Frauen-Rentenalter 65 bleibt: Das sind die Reaktionen auf den Entscheid
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Bundesgericht
Schweiz

Frauen-Rentenalter 65 bleibt: Das sind die Reaktionen auf den Entscheid

12.12.2024 14:50 - update 12.12.2024 16:49

Baseljetzt

Das Bundesgericht hat die Beschwerden der Grünen und der SP Frauen gegen die AHV-Abstimmung von 2022 einstimmig abgewiesen. So reagieren die Parteien auf den Entscheid.

SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer hat sich nach der Ablehnung der Beschwerde gegen die AHV-Abstimmung durch das Bundesgericht enttäuscht und zugleich kämpferisch gezeigt. «Wir sind enttäuscht, wir sind traurig, wir sind wütend – zu Recht», sagte sie nach dem Entscheid vor dem Bundesgerichtsgebäude in Lausanne vor zahlreichen Medienschaffenden.

Die Behauptung, dass die AHV kurz vor dem finanziellen Ruin stehe und es keine Alternative zur Erhöhung des Frauenrentenalters gäbe, sei schon während des Abstimmungskampfs falsch gewesen und sie sei es auch heute noch, fuhr sie fort. Und die Behauptung werde auch in Zukunft falsch sein, weil es nie richtig sein könne, dass Frauen für politische Fehleinschätzungen und Fehler bezahlen müssten.

Zugleich zeigte sich die Sozialdemokratin kämpferisch. «Heute sind wir enttäuscht, aber morgen kämpfen wir weiter. Morgen werden wir erfolgreich sein», sagte sie unter dem Jubel der versammelten Sympathisantinnen und Unterstützer.

«Wir haben dieses Jahr gemeinsam mit uns allen eine 13. Rente erkämpft. Wir haben dieses Jahr verhindert, dass die Renten in der zweiten Säule abgebaut werden und wir werden so lange weiterkämpfen, bis Frauen die Rechte und den Respekt erhalten, den sie für ihre Arbeit verdienen. Das bedeutet mehr Respekt und mehr Geld», fügte Meyer hinzu.

Funiciello fordert weitere Schritte zu Gleichstellung

SP-Nationalrätin Tamara Funiciello hat nach der Ablehnung der Beschwerden rasche Fortschritte bei der Gleichstellung der Frauen gefordert. «Heute haben wir verloren, morgen gewinnen wir», sagte Funiciello nach dem Gerichtsentscheid am Donnerstag vor Unterstützerinnen und Symphatisanten in Lausanne.

Mit dem Bundesgerichtsentscheid sei das gleiche Rentenalter für Männer und Frauen Realität, sagte die Sozialdemokratin. Doch jetzt müsse gefälligst der Rest der Gleichstellung folgen. «Dafür reichen wir Vorstösse ein», kündigte die Co-Präsidentin der SP Frauen Schweiz an.

Sie forderte unter anderem eine Anerkennung der Care-Arbeit in der zweiten Säule, eine bessere Versicherung der Teilzeitbeschäftigung, bezahlbare Kinderbetreuung und Lohngleichheit für Männer und Frauen.

«Wir haben genug von leeren Worten und Versprechen, wir warten seit über 40 Jahren, dass die Verfassung fortgesetzt wird», fuhr Funiciello fort. «Wir dulden keinen Aufschub unserer Gleichstellung, Entschuldigungen, Vertröstungen und Erklärungen mehr, wir wollen Fortschritte sehen, und zwar jetzt», sagte die SP-Politikerin an die Adresse des Parlaments und des Bundesrats.

Die Mitte respektiert den Entscheid des Bundesgerichts

Die Mitte respektiert den unabhängigen Entscheid des Bundesgerichts zur Beschwerde gegen die Abstimmung zur AHV von 2022. Der Entscheid stärke das Vertrauen in Demokratie und Institutionen, teilte die Partei auf X mit.

«Gerade angesichts der zunehmenden Polarisierung ist es zentral, dass unsere Institutionen reibungslos funktionieren und respektiert werden, damit sie effizient und unabhängig arbeiten können», schrieb die Mitte. Das sei entscheidend für die Stabilität und den Zusammenhalt der Schweiz.

Die Partei werde sich weiterhin für eine sichere AHV einsetzen, die auf einem soliden finanziellen Fundament stehe, damit die Renten auch für die künftigen Generationen garantiert seien.

Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone «wütend und verbittert»

Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone hat sich «wütend und verbittert» gezeigt über die Ablehnung der Beschwerden durch das Bundesgericht. Es sei ein Fehler festgestellt worden, doch sei dieser einfach banalisiert worden. Der Grund dafür sei, dass er die Frauen betreffe, monierte die Beschwerdeführerin und Genfer Politikerin.

