Mein Jahr
Basel-Stadt

Josef Helfenstein: «Es ist unsere Verantwortung, die Geschichte eines Werks zu zeigen»

28.12.2023 06:42

Baseljetzt

Er blickt auf sieben bewegte Jahre als Direktor des Kunstmuseums zurück. Seinen Ruhestand will der Luzerner nun ruhig angehen, doch der Kunstwelt auch etwas zurückgeben.

Baseljetzt: Welche Ausstellung aus Ihrer Zeit als Direktor in Basel ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Josef Helfenstein: Das ist schwer zu sagen. Eine, die sehr stark widerhallt, ist jene von William Kentridge. Das war eine Ausstellung, die sehr erfolgreich war. Im Museum war eine unglaubliche Energie. Für mich ist er einer der ganz grossen lebenden Künstler.

Sie waren nicht nur der Manager des Museums, sondern haben auch viel inhaltlich gearbeitet, den Journalist:innen die Bilder erklärt und selbst Führungen gemacht. War das Ihr Ausgleich zu den Verwaltungs-Aufgaben?

Ja, das stimmt. Ich liebe es und es gehört für mich einfach dazu. Kunst gibt Energie und Ideen, und wenn ich zu weit davon entfernt wäre, könnte ich mir nicht vorstellen, Direktor eines solchen Hauses zu sein.

Als Museumsdirektor haben Sie mit Kurator:innen, dem Publikum, Politiker:innen oder Donator:innen gearbeitet – was hat Ihnen am meisten Spass gemacht?

Es gehört alles zusammen. Denn es geht immer um die gleiche Frage: Wie kann man eine Vision entwickeln, die für ein möglichst breites Publikum funktioniert. Mit dem Kunstmuseum Basel haben wir ein Museum von Weltformat. Deshalb kommunizieren wir sehr international. Aber das Wichtigste sind die Menschen, die ins Museum kommen.

Sie haben in vier Museen geleitet, eines in Bern, zwei in den USA und zuletzt das Kunstmuseum. In Basel war es manchmal turbulent, sei es wegen der Finanzierung oder wegen Provenienzfragen. War Basel die schwierigste Aufgabe?

Nein, die beiden Jobs in Amerika waren für mich eine grosse Überraschung. Ich hatte keinerlei Einführung und habe nie mit meinem Vorgänger gesprochen. Aber, dass man einfach so ins kalte Wasser geworfen wird, das gehört einfach dazu.

Das Kunstmuseum setzte sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinander. Stellvertretend dafür stand die Kurt Glaser-Ausstellung. Wie viele solcher Bilder lagern noch in unseren Museen?

Ich kenne die Antwort nicht, aber es gibt sicher mehrere. Wir haben uns als Gesellschaft in der Schweiz mit einer gewissen Verspätung mit diesem Thema beschäftigt. Es ist aber absolut notwendig. Es geht hier um ethische Fragen, nicht nur um juristische. Und es geht vor allem auch um individuelle Tragödien, die zum Teil unglaublich sind. Wie die Nazis diese Menschen systematisch in den Ruin getrieben haben, in den Selbstmord oder die absolute Zerstörung. Ich glaube, das interessiert die Besucher. Denn ein Werk hat immer eine Geschichte, und als grosses Museum haben wir die Verantwortung, diese zu zeigen.

Das Kunstmuseum erweckt manchmal den Anschein, nur etwas für die Elite zu sein. Dem wollten Sie immer entgegenwirken. Hat das funktioniert?

Da ist noch Luft nach oben. Aber wir haben viel mehr junge Leute, viel mehr Familien und auch Kinder. Dieses Jahr zählen wir über 300’000 Besucher und bereits 130’000 Besucher, die gratis ins Museum gekommen sind. Das ist zwar nicht gut für unsere Finanzen, aber es ist sehr wichtig. Denn wir gehören der ganzen Bevölkerung. Diese Arbeit muss weitergehen.

Sie haben mehrfach gesagt, dass mit Ihrer Amtszeit als Direktor ein Marathon zu Ende geht. Wie sieht Ihr Plan für die Zeit danach aus?

Das weiss ich ehrlich gesagt noch nicht. Ich muss es erst einmal das Tempo etwas herunterfahren. Mein grosser Wunsch ist, dass ich gesund bleibe und in irgendeiner Form nützlich sein kann. Vielleicht durch Projekte oder die Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern, die ich toll finde. Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben, weil ich glaube, dass ich ein sehr privilegiertes Leben habe.

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.