Frauenfussball-Leiter: «Mir ist bewusst, dass der Zeitpunkt kritisiert wird»
Florian Vögeli
Nach nur zwei Spieltagen ist Schluss. Der FC Basel entlässt Kim Kulig, die Trainerin des Frauenteams. Baseljetzt spricht exklusiv mit Fabian Sanginés, dem Leiter Frauenfussball beim FCB, über die Gründe, den Zeitpunkt und die Nachfolge.
Das ganze Interview mit Fabian Sanginés findest du im Video oben.
Baseljetzt: Fabian Sanginés, im Juni hast du dein Amt als Leiter Frauenfussball beim FC Basel angetreten. Warum hat der FCB die Zusammenarbeit mit Kim Kulig nicht schon dann beendet?
Fabian Sanginés: In der letzten Saison war ich noch nicht da. Wenn man neu zu einem Club kommt, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man wechselt radikal alles und bringt neue Leute mit, oder man geht den anderen Weg. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Ich wollte allen eine faire Chance geben und mir alles anschauen. Was gut läuft und was weniger.
Wie war dein erster Eindruck von Kulig?
Wir hatten bereits bevor ich in Basel war ein erstes Telefongespräch, als ich noch auf den Cayman Islands war. Danach war ich der Meinung, dass wir, wenn wir über Fussball sprechen, grundsätzlich vom Gleichen reden. Das hat sich in den letzten drei Monaten geändert, seit wir angefangen haben, zusammenzuarbeiten und uns regelmässig auszutauschen. Nun bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir nicht mehr in die gleiche Richtung gehen. Auch glaube ich nicht mehr, dass die Teamentwicklung so verläuft, wie ich es mir vorstelle.
Wurde sie deshalb so früh in der Saison entlassen?
Wenn ich jetzt schon nicht mehr daran glaube, bringt es nichts, bis zur nächsten Länderspielpause oder bis zum Winter abzuwarten. Das wäre unfair. Kim, dem Team und dem Projekt gegenüber.
In welchen Bereichen hattet ihr unterschiedliche Auffassungen?
Einerseits wirklich in der Gesamtvision. Dabei hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass wir von unterschiedlichen Dingen sprechen. Ich wollte wirklich, dass es funktioniert, und ich habe auch von ihr gespürt, dass sie es ebenfalls will. Bei gewissen Dingen war es wohl sie, die nicht wirklich daran geglaubt hat. Dann wirkte sie nicht mehr authentisch. Das kann die Trainingsmethodik betreffen, bei der ich teils nicht das Gefühl hatte, dass das Team danach besser spielen sollte.
Hattest du also nie Zweifel an dieser Entscheidung?
Wenn ich mir sicher bin, ist es sehr schwierig, dass sich etwas daran ändert. Wenn ich noch einen Weg oder ein paar Prozentpunkte gesehen hätte, hätte ich es sehr gerne mit ihr weiter versucht. Mir ist natürlich auch bewusst, dass der Zeitpunkt kritisiert wird. Wenn wir die Trainerposition gewechselt hätten, bevor ich hierhergekommen bin, wäre es am einfachsten gewesen. Dann hätte ich die Person dahinter noch nicht gekannt. Wir hätten auch bis zur nächsten Länderspielpause oder bis zum Winter warten können. Wenn ich jedoch den Glauben verloren habe, ist alles andere als eine sofortige Entlassung nicht sinnvoll. Mir ist bewusst, wie es aussieht und dass wir dafür kritisiert werden.
Der FCB ist nicht optimal in die Saison gestartet. Zuletzt gab es die 0:2-Niederlage gegen Rapperswil-Jona. Hat das irgendeinen Einfluss auf die Entlassung gehabt?
