Das zweite Leben nach der Profi-Karriere
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Das zweite Leben nach der Profi-Karriere

29.11.2023 18:30 - update 30.11.2023 08:16
Tim Meyer

Tim Meyer

Der ehemalige FCB-Spieler Gaetano Giallanza blickt im Gespräch auf seine Karriere zurück, erzählt von seinem Job als Berater und den Herausforderungen, die dieser mit sich bringt.

In den 90er-Jahren wurde Gaetano Giallanza Schweizer Meister mit Servette Genf und Cupsieger mit dem FC Sion. Der in Dornach geborene Aescher mit italienischen Wurzeln spielte bei vielen Schweizer Clubs (FCB, Servette, Sion, Lugano, Aarau, Young Boys) und hatte auch einige Stationen in Frankreich und England (FC Nantes, Bolton Wanderers, Norwich City, Darlington FC). Nach seiner Karriere absolvierte er die Trainer-Ausbildung und ist heute als Berater in seiner eigenen Agentur tätig.

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Baseljetzt: Gaetano Giallanza, wie hat Ihnen Karli Odermatt am Anfang Ihrer Karriere geholfen?

Gaetano Giallanza: Als ich 1992/93 beim FCB in der Nationalliga B war, hat mich Karli Odermatt beobachtet und mich gefragt, wie die Situation ist. Ich habe wenig bis fast gar nicht gespielt und gerade die Handelsschule abgeschlossen. Also fragte mich Karli, ob ich nicht in der Nationalliga A beim FC Servette spielen möchte. Ich war offen dafür, weil ich frustriert war, dass ich beim FCB nicht spielen konnte. So habe ich das Abenteuer nach Genf gewagt und voll auf die Karte Fussball gesetzt, auch, weil ich gerade meinen Abschluss in der Tasche hatte.

Sie haben als Spieler fast jedes Jahr den Klub gewechselt, weshalb?

Nach aussen sieht es aus, als wäre ich ein Wandervogel. Diese Entscheidungen waren aber nicht freiwillig, sondern immer situationsabhängig. Wenn ich nicht spielen konnte, musste ich einen Schritt zurück machen, um wieder Spielpraxis zu bekommen. Wenn ich aber als Stürmer voll eingeschlagen habe, kamen Angebote von besseren Mannschaften, die ich nutzen wollte. Es gab immer Gründe für die Wechsel und ich hörte stets auf mein Bauchgefühl.

Wie hat sich der Schweizer Fussball in den letzten 20-30 Jahren entwickelt?

Die Entwicklung ist sehr positiv, vor allem in der Jugendarbeit. Heute gibt es viele junge Spieler, die sich im Ausland durchsetzen. Als ich Spieler war, gab es das nur selten. Die Jungen trainieren heute schon früh anders: Mit Tests werden die Trainings individuell auf die Spieler konzipiert und die Ernährung ist viel strikter heute. Viele Spieler kommen meistens aus der eigenen Jugend und haben von der U15 bis zur U21 alles durchgemacht. Wenn du mit 15-16 Jahren nicht in einem Super League- oder mindestens Challenge League-Verein spielts, hast du heutzutage keine Chance mehr. Früher spielte man mit 18-19 Jahren noch Erstliga und schaffte es trotzdem noch Profi zu werden. Ebenso sind heute im Nachwuchs- und Jugendbereich alle Trainer Profis, früher war das nicht so. Nicht zuletzt auch, weil die Anforderungen physisch, technisch und taktisch stark gestiegen sind.

Nach der Spieler-Karriere haben Sie die Ausbildung zum Trainer absolviert, wie kann man sich diese Ausbildung vorstellen?

Es gibt verschiedene Diplome: C, B, A und Uefa Pro. Es gibt immer Prüfungen, für die du dich anmelden musst. Am Anfang sind es Kurse, die man eine Woche lang von morgens bis abends führt, theoretisch, wie auch praktisch auf dem Platz. Bis zum B-Diplom geht die Ausbildung gut und ab dem A-Diplom wird es schwierig. Dann muss man eine Mannschaft mit einem gewissen Niveau haben und schon 1-2 Jahre trainieren, um das Diplom zu absolvieren. In der Schweiz ist dies schwierig, da man einen Verein braucht, der dahinter steht und unterstützt. Ich hatte diese Möglichkeit leider nicht und habe nach Abschluss des B-Diploms geschaut, was ich sonst noch machen kann – so kam ich ins Scouting.

Was sind Ihre genauen Aufgaben als Berater?

