
«Hohe Rückfallgefahr»: Verwahrung für Täter von der Dreirosenanlage beantragt
Lea Meister
Im Dezember 2017 schockierte ein Tötungsdelikt die Anwohnerinnen und Anwohner rund um die Dreirosenanlage. Ein 60-Jähriger wurde mit einem Messer getötet. Das Gericht entscheidet am Freitag, ob der Täter verwahrt wird.
Es war ein Tag kurz vor Weihnachten 2017, der das Quartier rund um die Dreirosenanlage in Schockstarre versetzte. Der in der Gegend bekannte Georg Conzett, der in seinem Schlafsack auf der Dreirosenanlage zuhause war, wurde getötet. Zuvor hatte der 60-Jährige immer wieder Besuch von einem 22-Jährigen bekommen, den er von früher kannte.
Immer wieder hatte dieser erfolglos versucht, Conzett religiös zu bekehren. An diesem Abend wurde der 60-Jährige Opfer eines Verbrechens, das laut zahlreichen Gutachten aus einer paranoiden Schizophrenie und einem religiösen Wahn heraus geschah. Der 22-Jährige tötete ihn mit einem Messer.
Die Anwohner:innen verabschiedeten sich damals bei einer emotionalen Mahnwache vom obdachlosen 60-Jährigen, der im Quartier bekannt war und dort seinen Schlafplatz hatte, wo heute auf der Dreirosenanlage ein Spielplatz steht. Conzett war ein Weltenbummler, der bis zu seinem Tod Adressen und Namen aus der ganzen Welt bei sich trug. Ein ausführliches Porträt findest du hier.
Stationäre Massnahme aussichtslos
Mitte 2018 erklärte das Strafgericht Basel-Stadt den 22-Jährigen, der ab dem Zeitpunkt der Tat in Haft sass, für schuldunfähig und ordnete eine stationäre Massnahme nach Artikel 59 im Strafgesetzbuch für ihn an. Mehrere Gutachten diagnostizierten ihm eine paranoide Schizophrenie. Zudem hatte er über Jahre hinweg Cannabis konsumiert.

Am Freitag beschäftigt sich das Strafgericht erneut mit dem heute 28-Jährigen, denn das Basler Amt für Justizvollzug stellte im vergangenen Oktober den Antrag auf Verwahrung. Dies, weil die stationäre therapeutische Massnahme aussichtslos sei. Sie wurde per 10. November 2023 aufgehoben.
Tatbestandsvoraussetzungen des Mordes erfüllt
Als Folge der Aufhebung der Massnahme steht nun die Frage im Raum: Wie geht es mit dem 28-Jährigen weiter? Eine Verwahrung ist gemäss Artikel 64 im Strafgesetzbuch dann anzuordnen, wenn der Täter einen Mord oder eine andere Tat begangen hat, die eine Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren mit sich bringt, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt oder dies beabsichtigt hat. Zudem muss aufgrund der Lebensumstände ernsthaft zu erwarten sein, dass der Täter weitere Delikte dieser Art begeht.
Welche Formen der Verwahrung gibt es?
Die Verwahrung ist im Artikel 64 im Strafgesetzbuch geregelt. Ein Gericht ordnet dann eine Verwahrung für einen straffälligen Menschen an, wenn er eine Tat begangen hat, die mit einer Höchststrafe von mindestens fünf Jahren belegt ist. Darunter fallen etwa Mord, Geiselnahme oder Vergewaltigung. Zudem muss ein hohes Risiko bestehen, dass der Täter oder die Täterin rückfällig wird. Ebenso Bedingung ist, dass das oder die Opfer in der psychischen, sexuellen oder körperlichen Integrität verletzt wurde oder der Täter das beabsichtigte.
Die ordentliche Verwahrung wird dann ausgesprochen, wenn bei einem Täter eine Persönlichkeitsstörung oder eine psychische Störung diagnostiziert wurde. Eine frühzeitige Entlassung aus der Verwahrung ist möglich, wenn der Täter die Gutachter davon überzeugen kann, dass er sich in Freiheit bewähren wird und keine Rückfallgefahr besteht. Die erste Beurteilung erfolgt nach zwei bis fünf Jahren in Verwahrung. Verwahrungstrakte gibt es in der Schweiz nicht – Verwahrte werden individuell, je nach Herkunft, Weltanschauung und Tat, untergebracht.
