Hassnachrichten an SP-Kabakci: «Rassismus ist wieder salonfähig geworden»
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Hassnachrichten an SP-Kabakci: «Rassismus ist wieder salonfähig geworden»

15.12.2025 17:45 - update 15.12.2025 17:51
David Frische

David Frische

Mahir Kabakci brachte günstigere Einbürgerungen für Ausländer:innen in Basel-Stadt auf den Weg. Infolgedessen ist der SP-Politiker aufs Übelste rassistisch beleidigt worden. Kabakci geht mit den Hassnachrichten an die Öffentlichkeit und will diese aufrütteln.

Das Wichtigste in Kürze

  • SP-Grossrat Mahir Kabakci setzte sich erfolgreich für deutlich tiefere Einbürgerungsgebühren in Basel-Stadt ein, insbesondere für unter 25-Jährige und sozial benachteiligte Migrant:innen
  • Nach der medialen Berichterstattung erhielt Kabakci massive rassistische Hassnachrichten und -kommentare in den sozialen Medien sowie ein Hakenkreuz am Briefkasten
  • Kabakci geht bewusst an die Öffentlichkeit, um auf das Problem aufmerksam zu machen, erfährt breite Solidarität und betont, dass ein Rückzug aus der Politik für ihn keine Option ist

Rassismus, schwarz auf weiss. Es gibt ihn, auch in Basel. Und Mahir Kabakci hat ihn in den vergangenen Tagen mit voller Härte zu spüren bekommen. In Form von Hassnachrichten und -kommentaren in den Sozialen Medien. Kabakci hat Wurzeln in der Türkei, er ist in Basel geboren und aufgewachsen. Der heute 30-Jährige ist Grossrat der SP, gestaltet die Politik in der Stadt aktiv mit. Und er wird von Mitbürger:innen im Netz aufs Übelste beschimpft und beleidigt.

«Es ist verletzend als Mensch. Aber auch als Bürger in diesem Land, in diesem Kanton, in dieser Stadt, in der ich eigentlich geboren und aufgewachsen bin … Wenn deine Identität hinterfragt und deine Existenzberechtigung infrage gestellt wird», erzählt Kabakci mit schwerer, zittriger Stimme am Telefon.

Politik senkt Einbürgerungsgebühren

Die Vorgeschichte: Kabakci setzte sich im Grossen Rat dafür ein, dass sich Ausländer:innen künftig günstiger einbürgern lassen können. Eigentlich hatte Kabakci in seinem Vorstoss lediglich gefordert, dass Personen unter 25 Jahren keine Einbürgerungsgebühren mehr bezahlen müssen. Doch die zuständige Justiz- und Sicherheitskommission des Grossen Rates weitete die Forderung aus. Und der Grosse Rat nahm die Änderungen am vergangenen Mittwoch mit 78:13 Stimmen bei einer Enthaltung deutlich an.

Neu zahlen Ausländer:innen unter 25 Jahren sowie sozial benachteiligte Migrant:innen noch maximal 100 Franken für die Einbürgerung. Alle übrigen Ausländer:innen kostet die Einbürgerung in Basel noch 900 Franken statt wie bisher 1750 Franken. In Riehen sind es künftig noch 1800 Franken (statt bisher 2650) und in Bettingen 1500 Franken (statt bisher 2350). In Kraft treten die Änderungen voraussichtlich im kommenden Jahr.

«Schweigen schützt nicht»

Kabakcis Medienpräsenz rund um das Thema Einbürgerungen löste in den Sozialen Medien Hasskommentare mit rassistischem Inhalt aus. Kabakci erhielt auch direkt Hassnachrichten zugeschickt. Das macht dem SP-Politiker sehr zu schaffen. Und er entschied sich, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. «Das zu teilen, fällt mir nicht leicht. Aber ich weiss: Ich bin damit nicht allein», schreibt er am Sonntag in einem Instagram-Post. «Ich teile das nicht aus Selbstmitleid, sondern weil Schweigen nicht schützt. Sichtbarkeit schon.»

