
Das Innenleben der Geheimdienste – Eine Forscherin erzählt
Maximilian Karl Fankhauser
Aviva Guttmann ist Geheimdienstforscherin in Wales. Für Baseljetzt gibt sie Einblick in ihr Forschungsgebiet. Und erklärt, was die drei wichtigsten Dienste umtreibt. Und wie sich der Nachrichtendienst des Bundes entwickelt hat.
Einmal das Gefühl haben, James Bond auf den Spuren zu sein? Für die Baslerin Aviva Guttmann seit mehreren Jahrzehnten Realität. Natürlich nicht ganz, denn sie forscht nicht in der Filmhistorie, sondern im Geheimdienstsegment.
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Kern ihrer Forschung ist es, Einblicke in das Innenleben der Geheimdienste zu geben. Was sich abzeichnet: Das Verhältnis der Geheimdienste zu ihren Staatschefs könnte unterschiedlicher nicht sein. «Die meisten Länder haben eigentlich einen Inlandsgeheimdienst, einen Auslandsgeheimdienst und einen Geheimdienst, der die Kommunikation abhört.» Das sei aber nicht überall so.
In Russland ist der FSB als Geheimdienst aktiv. «In diesem Fall ist es sehr spannend, den Vergleich zu seinem Vorgängermodell aus der Sowjetunion zu ziehen«, sagt Guttmann. Zu Zeiten des Kalten Krieges hätten die Wege aller Geheimdienste zu Josef Stalin geführt. «Alle Informationen mussten zu ihm, er hat die Geheimdienste auch gegeneinander ausgespielt.» Die Geheimdienste mussten also um seine Gunst buhlen, hätten aber gleichzeitig bei negativer Berichterstattung Angst vor Stalin gehabt.
Angstkultur in Russland
Hier könne eine Parallele in die heutige Zeit gezogen werden. Denn auch unter Russlands Präsident Wladimir Putin herrsche diese Angstkultur. Er habe die volle Kontrolle und auch er spiele die einzelnen Geheimdienste gegeneinander aus. Zumal Putin genau wisse, wie es läuft, da er vor seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten den FSB ein Jahr lang anführte.
Ein Beispiel für diese Angstkultur sei ein geleaktes Video eines Geheimdiensttreffens mit Putin zu Beginn des Ukraine-Krieges. Die Vorsteher der verschiedenen Geheimdienste mussten ihm dort erklären, weshalb es richtig sei, in der Ukraine einzumarschieren. «Wenn ein Geheimdienstler etwas Falsches gesagt hat, hat Putin ihn zurechtgewiesen und man konnte ihm die Angst richtig ansehen», sagt Guttmann. In Russland sei das ein Verhältnis, das auf Angst und Misstrauen basiere.
In den USA, so Guttmann, komme es immer darauf an, wer gerade an der Macht sei. Donald Trump habe damals öffentlich gesagt, dass er seinen Geheimdiensten nicht traue und es besser wisse. «Da kam der Geheimdienst an den Punkt, wo er sich fragte, warum er Trump überhaupt gebrieft hat.» Es sei eine schwierige Zeit für den Geheimdienst gewesen.
17 Geheimdienste
Zumal die Regierungen ihre Entscheidungen immer noch für sich selbst treffen. Letztlich habe sie die Wahl, den Informationen der Geheimdienste Glauben zu schenken oder eine ganz andere Richtung einzuschlagen. Zumal sie auch die Verantwortung trage, sagt Guttmann. «In der Biden-Administration habe ich das Gefühl, dass der Austausch viel reibungsloser funktioniert.» In Amerika gebe es zudem insgesamt 17 Geheimdienste, was ein ganz besonderer Aspekt sei.
Beim dritten grossen Geheimdienstbund handelt es sich um den Mossad, den Shin Bet und den Aman in Israel. Es gibt momentan Forschung dazu, was am 7. Oktober falsch lief und weshalb die Attacke der Hamas nicht verhindert werden konnte. Die Pager-Attacken im Libanon und die harten Schläge gegen die Hisbollah liefern eine mögliche Antwort: die letzten Jahre richteten die israelischen Geheimdienste ihre Aufmerksamkeit in den Norden und bereiteten den Kampf gegen die Hisbollah vor. Dafür vernachlässigten sie ihren Fokus auf den Gaza und schlugen gar interne Warnungen vor einer Hamas Attacke in den Wind.
Der Schweizerische Geheimdienst, der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) besteht in seiner heutigen Form erst seit 2010. Zuvor hatte die Schweiz keinen zentral organisierten Geheimdienst, bis dahin handelte es sich um eine Unterabteilung der Bundespolizei. Die Frage, die sich hierbei oft stellt: Braucht die Schweiz überhaupt einen Geheimdienst? «Das ist eine spannende und auch legitime Frage», sagt Guttmann.
