
«Inakzeptabel»: Beide Basel kritisieren ETH-Verkehrsbericht scharf
Baseljetzt
Das am Donnerstag in Bern vorgestellte ETH-Gutachten, auf das sich der Bund beim Verkehrsausbau bis 2045 stützen will, kommt in der Region Basel nicht gut an. Besonders die Einschätzung zum Ausbau des Tiefbahnhofs stösst auf Kritik.
Der Verkehrsbericht von ETH-Professor Ulrich Weidmann wurde am Donnerstag in Bern vorgestellt. Dieser empfiehlt Bundesrat Albert Rösti, das Basler Herzstück erst nach 2024 umzusetzen und sagt, der Rheintunnel sei «zeitlich und inhaltlich dringend.» Wirtschaft, Verbände und Politik in der Region Basel reagieren unterschiedlich auf die Empfehlungen des Gutachtens.
Esther Keller: «Sehr erstaunlich und unverständlich»
Das Basler Bau- und Verkehrsdepartement nimmt die Ergebnisse des ETH-Gutachtens «mit Bedauern zur Kenntnis». Baudirektorin Esther Keller sagt gegenüber Baseljetzt, der Ausbau des Tiefbahnhofs in Basel sei für die Wirtschaftsregion und damit für die ganze Schweiz von grosser Bedeutung. Entsprechend sei es wichtig, dass dieser in den nächsten 20 Jahren realisiert werde. «Sonst droht Basel zu einem noch grösseren Nadelöhr zu werden», so Keller.
In den kommenden Monaten wolle die Regierung die Schlüsse des Gutachtens nun beraten und im Detail prüfen. «Es ist sehr erstaunlich und auch unverständlich, dass man einerseits sagt, der Bahnausbau in Basel sei wichtig, dem Ganzen aber gleichzeitig keine zeitliche Priorität einräumt», so Keller weiter. Beide Basel würden sich gemeinsam mit der Handelskammer beider Basel «auf allen Ebenen» dafür einsetzen, dass die Schiene die nötige Priorität erhält.
Ähnlich äussert sich die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion. Auch für Regierungsrat Isaac Reber ist es «unverständlich», dass der Ausbau des Bahnknotens Basel, insbesondere des Tiefbahnhofs, bis 2045 keine Priorität erhalten soll. «Sowohl das Schienen- als auch das Strassennetz weisen in unserer Region Defizite und Engpässe auf, die uns vom Tor der Schweiz zum Flaschenhals der Schweiz werden lassen», mahnt Reber. «Das betrifft nicht nur unsere Region, sondern das ganze Land.» Der Tiefbahnhof solle deshalb in die Botschaft 2026 aufgenommen werden, um dem steigenden Personen- und Güterverkehr gerecht zu werden.
Für Wirtschaft «nicht akzeptabel»
Die Handelskammer beider Basel stuft derweil die Priorisierung des Rheintunnels als «erfreulich» ein. Dieser bringe der Schweiz entscheidenden Nutzen und entlaste die A2 bei Basel. «Das ist für unsere Wirtschaft sehr wichtig, denn Staustunden kosten Unternehmen viel Geld», heisst es in einer Mitteilung vom Donnerstag. Als «nicht akzeptabel» für den Wirtschaftsstandort bezeichnet die Handelskammer hingegen die Vernachlässigung des Schienenverkehrs. «Wir bekommen mit dieser Beurteilung für den Ausbau der S-Bahn so gut wie keine Perspektive», kritisiert Direktor Martin Dätwyler.
Die beiden Basel und die Handelskammer wollen am Montag über das weitere Vorgehen informieren.
VCS sieht Güterverkehr vernachlässigt
Von der Basler Sektion des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) kam am Donnerstag deutliche Kritik am ETH-Gutachten. Dass der Rheintunnel trotz Volks-Nein weiterhin gebaut werden soll, zeuge von mangelndem Respekt gegenüber den Stimmberechtigten, der Umwelt und den Betroffenen.
Der VCS kritisiert zudem, dass das Herzstück erst nach 2045 realisiert werden soll. Der Fokus auf Eisenbahnprojekte in der Zentralschweiz sei offensichtlich und erkläre, weshalb der wichtige internationale Güterverkehr in Basel vernachlässigt werde. Die Basler Sektion fordert beide Basel deshalb auf, sich klar gegen den Strassenausbau und für den Ausbau der Eisenbahn auszusprechen.
Auch die Grünen Baselland und Basel-Stadt üben scharfe Kritik am Gutachten. Sie bemängeln, dass trotz des Volks-Neins am Rheintunnel festgehalten und der Strassenausbau gegenüber dem öffentlichen Verkehr bevorzugt werde. Das Verschieben des Herzstücks blockiere zudem die dringend nötige Entlastung im Bahnverkehr. Statt milliardenschwerer Strassenprojekte fordern die Grünen Investitionen in den öffentlichen Verkehr sowie in Fuss- und Veloverkehr, um Klimaziele und Lebensqualität in der Region Basel zu sichern.
Auch innerhalb der Basler SP wirft der Bericht Fragen auf. Grossrätin Julia Baumgartner betont die Wichtigkeit des Herzstücks für die Region Basel und die gesamte Verkehrsdrehscheibe Schweiz. «Gerade für die Verlagerung des Güterverkehrs auf den Schienenverkehr ist das Herzstück dringend notwendig^», sagt sie gegenüber Baseljetzt. Dass das Gutachten den in einer Volksabstimmung versenkten Rheintunnel wieder ins Spiel bringe, sei unverständlich. Die SP werde sich «entschieden dagegen wehren».
TCS über Rheintunnel-Einschätzung erfreut
Anderer Meinung ist die TCS-Sektion beider Basel. Sie begrüsst das ETH-Gutachten ausdrücklich, da es den Rheintunnel als zukunftsweisendes Schlüsselprojekt bestätige. «Die wissenschaftliche Einschätzung zeigt, dass der Rheintunnel grosse Entlastung bringen wird», schreibt der TCS in einer Mitteilung vom Donnerstag. Er fordert nun die rasche Umsetzung des Projekts und betont, dass der Rheintunnel im Gegensatz zu restriktiven Massnahmen wie Durchfahrtskontrollen eine nachhaltige Lösung für die Verkehrsprobleme der Region sei.
Wie genau die Empfehlungen des Gutachtens in die konkrete Verkehrsplanung des Bundes einfliessen, ist noch offen. «Die Studie bietet eine sehr gute Grundlage für eine Vernehmlassung», sagte Verkehrsminister Albert Rösti am Donnerstag vor den Medien. Es brauche nun Diskussionen mit den betroffenen Kantonen, die er «ergebnisoffen» führen wolle.
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Nachdenken
Egal, ob Strassen-, Bahn- oder Luftverkehr – die Musik spielt in Zürich.
rothue
BR Rösti, ist der Röstigraben zwischen uns und dem Wallis. Wir in Basel sind ein Nadelöhr der Wirtschaft, im Wallis werden dafür die Strassen ausgebaut, dafür habe ich kein Verständnis. Sicher müssen auch dort gewisse Projekte erneuert werden, aber wir in Basel erleben dies Tag täglich mit Stau, Stau und nochmals Stau. Das freut natürlich unsere Leute der Grünen Seite, aber denkt daran, werden solche Projekte nach hinten verschoben, kostet es den Bürgerinnen und Bürger einfach mehr und dies ohne wenn und aber. Wir sind im BR einfach Rösti statt Macher.