Hohes Rückfallrisiko: Mörder von Georg Conzett wird verwahrt
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Strafgericht
Basel-Stadt

Hohes Rückfallrisiko: Mörder von Georg Conzett wird verwahrt

23.08.2024 08:11 - update 24.08.2024 10:17
Lea Meister

Lea Meister

Der 28-Jährige, der im Dezember 2017 den Obdachlosen Georg Conzett umgebracht hat, stand am Freitagmorgen erneut vor Gericht. Das Rückfallrisiko sei hoch und eine Verwahrung die einzige Möglichkeit, sind sich die Vollzugsbehörden sicher.

Nach dem Tötungsdelikt auf der Dreirosenanlage im Winter 2017 wurde der damals 22-Jährige aufgrund seiner psychischen Verfassung für schuldunfähig erklärt und erhielt eine Massnahme nach Art. 59, also eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung. Nach fünf Jahren wurde diese verlängert, im vergangenen Herbst dann aber abgebrochen. Ein Therapieerfolg war weder ersichtlich noch absehbar.

Die Vollzugsbehörden stellten deshalb einen Antrag auf Verwahrung, über den das Strafgericht Basel-Stadt am Freitag beraten musste. Das Gericht kam diesem nach und sprach eine Verwahrung nach Artikel 64 im Strafgesetzbuch aus.

Der 28-Jährige, der durch seine medikamentöse Behandlung ruhiggestellt wirkte, nahm das Urteil relativ teilnahmslos entgegen und hörte sich geduldig an, wie die Dolmetscherin die Urteilsbegründung für ihn übersetzte.

Hauptvoraussetzungen für Verwahrung gegeben

Gerichtspräsident Roland Strauss betonte in der Urteilsbegründung, dass die drei Hauptvoraussetzungen für eine Verwahrung gegeben seien: Der Brasilianer hat mit dem Mord an Georg Conzett eine schwerwiegende Tat begangen und leidet zudem unter einer anhaltenden psychischen Störung von erheblicher Schwere, einer paranoiden Schizophrenie.

Eine Krankheit, die beim 28-Jährigen in einer speziell schweren Form vorliege. Zudem liegt als Nebendiagnose auch noch eine Cannabisabhängigkeit vor, die im Zusammenhang mit dem Mord ebenfalls eine Rolle gespielt habe.

Welche Formen der Verwahrung gibt es?

Die Verwahrung ist im Artikel 64 im Strafgesetzbuch geregelt. Ein Gericht ordnet dann eine Verwahrung für einen straffälligen Menschen an, wenn er eine Tat begangen hat, die mit einer Höchststrafe von mindestens fünf Jahren belegt ist. Darunter fallen etwa Mord, Geiselnahme oder Vergewaltigung. Zudem muss ein hohes Risiko bestehen, dass der Täter oder die Täterin rückfällig wird. Ebenso Bedingung ist, dass das oder die Opfer in der psychischen, sexuellen oder körperlichen Integrität verletzt wurde oder der Täter das beabsichtigte.

Die ordentliche Verwahrung wird dann ausgesprochen, wenn bei einem Täter eine Persönlichkeitsstörung oder eine psychische Störung diagnostiziert wurde. Eine frühzeitige Entlassung aus der Verwahrung ist möglich, wenn der Täter die Gutachter davon überzeugen kann, dass er sich in Freiheit bewähren wird und keine Rückfallgefahr besteht. Die erste Beurteilung erfolgt nach zwei bis fünf Jahren in Verwahrung. Verwahrungstrakte gibt es in der Schweiz nicht – Verwahrte werden individuell, je nach Herkunft, Weltanschauung und Tat, untergebracht.

Etwas anders ist das bei einer kleinen Verwahrung: Die stationäre Massnahme wird von einem Gericht auf Grundlage des Artikels 59 des Strafgesetzbuches angeordnet. Während die ordentliche Verwahrung erst nach der abgesessenen Strafe folgt, wird die kleine Verwahrung oft zusammen mit einer Haftstrafe verhängt. Der Freiheitsentzug – der höchstens fünf Jahre betragen darf – wird in solchen Fällen aufgeschoben, um die therapeutische Massnahme möglichst bald starten zu können. Wenn keine Fluchtgefahr besteht, werden die angeordneten Therapiemassnahmen oft in offenen Einrichtungen durchgeführt. Die kleine Verwahrung bedingt, dass die Täter therapierbar sind und die Rückfallgefahr sehr klein ist.

Wenn ein Täter als «nicht therapierbar» diagnostiziert wird und somit eine lebenslange Verwahrung ausgesprochen wird, gibt es nur eine Möglichkeit, die Massnahme zu verkürzen: Bei neuen, wissenschaftlichen Erkenntnissen, die beweisen können, dass der Täter doch therapierbar ist, kann ein neues Gutachten beantragt werden. Wird eine lebenslange Verwahrung aufgehoben, haftet die zuständige Behörde im Falle eines Rückfalls.

(Die Informationen stammen aus diesem Artikel zum Thema Verwahrung.)

Die dritte Voraussetzung für eine Verwahrung sei, dass ein Zusammenhang zwischen der schweren psychischen Krankheit und der Straftat vorliegen müsse. In diesem Fall stehe dies ausser Zweifel, so Strauss. Der 28-Jährige habe Georg Conzett getötet, als er sich in einem religiösen Wahnzustand befand und den Obdachlosen bekehren wollte. Da ihm dies nicht gelungen sei, habe Gott ihm als Strafe aufgelegt, den Mann töten zu müssen. «Das entsprach in keiner Weise der Wirklichkeit», so Strauss.

