Gaming als Hobby: Suchtgefahr oder Chance?
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Podiumsdiskussion
Basel-Stadt

Gaming als Hobby: Suchtgefahr oder Chance?

22.03.2025 09:04 - update 22.03.2025 17:12
Michael Kempf

Michael Kempf

Welchen Nutzen hat Gaming für die Gesellschaft und welche Gefahren verbergen sich hinter dem beliebten Hobby? Eine Veranstaltung in der Manabar hat zu einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema eingeladen.

«Gefahren und Nutzen von Gaming» lautete der Titel der Podiumsdiskussion, die am vergangenen Donnerstag in der Manabar im Gundeli stattfand. Unter den geladenen Podiumsgästen kristallisierten sich gleich zu Beginn zwei Lager heraus. So standen auf der einen Seite der Chefarzt der UPK Basel, Martin Meyer, die Schulleiterin der Primarschule Rittergasse, Aline Morgenthaler, die Gaming eher als Sucht und Problem kennen, sei es in der Suchttherapie an der UPK oder in der Reizüberflutung innerhalb des Schulalltags. Auf der anderen Seite die Gamedesignerin Alice Ruppert und der Streamer Andi Schwab (AndiGameTV), die das Thema Gaming auch als Chance oder aus wirtschaftlicher Sicht sehen.

Oberarzt Martin Meyer, der sich in seiner Therapie mit Menschen beschäftigt, die an einer Spielsucht leiden, stellte gleich zu Beginn klar, wann von einer Spielsucht gesprochen werden kann. So wirke sich das Spielen dann negativ aus, wenn alles andere wegfalle oder vernachlässigt werde. Wenn der Betroffene also zum Beispiel alle anderen Aktivitäten wie Sport oder auch den sozialen Kontakt zu Freunden zugunsten des Spielens aufgibt und sich immer mehr zurückzieht. Der Chefarzt ist aber auch erstaunt, welche Fähigkeiten die Betroffenen in der Spielwelt an den Tag legen, obwohl sie in der realen Welt wieder völlig überfordert sind.

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Martin Meyer klärt über Spielsucht auf. Bild: Baseljetzt

Diese Beobachtung teilt auch die Schulleiterin Aline Morgenthaler. Gerade jüngere Kinder müssten den Umgang und die Erfahrungen in der realen Welt erst lernen. Sie beobachte aber, dass ihnen das oft fehle und sie immer mehr und auch viel früher mit der digitalen Welt und damit auch mit Gaming in Berührung kämen und dadurch den Bezug zur realen Welt verlören. Hier müssten auch die Eltern stärker in die Verantwortung genommen werden, die aber, so Morgenthaler, oft selbst mit der rasanten Digitalisierung überfordert seien und nicht mehr genau wüssten, was ihre Kinder da machen.

Gaming als Hobby: Suchtgefahr oder Chance?
Schulleiterin Aline Morgenthaler erzählt von ihren Erfahrungen mit den Primarschüler:innen. Bild: Baseljetzt

Streamer Andi Schwab, selbst Vater eines fünfjährigen Jungen, geht auf die Aussage Morgenthalers ein und erwähnt, dass die Begleitung durch die Eltern sehr wichtig sei. So dürfe sein Sohn nie alleine spielen oder fernsehen. So können er und seine Partnerin (die beide selbst gamen) sofort reagieren, wenn der Sohn mit einer Aktion im Game überfordert ist oder nicht versteht, was gerade passiert. Es folgt ein gemeinsames Gespräch mit dem Sohn über das gerade Erlebte. «Wenn du selbst spielst und die Materie verstehst, bist du dir auch der Gefahren bewusster», sagt Andi Schwab.

«Bei Jugendlichen fehlt diese begleitende Kontrolle», antwortet Martin Meyer. Sie wollen beim Spielen nicht ständig von ihren Eltern begleitet werden, das merke er auch in der Therapie mit seinen Patienten. Eltern würden sich auch oft nur darüber beschweren, dass ihre Jugendlichen zu viel spielen. Sie sollten mehr darauf eingehen, wie sie spielen oder was sie spielen, entgegnet die Gamedesignerin Alice Ruppert. Das setze aber voraus, dass Eltern sich mit Spielen auskennen, meint Martin Meyer. Und oft fehle den Eltern auch die Zeit, sich mit dem Hobby ihrer Kinder auseinanderzusetzen.

