Wölfe dürfen präventiv geschossen werden
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Regulierung
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Wölfe dürfen präventiv geschossen werden

01.11.2023 15:00 - update 01.11.2023 17:15

Baseljetzt

Wölfe dürfen künftig auch abgeschossen werden, bevor sie Schaden angerichtet haben. Der präventive Abschuss ist bereits ab dem 1. Dezember erlaubt. Dies hat der Bundesrat heute beschlossen.

Der Bundesrat hat eine Anpassung der Jagdverordnung gutgeheissen, wie er mitteilte. Neu dürfen die Kantone präventiv Wölfe erlegen, um möglichen Schaden zu verhüten – und nicht erst, nachdem Schäden entstanden sind. Mit dem bisherigen Konzept habe sich die rasante Ausbreitung des Wolfs nicht eindämmen lassen, sagte Reinhard Schnidrig am Mittwoch vor den Medien in Bern. Schnidrig ist Sektionschef Wildtiere im Bundesamt für Umwelt (Bafu).

Die Zahl der Wölfe ist stark gestiegen

Derzeit sind in der Schweiz gemäss Angaben des Bundes 32 Wolfsrudel mit insgesamt rund 300 Wölfen unterwegs. Im Jahr 2020 waren es noch elf Rudel mit gut 100 Wölfen gewesen. In der Folge ist auch die Zahl der gerissenen Nutztiere gestiegen: von 446 im Jahr 2019 auf 1480 im vergangenen Jahr. Vor allem für die Alpwirtschaft mit Schafen und Ziegen ist das ein Problem. Aber die Wölfe reissen auch Kälber, Alpakas und Pferde.

Auch mit dem revidierten Jagdgesetz bleibe der Wolf eine geschützte Art, hält der Bundesrat fest. «Nur in begründeten Fällen» dürften die Kantone ganze Rudel entfernen.

Wolf bleibt geschützt

«Der Wolf bleibt auch mit dem revidierten Jagdgesetz eine geschützte Tierart», sagte Bundesrat Albert Rösti. Nur in begründeten Fällen dürften die Kantone ganze Rudel entfernen. Dies bedeutet, dass die minimale Anzahl Wolfsrudel in einer Region überschritten sein muss. In der Schweiz sind gemäss Jagdverordnung fünf Regionen mit bestimmten Mindestmengen an Rudeln festgelegt.

Ferner dürfen nur kantonale Wildhüter und speziell ausgebildete Fachpersonen in den Kantonen Wölfe abschiessen – nach einer Bewilligung durch das Bafu. «Niemand, kein Bundesrat, und ich schon gar nicht will einfach Wölfe abschiessen», sagte Rösti. Man habe nicht generell etwas gegen Wölfe – nur dann, wenn sie eine Gefahr darstellten.

Wölfe sollen scheuer werden

Die Hoffnung beruht nicht zuletzt darauf, dass die Wölfe durch die strengere Regulierung scheuer werden, dass sie Nutztierherden und menschliche Siedlungsräume meiden. Dadurch sollte weniger Bedarf bestehen, ganze Rudel zu entfernen.

Das heutige Jagdgesetz der Schweiz stammt aus dem Jahr 1986. Damals lebten keine Wölfe im Land, erst 1995 kehrten sie zurück. Im Jahr 2012 bildete sich schliesslich das erste Rudel, und die Wölfe wurden in der Schweiz wieder sesshaft. Wegen der zunehmenden Nutztierrisse hat das Parlament das Gesetz 2019 revidiert. Im Zuge eines Referendums hat die Stimmbevölkerung das Jagdgesetz im September 2020 abgelehnt. Schliesslich hat das Parlament das Gesetz im Dezember 2022 erneut revidiert.

Bundesrat drückt aufs Tempo

Der Bundesrat drückt mit seinem am Mittwoch beschlossenen Vorgehen aufs Tempo. Dies sei dringend notwendig, weil die Wolfsbestände exponentiell wüchsen, sagte Umweltminister Rösti. Der Bundesrat hat deshalb bereits per 1. Dezember den ersten Teil des Jagdgesetzes befristet in Kraft gesetzt und gleichzeitig die Jagdverordnung angepasst. Damit sollen die Kantone schon im Dezember und Januar präventiv Wölfe erlegen können.

Die Regierung schickt die beschlossenen Bestimmungen gemeinsam mit der restlichen Umsetzung des neuen Jagdgesetzes im Frühjahr 2024 in die Vernehmlassung. Das ganze Paket soll dann am 1. Februar 2025 definitiv in Kraft treten.

Gesuche zur Erschiessung ganzer Rudel

Umgehend auf den Entscheid reagiert hat der Kanton Graubünden, wo über 100 Wölfe leben. Der Kanton habe sich schon immer für die proaktive Regulierung von Wölfen eingesetzt», sagte Regierungsrätin Carmelia Maissen (Mitte) vor den Medien in Chur. Ziel des Kantons sei es nun, beim ersten Regulierungsdurchgang den Wolfsbestand zu stabilisieren und dort einzugreifen, wo die grössten Konflikte bestünden.

Das Amt für Jagd und Fischerei prüfe nun, welche Rudel die Kriterien des Bundes für ein Abschussgesuch beim Bundesamt für Umwelt erfüllten, erklärte Arno Puorger, beim Amt zuständig für Grossraubtiere. Welche Rudel man wie stark regulieren wolle, sei daher noch unklar. Klar ist laut Puorger aber jetzt schon: «Wir werden Gesuche für ganze Rudelentnahmen stellen.»

Entgegen jeglicher Logik

Der Bundesrat handle mit der neuen Verordnung wider jegliche Logik, schrieben dagegen die Umweltorganisationen Pro Natura, Gruppe Wolf Schweiz, BirdLife Schweiz und WWF in einer Stellungnahme. Die neue Jagdverordnung zeuge von fehlendem Verständnis für den Artenschutz und das Zusammenspiel von Alpwirtschaft, Wildtieren und Wald.

Die Kantone müssten nun – wie bisher praktiziert – auf der Basis von Fachkompetenz, Ausgewogenheit und Verhältnismässigkeit handeln, fordern die vier Organisationen. Ein verhältnismässiger Umgang mit der «Wolfspräsenz» sei anstrengend und herausfordernd, aber machbar (sda/isr).

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