Frage nach dem Rückfallrisiko

In solchen Fällen steht die Frage nach dem Rückfallrisiko im Zentrum. «Das Gericht erachtet dieses Risiko als sehr hoch», begründete Strauss den Entscheid. Der 28-Jährige befinde sich aktuell in einem labilen Gesundheitszustand, der sich gemäss der Gutachterin auch kurzfristig verändern könne. 

Der junge Mann habe sehr eingeschränkte Fähigkeiten, wenn es darum geht, sich mit den Gründen für seine Tat auseinanderzusetzen. Es komme nach wie vor ab und an vor, dass ein Grössenwahn auftauche und er sich beispielsweise als Messias fühle. Er habe manchmal auch noch immer Phantasien, die sich auf Gewaltanwendung beziehen.

Er sehe zwar schon ganz grundsätzlich ein, dass er krank sei. «Aber Sie erkennen nicht, wie schwerwiegend die Krankheit ist und, dass das eine Krankheit ist, die man nach dem heutigen Stand der Medizin nicht heilen kann», so Strauss. Weil diese Krankheit so schwer ist, er das aber nur beschränkt erkennen könne, komme es auch immer wieder zu Selbstüberschätzung. 

«Sie stellen sich vor, dass Sie in Brasilien Theologie oder Internationale Beziehungen studieren könnten», folge man aber dem Gutachten, sei er nicht einmal in der Lage, auch nur die grundsätzliche tägliche Lebenshaltung zu führen. «Sie sind aktuell weit weg davon, dass man mit Ihnen Strategien erarbeiten könnte, wie Sie Anzeichen von psychotischem Erleben erkennen und dagegen etwas unternehmen könnten.» Zudem sei die Dosierung seiner starken Medikamente derart hoch, dass auch in diesem Bereich kein Spielraum mehr bestehe.

Wird die stationäre Massnahme weitergeführt?

Eine Weiterführung der stationären Massnahme hält das Gericht im Fall des 28-Jährigen für sinnlos, denn diese müsste Erfolg versprechen, was hier nicht gegeben sei. «Das Risiko muss durch die Behandlung gesenkt werden können, nicht alleine dadurch, dass Sie in einer Klinik eingesperrt sind.»

Nach über fünf Jahren intensiver Behandlung habe sich zwar eine gewisse Verbesserung in seinen Symptomen eingestellt, diese sei aber unzureichend, «zu wenig», so Strauss. «Das liegt nicht an Ihnen, das haben alle Gutachter und Ärzte so erkannt.» Der 28-Jährige sei motiviert, sich behandeln zu lassen, er mache, was er könne. Die Krankheit sei aber so schwerwiegend, dass das nicht ausreiche.

Schlechte Prognose

Es sei auch aus der Sicht des Gerichts «ausgesprochen schmerzhaft», feststellen zu müssen, dass ein derart junger Mensch so krank sein kann, dass eine Behandlung zu keinem Erfolg mehr führt, sagte Strauss. Man könne leider nicht erwarten, dass sich die Prognose bei ihm verbessern würde. Das öffentliche Interesse daran, dass verhindert werde, dass er weitere Gewaltstraftaten begehe, sei sehr gross. 

«Ihr privates Interesse ist vor allem eine Perspektive auf eine bedingte Entlassung in einigen Jahren. Weil aber die Gefahr, dass Sie in Freiheit schwere Delikte begehen können, so hoch ist, überwiegt das öffentliche Interesse ganz eindeutig.» Deshalb gebe es in seinem Fall aktuell kein «milderes Mittel» als die Verwahrung.

Verantwortung der Vollzugsbehörden

Die Behörden werden jetzt regelmässig überprüfen müssen, ob beim 28-Jährigen eine bedingte Entlassung in Frage kommen könnte. Strauss relativierte aber schnell: Es gehe bei ihm eher um eine Umwandlung der Verwahrung in eine erneute stationäre Massnahme als um eine bedingte Entlassung.

Strauss selbst habe schon einmal einen Fall gehabt, in welchem eine Verwahrung in eine stationäre Massnahme umgewandelt worden sei. Diese Möglichkeit gebe es schon, auch wenn die Verwahrung als Massnahme zeitlich unbeschränkt sei. «Es bleibt mir, Ihnen alles Gute zu wünschen», schloss Strauss die Urteilsbegründung ab.

Sicherheitshaft und mögliches Berufungsverfahren

Im Hinblick auf ein allfälliges Berufungsverfahren hat das Gericht für 12 Wochen Sicherheitshaft angeordnet. Diese wird der 28-Jährige weiterhin in der Psychiatrie absitzen können und nicht im Gefängnis. Wenn die Verwahrung rechtskräftig ist, wird diese dann voraussichtlich ebenfalls in der Psychiatrie durchgeführt, also dort, wo sich der Brasilianer seit dem Mord an Georg Conzett befindet.

Verteidiger Nicolas Roulet hat nun zehn Tage Zeit, um Berufung anzumelden. Wie er nach dem Prozesstag gegenüber den Medien sagte, wird er dies wohl auch tun.

Den Prozesstag kannst du hier im Detail nachlesen:

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