Gaming in den Schulunterricht einbauen

Moderator Reto Canova lenkt die Diskussion nun auf ein anderes Thema: Gaming im Schulunterricht. Aline Morgenthaler räumt ein, dass Schulen offener für das Thema Gaming werden sollten. Sie wünscht sich dazu aber mehr Input von Fachleuten, Lehrpersonen seien dafür nicht ausgebildet. Reto Canova gibt diesen Wunsch gleich an die anwesende Gamedesignerin weiter. «Es gibt bereits Gamedesigner, die im Auftrag von Schulen Lernspiele entwickeln», antwortet Alice Ruppert. So wurden bereits Spiele zum Thema gesunde Ernährung oder zum richtigen Umgang mit Geld entwickelt.

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Alice Ruppert bestätigt, dass in der Schweiz auch Lerngames für Schulen entwickelt werden. Bild: Baseljetzt

In einigen Punkten sind sich die vier Podiumsgäste einig. Eltern müssen sich mehr für das Hobby Gaming ihrer Kinder interessieren. Ohne Begleitung bestehe die Gefahr, dass Kinder viel schneller in die Spielsucht abrutschen, wenn sie keinen gesunden Umgang damit lernen. Alle vier sehen bei diesem Thema aber auch die gesamten Tech-Unternehmen und Game-Publisher in der Pflicht, die mit Methoden wie Free-to-Play-Games, Lootboxen, die für echtes Geld erworben werden können, oder auch Algorithmen eine Spiel- oder auch Mediensucht begünstigen.

Aufklärungsarbeit zum Thema Gaming

Die Podiumsdiskussion wurde vom Verein VAISk organisiert. Sie ist Teil der Veranstaltungsreihe «Contactful Gaming», die der Verein in den kommenden Monaten durchführt. So sind neben Gamedesignkursen für Jugendliche auch Informationsabende für Eltern geplant, um ihnen das Thema rund um Gaming und Digitalisierung näherzubringen.

Wer ist der Verein VAISk?

Der Verein für Aufklärung über Internet und Spielkultur (VAISk) versteht sich als sozialer Verein, der gezielt auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft eingeht. Aus diesem Grund nimmt der VAISk auch Aktivmitglieder/-innen auf und plant gemeinsame spielkulturelle Anlässe. Als zentraler Ort für die Planung steht die «ManaBar» zur Verfügung – eine öffentlich zugängliche Bar, die im Sinne des Vereinsinteresses betrieben und vom VAISk unterstützt wird.

«Ziel ist es, Eltern eine Möglichkeit zu bieten, sich mit dem Thema Gaming und Digitalisierung auseinanderzusetzen, damit sie ihre Kinder in diesem Bereich besser erziehen können», erklärt Organisator Tobias Zischler gegenüber Baseljetzt.

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Tobias Zischler überwacht den Livestream während der Podiumsdiskussion. Bild: Baseljetzt

Eltern fehlen im Publikum

An der Podiumsdiskussion nahmen rund 20 Personen teil. Was fehlte, waren Eltern und Lehrer, also diejenigen, an die sich das Angebot in erster Linie richtet. «Es ist immer schwierig, die Eltern zu erreichen», sagt Zischler. «Die Eltern haben mit ihren Kindern schon genug zu tun. Und wollen dann vielleicht abends nicht noch irgendwo hingehen, um sich über die Themen ihrer Kinder zu informieren.» Dennoch ist Tobias Zischler zuversichtlich. «Wir versuchen, die Eltern auch über die Schule zu erreichen, indem wir beispielsweise Flyer vor Ort auslegen.»

Für Tobias Zischler ist auch klar, dass die Veranstaltungsreihe noch bekannter werden muss. Der Verein plant, auch in den kommenden Jahren solche Präventions- und Informationsveranstaltungen durchzuführen, um Eltern, aber auch Lehrkräften und allen Interessierten ein niederschwelliges Angebot zum Thema Gaming-Prävention zu bieten.

Am 8. Mai findet der nächste Elterninformationsabend in der Manabar statt. Ob dann auch die Eltern kommen, die sich um ihre spielenden Kinder kümmern sollten, wird sich zeigen. Denn solche Präventionsveranstaltungen können nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie auch die richtigen Personen erreichen.

Den gesamten Stream der Podiumsdiskussion findest du hier.

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23.03.2025 06:18

Thomy

Einen Mittelweg finden mit Grenzen und Abmachungen

1 0
22.03.2025 09:38

spalen

schwieriges thema

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