Deutscher (65) muss nach Raser-Fahrt durchs Kleinbasel hinter Gitter
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Strafgericht
Basel-Stadt

Deutscher (65) muss nach Raser-Fahrt durchs Kleinbasel hinter Gitter

05.09.2024 16:47 - update 08.09.2024 12:28
David Frische

David Frische

Im Februar dieses Jahres lieferte sich ein Mann im Kleinbasel eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei. Sieben Monate später stand er vor Gericht. Dieses hat den 65-Jährigen am Donnerstag zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

«Es ist das Schlimmste, was ich je getan habe.» Mit diesen Worten beschreibt L.K.* seine Chaos-Fahrt durchs Kleinbasel. Am Abend des 16. Februars 2024 bat ihn die Polizei, sein Auto anzuhalten. Er hatte in der Dämmerung das Licht seines Honda Jazz nicht eingeschaltet. Was folgte, waren weitaus schlimmere Vergehen. L.K. ergriff mit seinem Auto die Flucht. Mit der Polizei im Nacken, donnerte er durchs Kleinbasel, brach zahlreiche Verkehrsregeln. Vier Menschen konnten sich nur selbst retten, indem sie zur Seite sprangen als der heute 65-Jährige mit seinem Wagen angebraust kam.

Rund fünf Minuten und einige Strassenkreuzungen später wurde L.K. im Horburgtunnel von der Polizei gefasst. Die Gefahr war gebannt.

Die filmreife Verfolgungsjagd kannst du im Detail hier nachlesen:

«Ich hatte Angst», sagt L.K. am Donnerstag, knapp sieben Monate nach dem Höllenritt, vor dem Basler Strafgericht aus. Dort muss er sich wegen der Vergehen verantworten. Er sei damals, am 16. Februar, bei einem Freund gewesen und sie hätten zusammen Alkohol getrunken. Danach habe er nach Hause nach Frankreich fahren wollen. «Dann kam die Polizei – und ich bin geflohen vor Angst.»

Angeklagter ist vorbestraft

Der Alkohol war nicht das einzige Problem. L.K. besass keinen gültigen Fahrausweis. Dieser war ihm Jahre zuvor bei einer Polizeikontrolle im Baselbiet auf unbestimmte Zeit entzogen worden. Und sein Auto war nicht haftpflichtversichert. Der 65-jährige Deutsche fuhr trotzdem Auto und wurde mehrfach ohne Billett am Steuer erwischt. Im Januar 2024 war L.K. zuletzt am Grenzübergang Basel-Burgfelderstrasse kontrolliert worden. Zwei Wochen später versuchte er, der Polizei zu entwischen.

«Ich hätte nicht fahren dürfen», sagt der Beschuldigte am Donnerstag am Prozess aus. Er habe im Gefängnis eingesehen, was er damals getan hatte. Seit seiner Festnahme im Horburgtunnel sitzt L.K. in Haft. In Fussfesseln und in Begleitung zweier Polizisten betritt er am Donnerstagmorgen den Gerichtssaal. «Ich bereue es unheimlich.»

«Ich habe mich aufs Fahren konzentriert»

Das Gericht glaubt ihm. Das Dreiergremium um Strafgerichtspräsident René Ernst nimmt die Entschuldigungen und die Reue des Angeklagten zur Kenntnis. Es hätte aber gerne ein paar Antworten mehr zum Vorgefallenen. Weshalb ignorierte L.K. auch die weiteren Halte-Aufforderungen der Polizei? Weshalb riskierte er einen schweren Unfall mit möglichen Todesopfern? Weshalb fuhr er überhaupt, obwohl er weder einen gültigen Fahrausweis noch eine Haftpflichtversicherung für das Auto hatte?

L.K. antwortet auf die Fragen nicht konkret. Er wiederholt immer wieder, dass er Angst hatte und einfach losgefahren sei. Dass die Polizei ihm gefolgt sei und dass Passanten zur Seite springen mussten, habe er «nicht mehr gross mitbekommen». Der Mann schildert einen panischen Zustand. «Ich habe mich aufs Fahren konzentriert.» Dass er keinen gültigen Führerausweis besass, wusste er angeblich nicht. Er habe keinerlei Verfügung zugestellt bekommen. Die anderen Vorwürfe bestreitet L.K. nicht.

Richter: «Dümmer gehts nimmer»

Pflichtverteidigerin Désirée Stutz hat nicht viel Spielraum. Zu erdrückend ist die Beweislast gegen ihren Mandanten. Sie kann dem Gericht aber glaubhaft vermitteln, dass L.K. von seinem Führerausweisentzug lange nichts wusste. «Wenn der Zustellnachweis fehlt, fehlt der Beweis, dass eine Verfügung zum Fahrausweisentzug vorliegt», schliesst Richter René Ernst. Und mahnt die verantwortliche Behörde mit den Worten: «Dümmer geht’s nimmer».

Das Gericht spricht L.K. deshalb teilweise frei, wenn es um den Vorwurf des mehrfachen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis geht. Bei der Kontrolle am 31. Januar 2024 hatte der Beschuldigte möglicherweise noch keine Kenntnis vom fehlenden Billett gehabt. Spätestens dann sei er aber im Bild gewesen und fuhr zwei Wochen später also bewusst unerlaubt Auto.

Staatsanwalt: «Er nahm Todesopfer in Kauf»

So bleibt am Ende der Verhandlung dem Gericht nichts anderes übrig, als den Angeklagten für seine Chaos-Fahrt schuldig zu sprechen. Das Gericht folgt damit weitgehend den Schilderungen von Staatsanwalt Roman Barth, der L.K. «völlige Ignoranz» vorwirft. Der Beschuldigte «liess sich in keiner Weise beirren». «Er nahm Todesopfer in Kauf» und dass nichts Schlimmeres passierte, «ist lediglich dem Zufall zu verdanken».

Das Gericht spricht L.K. unter anderem wegen mehrfacher Hinderung einer Amtshandlung (Halte-Aufforderung durch die Polizei), der groben Verletzung von Verkehrsregeln, des Fahrens in fahrunfähigem Zustand und ohne gültigen Führerausweis sowie ohne Haftpflichtversicherung und des mehrfachen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall schuldig. Da er mehrfach massiv zu schnell fuhr, wird der Angeklagte gemäss der Raser-Strafnorm verurteilt.

Schon bald wieder in Freiheit

Für L.K. bedeutet das eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon spricht das Gericht zwölf Monate als bedingt aus. Da L.K. sieben Monate bereits verbüsst hat, bleiben noch deren fünf übrig. Im Februar 2025 dürfte er also wieder auf freiem Fuss sein. Dazu kommen eine Geldstrafe von 200 Franken und eine Busse von 800 Franken.

Der reuige Raser beteuert vor Gericht unter Tränen, nie wieder Auto fahren zu wollen. Auch dem Alkohol schwört er ab. «Ich bin unheimlich froh, dass nicht mehr passiert ist.»

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Parteien können innert zehn Tagen dagegen Berufung einlegen.

*Name der Redaktion bekannt

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