Weniger Normen und Gesetze
Dabei spiele die Neutralität der Schweiz eine wichtige Rolle. «Der Nachrichtendienst kann, wie der Name schon sagt, im Geheimen agieren und muss sich nicht an die Neutralität halten. In den 1970er Jahren unterstützte die Schweiz beispielsweise Israel im Kampf gegen die Palästinenser. Weil das alles geheim ausgehandelt wurde, konnte die Schweiz damals ihre Neutralität nach aussen wahren. «Denn hätte sie sich von offizieller Seite für eine der beiden Kriegsparteien ausgesprochen, hätte sie ihre eigene Neutralität verletzt». Denn Geheimdienste seien an weniger Normen und Gesetze gebunden. «Und in gewissen Fällen kann es für den Staat von Vorteil sein, wenn der Geheimdienst mehr Freiheiten hat.»
Im Fall der 70er Jahre sei die Neutralität der Schweiz nicht in Gefahr gewesen, weil der Geheimdienst Israel heimlich unterstützen konnte. Die geheimdienstlichen Aktivitäten seien damals für die Schweiz von Vorteil gewesen, weil sie einerseits vom palästinensischen Terrorismus bedroht gewesen sei, andererseits aber ein grosses Interesse am Handel mit arabischen Ländern gehabt habe. Dieser Handel wäre erschwert worden, wenn die betroffenen Länder gewusst hätten, dass die Schweiz eng mit Israel zusammenarbeitet.
Einen ähnlichen Fall habe es während des Kalten Krieges gegeben. Unter dem amerikanischen Sicherheitsschirm hätten sich die westlichen Geheimdienste, darunter auch die geheime Schweizer Kaderorganisation P-26, abgesprochen. Ihr Ziel damals: Im Falle eines Krieges mit der Sowjetunion widerstandsfähig zu bleiben. «Das galt auch für die Ausrüstung, die untereinander kompatibel sein musste», sagt Guttmann. Diese Zusammenarbeit habe aber ein grosses Problem mit sich gebracht. Die Neutralität der Schweiz sei damals untergraben worden.
Mögliches Abhängigkeitsverhältnis
«Denn im Friedenszustand darf ein permanent neutrales Land nichts machen, das eine Entscheidung im Kriegsfall beeinflussen könnte,» sagt Guttmann. Und in einem Kriegsfall wäre die Schweiz von den westlichen Staaten abhängig gewesen. «Dort kann man sich fragen, ob der Entscheid des Geheimdienstes im Sinne der Schweiz war.»
Wer sich aber für eine Stelle beim Schweizer Geheimdienst interessiert, der müsse nur auf der Job-Webseite des Bundes seine Augen offen halten. Der NDB schreibe seine Stellen nämlich unter anderem auch dort aus. Einem Stellenausschrieb aus dem Jahr 2021 ist zu entnehmen, dass es einen Masterabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung dafür braucht. Die Aufgabenliste liest sich wie folgt:
• Führt zugewiesene Dossiers in fachlicher Hinsicht.
• Gewährleistet die Produktion im Bereich der fachlichen Zuständigkeit gemäss Produktionsplanung und den Erfordernissen der Lageentwicklung.
• Weist auf relevante Lageentwicklungen hin und macht entsprechende Produktionsvorschläge. Unterstützt so den Dienst bei der Beurteilung der Bedrohungslage gemäss dem Nachrichtendienstgesetz.
• Behält stets die Aspekte der inneren und äusseren Sicherheit im Auge und trägt so zu einer umfassenden nachrichtendienstlichen Sichtweise bei.
• Trägt zur Beurteilung von sicherheitspolitischen Fragen im Rahmen der fachlichen Zuständigkeit bei.
Der Name ist Programm
Guttmann sagt, dass man bei einer Bewerbung zusätzlich komplett durchleuchtet wird. «Wenn man zum Beispiel Russisch als Sprachkenntnis angibt, dann wird man mit Fragen ausgequetscht.» Denn der NDB wolle die Verbindung zu Russland kennen und sicherstellen, dass es sich bei der Person nicht um einen Spion handle.
Die Untiefen der Geheimdienste sind genauso komplex wie auch spannend. Aktualitätsforschung habe viel mit dem Zusammensetzen einzelner Fragmente und mit spekulieren zu tun. Was Guttmann immer wieder betont. «In vielen Themenbereichen gibt es noch immer grosse Fragezeichen.»
Was ja auch Sinn macht, arbeitet Guttmann doch in einem Forschungsbereich, in dem der Name Programm ist.
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figtree5
gGeheimdienstforscherin dass ich nicht lache, meint sie die Geheimdienste lassen sich erforschen ? ich hatte viele Jahre meines Lebens mit Sicherheit zu tun und was sie da schreibt ist warme Luft für Menschen die keine Ahnung von Geheimdiensten haben für Sie tönt das natürlich alles richtig spannend.
Sonnenliebe
Lachen ist übrigens gesund…
mil1977
Die Hamas, Hisbollah etc. wollen Israel auslöschen, ob es nun Pager explodieren lässt, oder nicht. Wer so oder so mit dem Rücken zur Wand steht wie Israel, sollte dem Angreifer wenigstens eine klare Botschaft schicken.
Und zwar die einzige Botschaft, die auf der Terrorseite durchdringt. Mit gemässigten Kräften kann man trotzdem in Verhandlungen treten. Das signalisiert Stärke, womit man rechnen muss, und keine Schwäche, die man ausnutzen kann.