
Johnny Göhler: Der Mann, der Kleider macht
Jessica Schön
Während Corona erfüllt sich Jonathan aka «Johnny» Göhler einen Traum und gründet ein eigenes Unternehmen. Heute sagt er, dass Kalendersprüche gar nicht so blöd sind – und dass er der geborene Antiverkäufer ist.
Die neue Filiale steht seit nicht ganz zwei Wochen. Zwei Wochen, in denen der «Faade» für Passant:innen nicht mehr nur ein Klingelschild an der St. Albans-Vorstadt ist, sondern ein Atelier mit Schaufenster ein paar Strassen weiter. «Das wirkt», sagt Jonathan Göhler, den die meisten besser als «Johnny» kennen. Die Passant:innen dazu zu bewegen, das Atelier zu betreten, sei trotzdem eine Herausforderung.
Dabei gibt es vor Ort erst mal gar nichts zu kaufen. Erstmal. Denn beim Faade gibt es Herrenanzüge nach Mass. Das heisst, dass sich die Kunden mit Johnny zunächst auf einen Termin treffen. Der Anfangspunkt hinter der Geschichte eines jeden Anzuges ist also meistens derselbe.
Ein Unternehmen gründen
Der Faade ist mit seinen drei Jahren noch relativ jung. In Sachen Modeberatung ist Johnny dagegen so etwas wie ein alter Hase. Seine Ausbildung absolviert er als Detailhandelsfachmann bei Charles Vögele am Barfüsserplatz, bevor er zur Anzugabteilung von PKZ wechselt. Nach einer Zwischenstation bei Schild übernimmt Johnny für ein paar Jahre die Leitung der Bogner-Filiale in der Streitgasse.
Im Sommer 2019 folgt der erste Schritt in die Unabhängigkeit: Johnny versucht sich als Modefotograf zu etablieren. Das klappt nicht ganz. Froh ist Johnny vor dem Hintergrund der gemachten Erfahrungen trotzdem.
Zurück in den Verkauf, diesmal aber nach Mass: «Ich habe Kontakt zu Suiteria aufgenommen, einem anderen kleinen Unternehmen in der Region, das ebenfalls Massbekleidung macht.» Johnny baut das Unternehmen mit auf, macht die Vermessungen. Im Sommer 2021 kündet Johnny und gründet den Faade – und das, inmitten einer globalen Pandemie.
«You dream, du»
«Ich wusste von Anfang an, dass es kein Selbstläufer wird», so Johnny. Beim Massanzug handle es sich um ein Produkt, bei dem nicht nur viel Zeit in den jeweiligen Artikel und in die Markenentwicklung fliesst, sondern auch in die Betreuung der Kunden. Bis er sich selbst einen Lohn auszahlen kann, würde es eine Weile gehen. Um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, übernimmt er parallel zum Aufbau seines Unternehmens Schicht um Schicht in der Gastro.
Warum tut man sich das an? «Ich glaube schon, dass man ein bisschen träumen muss, um solche Schritte zu wagen», so Johnny. Die Realität hole einen sowieso wieder ein, wenn man sich bewusst werde, was es für die Umsetzung alles brauche. Streckenweise sei es darum auch ein Durchhalten.
«Wollen und können sind nicht immer das gleiche», gibt Johnny ausserdem zu bedenken. Man müsse die Voraussetzungen vorfinden, die es bräuchte, um etwas zu realisieren. «Im ganzen Prozess waren wir schlichtweg oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hatten auf unserem Weg viele Menschen, die an uns geglaubt und uns unterstützt haben.»
Heute kann Johnny von seinem Unternehmen leben, wenn auch nicht auf grossem Fuss: «Manche glauben, ich schwimme im Geld, so nach dem Motto: ‘Oh, der verkauft Massanzüge, der lebt ein Luxusleben.’ Aber sagen wir’s mal so: Ich persönlich könnte mir einen solchen Massanzug im Moment nicht leisten.»
Wenn es knorzig wird
Es gibt sie, die Momente, in denen alles zu viel wird: «Ich arbeite mich eigentlich jeden Frühling an diesen Punkt heran. Also bis dorthin, wo ich merke: ‘Scheisse. Du warst noch nie so nahe an einem Zusammenbruch.'» Johnnys Metier erfordert Millimeterarbeit. Passt etwas nicht, liegt die Verantwortung bei ihm.
Wie er das aushält, weiss er manchmal selbst nicht so genau. «Das Gute ist, dass der Tag auch nur 24 Stunden hat.» Die Zeit, in der man sich täglich abrackern könne, sei begrenzt. Wenn ein neuer Tag anfängt, gehe damit ausserdem eine neue Chance einher. Nach einer Nacht drüber schlafen merke man: Es sind nur Kleider.
«Es ist ein Machen, auf die Schnauze fallen, wieder aufstehen und weitermachen», sagt Johnny. Daran merke er, dass die blöden Kühlschrank- oder Kalendersprüche manchmal eben doch stimmten. Man könnte zynisch werden. Johnny ist es nicht. Vielleicht darum.
Der geborene Antiverkäufer
Binsenweisheiten hin oder her: Johnny liebt, was er tut: «Wenn man es schafft, dass jemand mit hundertprozentiger Zufriedenheit aus dem Laden geht, ist das maximal schön.» Sein Konzept «verhebbt». Auch, wenn er von sich behauptet, der «geborene Antiverkäufer» zu sein. Eigentlich versetze er sich einen Tick zu stark in sein Gegenüber.
Der Faade gebe Johnny die Freiheit, genau das zu tun: Jeder Anzug entstehe in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden und nehme daher einen eigenen Verlauf – obwohl sie alle von einem ähnlichen Ausgangspunkt ausgehen.
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Sali2
Absolute Ehremaa