Gasvergiftung nach Heizungswartung: «Bin überzeugt, der Deckel war zu»
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Strafgericht
Baselland

Gasvergiftung nach Heizungswartung: «Bin überzeugt, der Deckel war zu»

23.10.2025 17:34

Baseljetzt

Einem Kaminfeger wird fahrlässige Tötung durch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung im Baselbiet vorgeworfen. Der Fall ist am Donnerstag vor dem Strafgericht verhandelt worden. Der Angeklagte bestreitet ein Fehlverhalten.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ein 55-jähriger Kaminfeger steht vor Gericht, weil er bei der Wartung einer Heizungsanlage unsorgfältig gearbeitet haben soll – dabei kam 2021 eine Frau durch Kohlenmonoxid ums Leben, ein Ehepaar wurde schwer verletzt
  • Die Staatsanwaltschaft fordert neun Monate bedingte Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Tötung und mehrfacher fahrlässiger schwerer Körperverletzung
  • Der Angeklagte bestreitet, den Deckel der Abgasanlage offengelassen zu haben. Die Verteidigung verlangt Freispruch

Vor rund vier Jahren kam es in einer Gemeinde im Baselbiet in einem Mehrfamilienhaus zu einem tödlichen Unglück. Eine Frau starb an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. Ein Ehepaar wurde durch das Gas schwer verletzt. Ein Kaminfeger soll bei der Wartung der Heizungsanlage nicht ordnungsgemäss gearbeitet haben, wie der Anklageschrift der Baselbieter Staatsanwaltschaft zu entnehmen ist. Der heute 55-jährige Kaminfeger ist wegen fahrlässiger Tötung und mehrfacher fahrlässiger schwerer Körperverletzung angeklagt:

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, bei der Wartung einer erdgasbetriebenen Heizungsanlage im Dezember 2021 unsorgfältig gearbeitet und die Abgasanlage nicht korrekt verschlossen zu haben. Dadurch sei Kohlenmonoxid über einen Installationsschacht in zwei Wohnungen gelangt. Eine Frau ist dabei ums Leben gekommen und ein Ehepaar ist schwer verletzt worden und leide auch heute noch unter den Folgen der Kohlenmonoxid-Vergiftung. Das Ehepaar habe deshalb auch nicht an der Verhandlung teilnehmen können.

Die Staatsanwaltschaft fordert deshalb neun Monate Freiheitsstrafe für den Beschuldigten. Diese könne bedingt ausgesprochen werden.

«Für mich war es ein normaler Arbeitstag»

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. Er sagte vor Gericht, dass seine ersten Gedanken am Morgen jeweils immer an diesen Vorfall vom Dezember 2021 zurückgehen. «Es hängt mir an», antwortete der Kaminfeger auf die Frage, wie es ihm psychisch damit gehe. Der Angeklagte wirkte vor Gericht ruhig.

Der Beschuldigte betonte bei der Befragung vor Gericht: «Ich bin überzeugt, der Deckel war zu.» Er gehe dieser Tätigkeit schon jahrelang nach und der Deckel sei bei ihm immer zu. Auch auf Nachfrage des Gerichtspräsidenten sagte der 55-Jährige, dass er ausschliessen könne, vergessen zu haben, den Deckel der Abgasleitung zu schliessen. Er habe wie gewohnt eine Schlusskontrolle durchgeführt. Wenn die Abgasleitung nicht richtig verschlossen sei, komme Dampf heraus. «Man sieht das», so der Angeklagte. Eine Schlussmessung sei an jenem Tag nicht möglich gewesen, da das Messgerät defekt war. Es bestehe jedoch auch keine Pflicht, solch eine Messung vorzunehmen, erklärte der Kaminfeger.

Beim schriftlichen Schlussrapport sei aufgefallen, dass bei der «Schlusskontrolle» kein Haken gesetzt worden sei, sagte der Gerichtspräsident zum Angeklagten. «Ich weiss nicht mehr, warum ich das nicht angekreuzt habe.» Bereits in den Jahren zuvor habe der 55-Jährige die Heizung in dem Gebäude gewartet und bei diesen Rapporten sei die «Schlusskontrolle» angekreuzt gewesen. «Muss man daraus schliessen, dass sie es nicht gemacht haben?», fragt der Gerichtspräsident. «Doch, doch, doch», erwiderte der Angeklagte.

Er habe nicht unter Zeitdruck gestanden an jenem Tag, auch privat sei er zu dieser Zeit nicht belastet gewesen. «Für mich war es ein normaler Arbeitstag – wie gewohnt», so der Angeklagte. Nach der Wartung habe er den Heizungsraum verlassen. Die Türe sei anschliessend nicht gleich verschlossen worden.

Der Deckel sei von Bewohnern des Mehrfamilienhauses an einer Stelle gefunden worden, wo es nach der Meinung des Angeklagten keinen Sinn ergebe. Er sei sich sicher, ihn nicht dort hingelegt zu haben.

Verteidigung fordert Freispruch

Laut eines Gutachtens der Basellandschaftlichen Gebäudeversicherung hätte es gar erst nicht zu diesem Unglück kommen sollen. Der Schacht, welcher vom Heizungskeller hinauf führt, entspreche nicht den baulichen Sicherheitsanforderungen.

Unklar ist, ob jemand nach seinem Service im Heizungsraum war, bevor er von der zuständigen Person wieder verschlossen wurde. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist aber klar, dass der Angeklagte schlicht vergessen habe, die Abgasanlage wieder zu verschliessen. Dass der Deckel einfach abgefallen ist, sei ausgeschlossen. Es gebe auch keine Drittperson, die Interesse daran gehabt habe, den Deckel abzunehmen.

Die Privatklägerschaft fordert 20’000 und 10’000 Franken Genugtuung für das Ehepaar sowie 50’000 Franken Genugtuung für den Sohn der verstorbenen Frau.

Die Verteidigung fordert einen Freispruch für ihren Mandanten. Das Urteil wird am 30. Oktober eröffnet. Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

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