Karriereplanung und ganzheitliche Betreuung des Fussballerlebens. Dazu gibt ganz viele kleine Sachen, die erledigt werden müssen. Von Versicherungen bis hin zu finanziellen Angelegenheiten, der Wohnungssuche oder dem Autokauf. Bei einem Wechsel ins Ausland kommt auch die ganze Bürokratie und vieles mehr auf mich zu.  Es ist ein umfangreicher Job.

Sie betreuen Spieler in der Karriereplanung, was ist dabei die grösste Herausforderung?

Die Spieler und Familie ruhig zu halten und geduldig bleiben. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Jungs eine Ausbildung machen nach der Schule. Viele machen eine Büroassistenten-Lehre, da diese mit zwei Jahren Dauer kurz und bündig ist. Es ist schwierig, da die Spieler immer früher eingesetzt werden und mit 18-19 Jahren fokussiert sind auf den Fussball und nicht mehr auf die Ausbildung, aber es ist wichtig als Ausgleich. Nur Fussball kann einen jungen Spieler kaputt machen. Es ist hart, Training, Arbeit und Schule zu balancieren, während gleichaltrige ihre Freizeit in Clubs oder im Ausgang verbringen. Es ist nicht ohne, wenn du nach oben willst. Du musst mehr machen als andere. Deshalb sehe ich die Karriere in Etappen: 1. Abschluss (Ausbildung Schule) 2. Profi werden zu wollen 3. sich als Profi etablieren 4. ins Ausland wechseln. Das ist meine Philosophie als Berater.

Was muss man mitbringen, um Profi zu werden?

Der mentale Druck ist enorm. In jedem Spiel als Profi hast du Druck. Von aussen: der Trainer, die Gegenspieler, die Fans, aber der grösste Druck kommt von innen: den, den man sich selbst macht. Gerade die jungen Spieler haben extrem hohe Erwartungen an sich. Die Jungs können alle überdurchschnittlich gut Fussball spielen aber dann geht es darum, sich durchzusetzten und auch auf dem Level zu bleiben. Das ist extrem hart. Für mich ist es eine Charakterfrage. Die Persönlichkeit des Spielers und das Umfeld sind dabei sehr entscheidend.

Spieler werden oft ausgenützt, wie können Sie sich davon abgrenzen?

Wenn der Spieler nicht weiterkommt, ist der Berater immer die erste Anlaufstelle. Natürlich gibt es Berater, die einen schlechten Ruf haben. Man muss aber immer beide Seiten anschauen und sich fragen, was genau passiert oder falsch gelaufen ist. Gerade bei Top-Talenten ist oft das Problem, dass 10-15 Berater diesen Spieler wollen und es einen grossen Konkurrenzkampf gibt. Es ist nicht einfach für die Eltern zu entscheiden, wer der Richtige ist. In diesem Geschäft wird viel versprochen, aber nicht eingehalten. Deshalb ist es wichtig, ehrlich und offen zu sein. Transparenz, offene Kommunikation und eine klare Linie sind das A und O zwischen Spieler und Berater.

Was sind die Gefahren in diesem Business?

Es gibt falsche Entscheidungen, die man trifft, zum Teil auch gesteuert von einem Berater. Zum Beispiel, wenn du den falschen Klub auswählst für den Spieler. Es ist ein schwieriges Geschäft, da viel abgeworben wird unter Beratern. Es gibt solche, die alles tun, um einen Spieler zu halten oder zu erwerben. Wenn man sich nicht auskennt mit dieser Materie, muss man aufpassen. Es ist ein wenig wie in einem Haifisch-Becken.

Wenn die Giallanza Sport GmbH David Degen betreuen würde, was würde sie ihm in der aktuellen Situation raten?

(Lacht) Das ist natürlich schwierig zu sagen, da er kein Spieler mehr ist. Wichtig wäre jetzt, dass wieder Ruhe in den Verein kommt. Der Trainerwechsel war jetzt einmal der erste Schritt. Es braucht jetzt positive Resultate, damit man wieder eine Linie und Konstanz reinbekommt. Was jetzt im Sommer abgelaufen ist, muss analysiert werden und die falschen Entscheidungen sollten sich nicht wiederholen. Auf der anderen Seite des Fussballfeldes zu stehen, ist ein ganz anderes Pflaster als auf dem Fussballfeld. Im Hintergrund die Fäden zu ziehen zwischen Team, Unternehmen, Finanzen, Business und den persönlichen Zielen ist ein hartes Stück Arbeit. Ich beneide ihn nicht darum.

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