«Es beschäftigt mich mehr, als ich zugeben wollte»

Tags darauf spricht Baseljetzt mit Kabakci am Telefon. Der 30-Jährige ist spürbar angefasst. «Ich versuchte eigentlich, dem Ganzen nicht so viel Raum zu geben. Aber ich habe gemerkt, dass es mich mehr beschäftigt, als ich vielleicht zugeben wollte», so Kabakci. Er erlebe Rassismus nicht zum ersten Mal. Beschimpfungen gebe es eigentlich immer, wenn medial über ihn berichtet wird. Doch dieses Mal habe es ihn der Menge und Deutlichkeit eine andere Dimension angenommen. Personen hätten einen Artikel über ihn auf so üble Art und Weise kommentiert, dass das Medium diverse Kommentare habe löschen müssen. «Der Rassismus ist wieder salonfähig geworden», sagt Kabakci.

Und die Fremdenfeindlichkeit hat in seiner Wahrnehmung in den letzten Jahren deutlich zugenommen. «Die Hemmschwelle ist inzwischen tiefer.» Kabakci führt dies auch auf die politischen Entwicklungen in Europa zurück, in der rechtspopulistische Parteien zunehmend an Bedeutung gewinnen. «Das spiegelt sich dann darin, dass Menschen wie ich – aber auch viele andere, die diese Sichtbarkeit nicht haben – dies tagtäglich zu spüren kriegen.»

Der SP-Politiker kriegte den Hass nicht nur in den Sozialen Medien zu spüren. Auf seinen Briefkasten wurde in diesen Tagen ein Hakenkreuz eingeritzt.

Hassnachrichten an SP-Kabakci: «Rassismus ist wieder salonfähig geworden»
So fand Mahir Kabakci vor einigen Tagen seinen Briefkasten vor. Bild: Mahir Kabakci

«Es macht etwas mit einem. Es verletzt. Es verunsichert. Und es hinterlässt Spuren – nicht nur im Kopf, sondern auch in der Seele», so Kabakci in seinem Post. Er will die Öffentlichkeit damit wachrütteln. «Rassismus ist kein Randphänomen. Er ist laut, sichtbar und verletzt.»

Was Kabakci seinen Hatern sagt

Ob er gegen die Urheber:innen der Hasskommentare und -nachrichten auch rechtliche Schritte einleitet, lässt er noch offen. Auf jeden Fall hat er eine Botschaft für sie: «Sie sollen ihr Herz öffnen und keine Berührungsängste haben. Nicht alles, was man nicht kennt, ist böse. Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu suchen und da eine Lösung zu finden, anstatt sich auf das zu konzentrieren, was einen trennt».

Für seinen Schritt an die Öffentlichkeit erhält Kabakci viel Zuspruch. Der Instagram-Post wurde hundertfach geliked. Er habe viele Nachrichten von politischen Kolleg:innen aus verschiedensten Parteien und aus dem Regierungsrat erhalten, die sich mit ihm solidarisieren, so Kabakci.

Rückzug aus der Politik kein Thema

Von den Hassbotschaften will sich der 30-Jährige nicht unterkriegen lassen, ein Ende seiner politischen Tätigkeit kommt für ihn nicht infrage. «Dann würde ich genau das tun, was die rechte Gesinnung erreichen will.» Rassismus sei ein strukturelles Problem, dass man über Strukturen bekämpfen müsse. Das wolle er mit seiner politischen Arbeit erreichen. «Ich werde mich weiterhin auf mein Amt konzentrieren, um gute Lösungen und Kompromisse zu finden.»

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Kommentare

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15.12.2025 21:28

snape

Es ist verrückt was Hinz und Kunz sich getraut öffentlich zu schreiben. Ich denke da sollte es ganz stark wieder Restriktionen geben. Es gab früher schon Unbelehrbare, die beleidigende Anonyme Briefe verschickt haben, aber heute kann wirklich jeder seinen niedersten Gefühlen und Gedanken freien Lauf geben ohne irgendwelche Konsequenzen. Die Opfer hingegen müssen damit fertig werden. Kranke Welt!

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15.12.2025 19:26

Yoggi

Wo seht ihr da ein Hakenkreuz? So wie das aussieht, wurde das von einer Person gemacht, die keine Ahnung hat wie das aussehen sollte.

0 3
15.12.2025 21:29

snape

Ich seh es, aber ja, noch zu dumm um es richtig zu machen…

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