Junge Menschen berichten von Diskriminierung in Bäckereien – was sagt die Branche?
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Diskriminierungs-Vorwürfe
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Junge Menschen berichten von Diskriminierung in Bäckereien – was sagt die Branche?

09.03.2024 17:46 - update 10.03.2024 12:55
Lea Meister

Lea Meister

Am Samstag versammelten sich einige junge Menschen vor einer Baselbieter Bäckerei. Ziel der Aktion: Auf Umstände in der Bäckerei-Ausbildung aufmerksam zu machen, die in der Öffentlichkeit so nicht bekannt sind.

Organisiert wurde die Protest-Aktion von der Basler Lernenden-Bewegung Scorpio. Im Gespräch mit Baseljetzt haben verschiedene junge Menschen von ihren Erfahrungen berichtet.

Junge Menschen berichten von Diskriminierung in Bäckereien – was sagt die Branche?
Mit Fahnen und Transparenten machte die Lernenden-Bewegung Scorpio am Samstag auf Diskriminierung in der Bäckerei-Branche aufmerksam. Bild: zvg

«Ich habe meine Lehre abgebrochen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe», berichtet ein heute 19-Jähriger von seiner Zeit in einer Baselbieter Bäckerei. Nennen wir ihn Benni*. Er sei täglich mit Rassismus und herabwürdigenden Kommentaren konfrontiert gewesen. Die Situation in seinem Lehrbetrieb habe ihm derart zugesetzt, dass er depressiv geworden sei und sich zurückgezogen habe. Was er berichtet, scheinen keine Einzelfälle gewesen zu sein.

Fehlende Kraft für das Privatleben

Eine Kollegin von Benni aus der gemeinsamen Schulzeit in der Ausbildung, Lina*, berichtet von Haarausfall, Gewichtszunahme und Stressessen. Ausgelöst durch rassistische Erlebnisse, die sie bis heute noch triggern. Zudem habe sie oft sechs Tage hintereinander gearbeitet, mehrere Wochen am Stück. Man habe sie «dumm» genannt und ihr gesagt, dass Afrikanerinnen «sowieso nichts können». Auch sie hatte privat keine Kraft und Kapazität mehr für Dinge, die einem eigentlich guttun sollten. «Der Rassismus ist in dieser Branche ganz extrem», ein Problem, welches man nur lösen könne, wenn die entsprechenden Personen entlassen würden.

Lina hat nicht nur Rassismus, sondern auch Sexismus erlebt. So habe sie ein Mitarbeiter einmal in den Hintern gekickt, als sie gerade etwas geputzt habe. Auch den Satz «Frauen können das halt nicht besser», habe sie sich oft anhören müssen.

Von der «Berufung» zur «Hölle»

«Ich liebe es, zu backen, da ich es von klein auf mit meiner Mutter getan habe», erzählt eine dritte junge Person im Gespräch mit Baseljetzt. Tamara* dachte, im Bäckerberuf ihre Berufung gefunden zu haben. «Die Freude wurde aber zur Hölle.» Mobbing sei an der Tagesordnung gewesen, ihr sei täglich eingeredet worden, wie «schlecht und dumm» sie sein. «Ich bin nicht die gleiche Person wie vor meiner Ausbildung», sagt Tamara. Sie habe weniger Freude am Leben und sehe jeden kleinen Fehler, den sie begehe und lasse sich innerlich davon kaputtmachen.

Es sind happige Vorwürfe, die von den jungen Menschen an die Bäckerei- und Konditorei-Branche gerichtet werden. Eine Nachfrage beim Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verband SBC zeigt, dass das Bewusstsein für Diskriminierungsthemen da ist. «Wir haben im Intranet für unsere Mitglieder Massnahmen zum Thema zwischenmenschliche Spannungen, Mobbing und sexuelle Belästigung aufgeführt», sagt Vizedirektorin Claudia Vernocchi auf Anfrage von Baseljetzt. Diskriminierungsfälle seien auf ihrer Geschäftsstelle bisher aber nicht gemeldet worden.