«Man kann nicht einen Fehler banalisieren, der Konsequenzen für Tausende Frauen hat», sagte die frühere National- und Ständerätin. Frauen erhielten noch immer ein Drittel weniger Geld in der Rente und hätten ein grösseres Armutsrisiko. «Wir akzeptieren nicht mehr, dass es einfach nicht so wichtig ist, wenn es um Frauen geht», fuhr Mazzone fort.

Zudem forderte die Grünen-Präsidentin eine Entschädigung für die Übergangsgeneration. Dabei handelt es sich um jene Frauen, die in den nächsten Jahren pensioniert werden und als erste von der Erhöhung des Rentenalters betroffen sind. Auch müssten Frauen endlich für die Kinderbetreuung bezahlt werden. Weiter verlangte Mazzone eine bessere Vertretung von Frauen in der Justiz.

Arbeitgeberverband: Annullierung hätte Fragen aufgeworfen

Der Schweizerische Arbeitgeberverband hat die einstimmige Abweisung der Beschwerden begrüsst. Eine Annullierung hätte unverhältnismässigen Aufwand bedeutet und zahlreiche Fragen zum weiteren Vorgehen aufgeworfen, hiess es in einer Mitteilung.

Die wichtigen Massnahmen zur Stabilisierung der AHV blieben damit bestehen, teilte der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) am Donnerstag weiter mit. Weiter sei es im Sinne der Gleichberechtigung und der Lebenserwartung fair, wenn Frauen und Männer dasselbe offizielle Referenzalter haben.

Zudem bleibe der Verwaltung und auch der Bevölkerung «viel Aufwand und Ärger erspart». Mit einer Annullierung der Abstimmung wäre laut dem SAV unter anderem die gesetzliche Grundlage für die Mehrwertsteuererhöhung, die seit 1. Januar 2024 gilt, obsolet worden. Was mit den dadurch bereits generierten Mehreinnahmen geschehen wäre, sei unklar.

Für die Arbeitgeber sei zudem klar, dass wegen des nach wie vor hohen finanziellen Drucks auf die AHV-Finanzen weitere strukturelle Massnahmen ergriffen werden müssten. Man erwarte vom Bundesrat eine tragfähige Lösung im Rahmen der AHV-Reform 2026, welche eine realistische Erhöhung des Referenzalters gemäss Lebenserwartung vorsieht.

FDP-Silberschmidt: Handlungsbedarf bei AHV

FDP-Vize-Präsident und Nationalrat, Andri Silberschmidt, nimmt den Entscheid des Bundesgerichts zur Beschwerde gegen die AHV-Abstimmung zur Kenntnis. Das Ergebnis der Abstimmung sei nicht nur aufgrund der Zahlen, sondern wegen des Bedürfnisses nach Gleichstellung zustande gekommen.

Der Handlungsbedarf bei der AHV sei nach wie vor enorm, sagte der Zürcher auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es gehe darum, die AHV für die nächsten Generationen sicherzustellen.

Nachholbedarf habe auch der Bundesrat. Es bedarf Leadership vom Bundesrat, damit die Gesamtreform der AHV in Angriff genommen werde, hiess es weiter. Der 30-Jährige erwartet so rasch wie möglich konkrete Vorschläge für die Reform.

Bundesrat nimmt Urteil des Bundesgerichts zur Kenntnis

Der Bundesrat nimmt den Urteilsentscheid des Bundesgerichts zur Kenntnis. Er warte die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung ab und werde die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen, hiess es in einer Medienmitteilung.

Die Korrektheit der Daten im gesetzgeberischen Prozess sei zentral für die Meinungs- und Entscheidfindung von Bundesrat, Parlament, Bevölkerung und politischen Akteuren, schrieb die Landesregierung weiter.

Zur Verbesserung und Sicherstellung verlässlicher Entscheidgrundlagen hat der Bundesrat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) angefragt, ein Mandat zur einmaligen Überprüfung der Qualitätssicherung der Daten, Prognosemodelle und Methodik bei Entscheidgrundlagen anzunehmen.

Zusätzlich sollen die Erkenntnisse aus dem Urteil des Bundesgerichts in die Überlegungen des Bundesrates zur Qualitätssicherung von Entscheidgrundlagen einfliessen, wie es weiter hiess. (sda/jwe)

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12.12.2024 14:53

Sonnenliebe

Das ist ein schlechter Entscheid für die Frauen!

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