Etwas anders ist das bei einer kleinen Verwahrung: Die stationäre Massnahme wird von einem Gericht auf Grundlage des Artikels 59 des Strafgesetzbuches angeordnet. Während die ordentliche Verwahrung erst nach der abgesessenen Strafe folgt, wird die kleine Verwahrung oft zusammen mit einer Haftstrafe verhängt. Der Freiheitsentzug – der höchstens fünf Jahre betragen darf – wird in solchen Fällen aufgeschoben, um die therapeutische Massnahme möglichst bald starten zu können. Wenn keine Fluchtgefahr besteht, werden die angeordneten Therapiemassnahmen oft in offenen Einrichtungen durchgeführt. Die kleine Verwahrung bedingt, dass die Täter therapierbar sind und die Rückfallgefahr sehr klein ist.
Wenn ein Täter als «nicht therapierbar» diagnostiziert wird und somit eine lebenslange Verwahrung ausgesprochen wird, gibt es nur eine Möglichkeit, die Massnahme zu verkürzen: Bei neuen, wissenschaftlichen Erkenntnissen, die beweisen können, dass der Täter doch therapierbar ist, kann ein neues Gutachten beantragt werden. Wird eine lebenslange Verwahrung aufgehoben, haftet die zuständige Behörde im Falle eines Rückfalls.
(Die Informationen stammen aus diesem Artikel zum Thema Verwahrung.)
Für die Vollzugsbehörde ist klar: Der 28-Jährige hat 2017 – trotz Freispruchs wegen Schuldunfähigkeit – sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des Mordes erfüllt. Die Schuldunfähigkeit sei in diesem Fall kein Hindernis für die Anordnung einer Verwahrung. Ein aktuelles forensisch-psychiatrisches Gutachten zeige unbestreitbar auf, dass der Mann an einer «anhaltenden psychischen Störung von erheblicher Schwere» leide, mit der das Tötungsdelikt in direktem Zusammenhang stand.
Religiöser Wahn
Trotz intensiver Therapie werde der 28-Jährige auch in Zukunft «deutlich beeinträchtigt» bleiben. Er äussere zudem auch heute noch immer wieder den Wunsch, sich einer christlichen Gemeinde anzuschliessen, beziehungsweise zu missionieren. Ohne externe Kontrolle sei es sehr wahrscheinlich, dass er sich «wieder intensiv mit religiösen (Wahn-)Inhalten beschäftigen würde».
Wäre dies der Fall, müsse mit einem «deutlich erhöhten Risiko für aggressives Verhalten und auch mit schweren Opferschäden» gerechnet werden. Die UPK Basel hielten in ihrem Therapieverlaufsbericht vom März 2023 zudem fest, dass der 28-Jährige «langfristig auf eine sehr enge psychiatrisch-psychologische und milieutherapeutische Begleitung» angewiesen sei – in einem geschlossenen Setting.
Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit überwiegt
Zusammengefasst heisst das: Die Legalprognose des 28-Jährigen bei einer Entlassung wäre laut den Gutachten «sehr ungünstig». Die hohe Rückfallgefahr für schwere Gewaltstraftaten liesse sich nur dann «adäquat beherrschen», wenn das Setting geschlossen, die Behandlung intensiv und die Begleitung sehr eng sei. Auch nach über viereinhalb Jahren in intensiver forensisch-psychiatrischer Behandlung seien keine substanziellen Fortschritte hinsichtlich der paranoiden Schizophrenie auszumachen.
Das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit überwiege in diesem Fall die Freiheitsrechte des 28-Jährigen, heisst es im Antrag auf Verwahrung. Die Verwahrung sei die einzige Möglichkeit, den 28-Jährigen von weiteren schweren Gewaltstraftaten abzuhalten.
Das Gericht befindet am Freitag über den Antrag auf Verwahrung. Baseljetzt wird vor Ort sein und berichten.
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