Nein, ich habe die Entscheidung einen Tag vor der Niederlage gegen Rapperswil getroffen. Ich kann nachvollziehen, dass nun gesagt wird, die Entlassung sei die Konsequenz aus der Niederlage. Das ist jedoch nicht korrekt. Natürlich ist man nach einer Niederlage immer frustriert. Für mich war es dann gleich doppelt mühsam, weil ich genau wusste, dass diese Niederlage mit der Entlassung in Verbindung gebracht werden würde. Dadurch geht der wahre Grund ein bisschen verloren. Die Entscheidung war bereits vor dem Spiel gefallen. Aber die Leistung in diesem Spiel war dann trotzdem eine Art Bestätigung.
Kulig hatte eine schwierige Vorbereitung zu stemmen. Aufgrund der gleichzeitig stattfindenden Frauen-EM fiel sie verkürzt aus. Spielerinnen kamen erst später dazu und es gab viele Veränderungen im Kader.
Was die Kadersituation angeht, sehe ich das ein bisschen anders. Natürlich sind sechs Spielerinnen gegangen, die in der letzten Saison hin und wieder gespielt haben. Wir haben auch fünf neue Spielerinnen geholt. Wenn man sich aber die Vergangenheit des FCB oder auch anderer Teams anschaut, dann gab es dort schon viel mehr Wechsel.
Kulig war bereits seit zwei Jahren bei uns und hatte viele Spielerinnen zur Verfügung, die schon letzte Saison bei uns gespielt haben. Im ersten Spiel gegen Aarau und im zweiten gegen Rapperswil haben wir jeweils nur mit einer neuen Spielerin in der Startelf gespielt. Deshalb sehe ich das anders. Ich finde, dass die Entlassung nicht nach zwei Spielen, sondern nach etwas mehr als zwei Saisons kam. Es war keine Kurzschlussentscheidung.
Wenn die Entscheidung bereits gereift ist, warum steht die Nachfolge dann noch nicht fest?
Das hängt wahrscheinlich vom eigenen Wertesystem ab. Natürlich hätte ich direkt hinter ihrem Rücken nach Trainerinnen und Trainern suchen können. Wir hätten auch abwarten können, bis ich jemanden gefunden hätte. Aber damit wären wir wieder beim gleichen Punkt wie vorher. Ich persönlich hätte es nicht fair gefunden, die Entlassung hinauszuzögern. Deshalb haben wir jetzt eine Interimslösung und wir sind mit Hochdruck dabei, eine Nachfolge zu präsentieren, hinter der wir voll und ganz stehen können.
Wie weit ist man da und wie sieht das Profil der Trainerin bzw. des Trainers aus?
Wir sind mitten drin. Mit unserem Kader, den Strukturen und der Organisation gehört der FCB für mich weit oben in die Women’s Super League. Wir müssen ein Spitzenteam sein. Das heisst, unsere neue Trainerin oder unser neuer Trainer muss mit diesem Druck umgehen können. Natürlich ist es auch extrem wichtig, die Spielerinnen weiterzuentwickeln. Die jungen Spielerinnen müssen auf das nächste Level gebracht werden. Aber generell soll sich die gesamte Mannschaft weiterentwickeln.
Bei den Männern gibt es eine Sportkommission, in der mehrere Leute sitzen. Wie sieht die Organisation bei den Frauen rund um deine Person aus?
Ich habe meine Vertrauensleute. Ich habe auch ein Team, das ein bisschen gewachsen ist, sowie weitere Leute im Club, mit denen ich immer sprechen kann. Letztendlich muss ich aber die Entscheidungen treffen. In der Anfangsphase der Vorbereitung habe ich entschieden, dass ich gerne mit Kim in die Saison gehen möchte. Jetzt liegt es auch an mir, die endgültige Entscheidung zu treffen.
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spalen
trotz dem interview mit sanginés kann ich die entscheidung nicht nachvollziehen. ich glaube, kulig wäre immernoch eine gute wahl! schade
Hoschi
Sie wissen nicht alles, Sonnenliebe kennt Leute persönlich, die direkt involviert sind. Da sieht das Ganze anders aus, denke ich. Von aussen sieht es so aus, dass es nicht richtig ist. Doch dem ist so!
Hoschi
Sonnenliebe hat einen interessanten Kommentar zu Thema Kulig geschrieben, ist lesenswert!