Justiz soll gegen SVP-Nationalrat Andreas Glarner ermitteln dürfen
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Keine Immunität
Politik

Justiz soll gegen SVP-Nationalrat Andreas Glarner ermitteln dürfen

18.11.2024 19:21 - update 18.11.2024 23:15

Baseljetzt

Die zuständige Kommission des Nationalrats will die Immunität von Andreas Glarner aufheben, nachdem dieser sich auf X gegen den Islam geäussert hatte. Nun muss die Kommission des Ständerats noch entscheiden.

Die Immunitätskommission (IK-N) des Nationalrates hatte am Montag über Gesuche von Justizbehörden zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität von fünf aktiven respektive ehemaligen SVP-Parlamentariern zu entscheiden. Im Fall des Aargauer Nationalrates Glarner verneinte sie den Schutz vor Ermittlungen.

«Gefahr für die Gesellschaft»

Mit 5 zu 4 Stimmen trat sie nicht ein auf ein Gesuch um Aufhebung von Glarners Immunität zugunsten von Ermittlungen, wie die Parlamentsdienste am Montag mitteilten. Die Mehrheit fand, dass Ratsmitglieder gegenüber Privaten nicht pauschal privilegiert werden sollten, wenn sie sich in sozialen Medien äusserten.

Das Gesuch gestellt hatte die bernische Justiz. Sie hatte um eine Ermächtigung ersucht, gegen Glarner wegen Verdachts auf Diskriminierung und Aufruf zu Hass gemäss Antirassismus-Strafnorm ermitteln zu können. Glarner hatte seinen Tweet vom Juni 2024 unter dem Hashtag «Stoppislam» veröffentlicht.

Glarner selber erklärte vor der IK-N, dass sich sein Post im Kurznachrichtendienst X in den Kontext seiner langjährigen politischen Arbeit einordnen lasse, wie es in der Mitteilung hiess. Er habe mit dem Tweet eine Gefahr für die Gesellschaft und für die Schweiz angesprochen.

Die Mehrheit der IK-N war aber der Ansicht, dass Ratsmitglieder gegenüber Privatpersonen nicht pauschal privilegiert werden sollten, wenn sie sich Plattformen äusserten. Auf Social Media könne grundsätzlich jede Person die Öffentlichkeit erreichen.

Es müsse im Einzelfall entschieden werden, ob der für die Aufhebung der relativen Immunität nötige unmittelbare Zusammenhang eines Posts mit dem Amt bestehe. Glarners Äusserung sei zu allgemein und zu pauschal, um eine Verbindung mit Ratsgeschäften zu haben. Über den Fall hat nun die Rechtskommission des Ständerats zu entscheiden.

Schutz bei Wahlkampagne

Anders verfuhr die IK-N mit dem ehemaligen SVP-Parteipräsidenten Marco Chiesa – er ist Tessiner Ständerat – sowie des ehemaligen SVP-Nationalrats und -Generalsekretärs Peter Keller. Gegen sie wollte die Berner Generalstaatsanwaltschaft ermitteln, im Zusammenhang mit einer Wahlkampagne vom Herbst 2023.

Die Kampagnen trugen die Titel «Neue Normalität?» und «10 Millionen-Schweiz stoppen!» und hatten unter anderem die Migrationspolitik der Schweiz im Fokus. Auch in diesem Fall ging es um Ermittlungen wegen Verdachts auf Diskriminierung und Aufrufs zum Hass.

Die IK-N lehnte es aber ab, die Immunität Chiesas und Kellers aufzuheben, im Fall von Chiesa mit 6 zu 3 Stimmen und von Keller mit 6 zu 2 Stimmen und mit einer Enthaltung. Die Aussagen der Kampagne seien der freien Meinungsäusserung und -bildung im Rahmen des demokratischen Wahlkampfes zuzuordnen, befand die Mehrheit.

Deshalb müssten sie toleriert werden. Die Organisation der genannten Wahlkampagnen habe einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem parlamentarischen Mandat von Ständerat Chiesa. Es entspreche der gängigen Praxis, bei Parteivorsitzenden diesen Zusammenhang zwischen Parteiamt und Parlamentsmandat zu sehen.

Kritik am Entscheid

Der Eritreische Medienbund Schweiz, die Antirassistische Aktion PoC und Stop Racism Now kritisierten den Entscheid. Dieser legitimiere «rassistische Wahlkampfhetze». Die SVP verfolge mit der Kampagne klar das Ziel, Angehörige rassifizierter Minderheiten herabzusetzen, indem sie diese pauschal als kriminell darstelle.

Vor der IK-N hatten am Montag noch zwei weitere SVP-Parlamentarier anzutraben: Fraktionschef und Nationalrat Thomas Aeschi (ZG) und Nationalrat Michael Graber (VS). Beide hatten sich während des Besuches des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk während der Sommersession Handgemenge mit Polizisten geliefert.

Die Immunitätskommission will vor dem Entscheid eine Stellungnahme der Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung abwarten. Letztere soll zuerst darlegen, ob die beiden Nationalräte aus ihrer Sicht die Sicherheitsvorschriften für das Parlamentsgebäude verletzt haben. (sda/daf)

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21.11.2024 04:53

pserratore

👍

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19.11.2024 06:16

spalen

gut so! auch bei herrn glarner soll es konsequenzen geben, wenn er das gesetz übertritt. dies parlamentarische immunität ist nicht dafür da, seine ständigen provokationen zu schützen, die sich immer und wohl bewusst an der grenze zum justiziablen und darüber bewegen.

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