – keine Partei vermöge den Sozialdemokraten diese im Herbst ernsthaft streitig machen. Zweitens habe Atici den Vorteil, dass er von einer gewissen Schonfrist profitiere: Die ersten 100 Tage im Amt wird ein neues Mitglied in der Regierung nicht ernsthaft bedrängt, so ist das in der Politik üblich. «Realistischerweise kann er gar nicht so viel erreichen» bis bereits die nächste Wahl anstehe, sagt Bullwinkel. «Und das wissen auch alle.» Briellmann geht da mit: «Diese Person kann man eigentlich nicht nicht wählen». Das habe auch mit Anstand zu tun.

3. Haben die Bürgerlichen eine Chance auf einen vierten Sitz?

«Wer steht überhaupt zur Verfügung?», fragt sich Ina Bullwinkel. Da lande man ziemlich schnell wieder bei Luca Urgese, ist die Bajour-Chefin überzeugt. Hans-Martin Jermann meint, die Bürgerlichen könnten ihre Chance auf einen zusätzlichen Regierungssitz nur erhöhen, wenn sie eine Person aus dem Hut zauberten, die «man noch nicht auf dem Zettel» habe. «Ein Quereinsteiger oder jemand, der ein politisches Comeback gibt» und der das Momentum im Wahlkampf auf seine Seite ziehen könne.

Einig sind sich Hermann und Bullwinkel darin: Wenn die Bürgerlichen im Herbst einen Sitz angreifen, könne das nur jener von Esther Keller (GLP) sein. «Es wird für die Bürgerlichen aber sehr schwierig, einen vierten Sitz zu holen», so Jermann.

Bezüglich der Chancen für einen bürgerlichen Sitzgewinn im Herbst stellt sich auch die Frage: Kommt es wieder zum einem grossen Schulterschluss unter den Parteien, zu dem sich die Bürgerlichen für die Kandidatur Urgese durchgerungen haben? David Sieber ist da klar: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass von der GLP – oder spätestens ab der Mitte – bis zur SVP wieder ein Päckchen gemacht wird». Wahrscheinlicher sei, dass die Mitte mit der GLP zusammenspanne.

Auch Briellmann sieht den grossen Schulterschluss nicht als gesichert an. Trotzdem ist für den BaZ-Journalisten klar, dass die Bürgerlichen an der Allianz festhalten sollten. «Man muss das weiterhin versuchen. Auch wenn es im Herbst vielleicht nicht für einen vierten Sitz reicht. Wenn man es schafft, dieses Prinzip zu etablieren, wird dies in jeder künftigen Wahl von Vorteil sein.» Für Jermann ist das schlichtweg «ausgeschlossen». Es sei nicht möglich, dass sich alle fünf bürgerlichen Parteien auf ein gemeinsames Ticket einigen, so der bz-Journalist. Dafür seien die Ansprüche der jeweiligen Parteien einfach zu gross.

4. Chancen der Grünen im Herbst

Bislang nicht in der Basler Regierung vertreten ist das Grüne Bündnis. Es ist davon auszugehen, dass Grüne und Basta im Herbst einen neuen Anlauf in die Exekutive nehmen werden. Wie stehen ihre Chancen? Ina Bullwinkel glaubt, dass das Bündnis mit einer Kandidatur von Basta-Nationalrätin Sibel Arslan «intakte Chancen» habe. Entscheidend sei auch, wie scharf das Grüne Bündnis den Sitz von Esther Keller (GLP) angreifen kann, denn um diesen gehe es.

David Sieber ist anderer Meinung. Zum einen sei Sibel Arslan keine geeignete Politikerin für die Regierung, das würden auch viele in Arslans Partei so sehen. Der Telebasel-Politikjournalist erinnert daran, dass sich die Basta bei der Nachfolge von Beat Jans in der Regierung selbst schnell aus dem Rennen genommen hat. Zum anderen sei mit Atici nun soeben ein Migrant in die Kantonsregierung gewählt worden. Dass nun im selben Jahr eine zweite Person mit demselben Hintergrund ins Gremium gewählt wird, hält Sieber für unwahrscheinlich.

5. Treten die Verlierer nochmals an?

Nicht zuletzt stellt sich beim Blick in den Herbst auch die Frage, ob die beiden Verlierer der Ersatzwahl bei den Gesamterneuerungswahlen nochmals einen Versuch wagen. Es sind dies Luca Urgese (FDP) und Jérôme Thiriet (Grüne).

«Urgese könnte auf der Erfolgswelle weitersurfen», sagt Sebastian Briellmann angesichts des guten Resultats des FDP-Manns im zweiten Wahlgang gegen Atici. Er würde ihm aber nicht empfehlen, zweimal innert eines halben Jahres anzutreten. Urgeses Chancen stünden besser, wenn er es in vier Jahren nochmals versuche, glaubt Briellmann. «Jérôme Thiriet würde ich das eher nochmals empfehlen», sagt der BaZ-Journalist mit Blick auf den Herbst. Er sieht Thiriet vom Typ her für die Regierung geeignet – «inhaltlich muss er einfach massiv zulegen».

Bullwinkel geht da mit: Thiriet müsste inhaltlich «einen sehr grossen Sprung machen und sich ganz anders aufstellen». Sie traut ihm die Wahl in die Regierung nicht unbedingt zu. Eine erneute Thiriet-Kandidatur könnte ihrer Meinung nach für die Grünen «sogar peinlich werden». Eine erneute Kandidatur Urgese hält die Politik-Expertin von Bajour durchaus für wahrscheinlich, da es im FDP-Lager auch nicht wirklich Alternativen gebe.

David Sieber gibt Thiriet mehr Kredit. «Er hat gelernt», ist er sich sicher. Und er spricht auch die Bekanntheit des Politikers in der Öffentlichkeit an, die ihm der Wahlkampf eingebracht habe und die ihm ebenfalls zugute komme. Darauf könne Thiriet aufbauen. «Wenn er inhaltlich zulegt – warum nicht?»

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Kommentare

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08.04.2024 17:56

lionofzion

Geschätzte Basler Stimmbürger, ich prognostiziere einen Rekord-Sommer, nicht nur bei den Temperaturen… Denkt einfach im Herbst daran, wem Ihr das zu verdanken habt!

0 0
08.04.2024 09:41

Sansai

Basülü !

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