Thema wurde intern angesprochen

In den Gesprächen mit den jungen Menschen ging es um mehrere Baselbieter Bäckereibetriebe. Einen davon hat Baseljetzt mit den Vorwürfen konfrontiert: «Uns sind Vorfälle in dieser Weise nicht bekannt.» Nach der Konfrontation mit den Vorwürfen habe die Bäckerei mit mehreren Mitarbeitenden das Gespräch gesucht.

Zudem haben die Verantwortlichen des Bäckereibetriebs die Baselbieter Berufsschule kontaktiert – auch dort seien keine solchen Fälle bekannt. «Unsere Firmenwerte und unsere Hausordnung stehen in klarem Gegensatz zu den Vorwürfen. Genau so wie die Tatsache, dass 56 Prozent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht schweizerischer Herkunft sind», äussert sich der Bäckereibetrieb gegenüber Baseljetzt weiter zu den Vorwürfen.

Es liege dem Betrieb am Herzen, eine «schlanke Hierarchie und einen vertrauten, getreu dem Motto, liebevollen Umgang innerhalb des Betriebs zu pflegen». Die Sache habe die Verantwortlichen nichtsdestotrotz sehr bewegt und das Thema sei intern bereits angesprochen worden. «Auch, weil bei einer Betriebsgrösse wie der unseren nicht jedes Wort von jeder Person kontrolliert werden kann.»

Keine gemeldeten Fälle

Fabienne Romanens, Leiterin Kommunikation der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion des Kantons Baselland, sagte auf Anfrage von Baseljetzt zu den Vorwürfen: «In keinem Fall konnte ein Zusammenhang mit Diskriminierung oder Rassismus festgestellt werden.» Die Abteilung Betriebliche Ausbildung habe hierfür alle an sie erfolgten Meldungen im Zusammenhang mit Lehrverhältnissen aus der Bäckereibranche seit 2021 manuell überprüft.

«Die Lehraufsicht nimmt jeden Hinweis auf potenzielle Missstände oder Probleme in einem Lehrbetrieb ernst und geht entsprechenden Meldungen nach», so Romanens. Voraussetzung dafür sei aber natürlich, dass die Lehraufsicht davon Kenntnis erhalte. Die üblichen Kontaktpersonen seien Lernende, deren Erziehungsberechtigte, Lehrpersonen oder Berufsbildungsverantwortliche.

Lehraufsicht als neutrale Anlaufstelle

Was können Lernende tun, wenn sie Diskriminierung im Alltag erleben? Das genaue Vorgehen werde in solchen Fällen auf den Einzelfall abgestimmt, so Romanens, und in der Regel mit der meldenden Person abgesprochen. Auf Wunsch eines Lernenden könne beispielsweise auch auf eine Kontaktaufnahme mit dem Lehrbetrieb verzichtet werden. «Wenn die meldende Person mit der Orientierung der Vertragspartei oder anderen in die Berufsbildung involvierten Personen einverstanden ist, wird ein gemeinsames Gespräch gesucht, um den Sachverhalt zu klären und Lösungen zu finden.»

Die Lehraufsicht sei der Neutralität verpflichtet und nehme im Konfliktfall immer eine beratende und vermittelnde Rolle ein. Sie könne aber auch Massnahmen einleiten.

Für Jugendliche, die in ihrer Ausbildung Diskriminierung oder Mobbing erleben, bleibt es wohl also der sinnvollste Weg, sich mit der Lehraufsicht in Verbindung zu setzen, wenn ein betriebsinternes Gespräch keine Option ist, oder, dieses keine Veränderungen herbeigeführt hat.

Protest-Aktion erfolgreich aus Sicht der Teilnehmenden

Die Protest-Aktion vom Samstag ist aus Sicht der Lernenden-Bewegung Scorpio positiv verlaufen. Vor Ort hätten sich viele Leute interessiert gezeigt und nachgefragt. «Viele haben uns gesagt, dass sie ihr Brot künftig an einem anderen Ort kaufen werden», so Benni*.

*die Namen sind der Redaktion bekannt

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Kommentare

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09.03.2024 17:19

User

wenn sie diese Leute als Dumm bezeichnen wiso stellen denn ein? eine absolute Schweinerei.AM

3 0

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