
Liebe als Falle: Wie Betrüger gezielt manipulieren
Mirjam Rodehacke
Mit der Kampagne «Romance Scam. Wahre Liebe kostet nichts» will die Schweizerische Kriminalprävention zusammen mit den kantonalen und städtischen Polizeikorps die Gesellschaft für diese besonders heikle Thematik sensibilisieren.
Die Kampagne der Schweizerischen Kriminalprävention (SKP) und der Polizeikorps zur Aufklärung gegen Liebesbetrug von März bis Mai soll einerseits die komplexen Vorgehensweisen der Täter beleuchten sowie andererseits die Auswirkungen für die Betroffenen aufzeigen. Denn diese erfahren durch solch einen Betrug nicht nur finanziellen Schaden, sondern auch grosses emotionales Leid. Hinzu kommt, dass es Geschädigten oft schwerfällt, Anzeige zu erstatten – weshalb das komplette kriminelle Ausmass nicht sichtbar ist. Ausserdem agieren die Täter weltweit und online, was eine Rückverfolgung oder gar Erfassung jener deutlich erschwert.
Hintergrund der schweizweiten Kampagne ist laut Beatrice Kübli, Stv. Geschäftsleiterin der SKP und Projektleiterin der Romance-Scam-Kampagne weniger die Position auf der aktuellen Kriminalstatistik, dafür aber die Verzweiflung der Betroffenen: «Die Zahlen sind eigentlich mehr oder weniger stabil und es handelt sich hierbei auch nicht um den ersten Platz der Betrugsdelikte. Allerdings geschehen solche Fälle sehr häufig und immer wieder, weshalb eine hohe, kaum abschätzbare Dunkelziffer vermutet wird. Was jedoch klar ist, ist der grosse emotionale Schaden, der bei praktisch allen Fällen spürbar ist – die Geschädigten sind von diesen Vorfällen gezeichnet.»
Lockerer Anfang mit komplexem Lügengebilde
Gemäss Kübli seien zwar ebenfalls Männer von der vorgespielten Liebesmasche mit später folgenden Geldforderungen betroffen, aber meistens werden Frauen ab 40 Jahren anvisiert. Dies könne unter anderem daran liegen, dass diese Gruppierung aufgrund ihres Einfühlungsvermögens leichter zugänglich sei. Auch bestimmte Lebensumstände könnten die Wirkung der auf die Emotionen gerichteten Manipulationstechniken durch die Täter begünstigen.
Eine der Betroffenen ist Frau Weiler aus Zürich. Die heute 80-Jährige wurde 2016 während mehrerer Monate von einem Romance Scammer manipuliert. Angefangen habe alles mit einer E-Mail: «Er schrieb mir, dass er meine Adresse im Internet gefunden hätte und dass er sich für mich interessieren würde.» Intuitiv sei ihr die Sache zwar komisch vorgekommen, doch da sie als Schauspielerin und Sängerin eine öffentlich zugängliche Internetpräsenz hat, verwarf Frau Weiler ihr eigenes Misstrauen bald und ein lockerer Mailaustausch begann.
Durch einen monatelangen, regen Austausch per Mail und später ebenso telefonisch, habe es der Täter mittels seines besonders hartnäckigen Umwerbens immer mehr geschafft, emotional zu Frau Weiler durchzudringen: So habe er sich als erfolgreicher Architekt mit Wohnsitz in San Francisco ausgegeben, habe Interesse an ihrem Leben und schliesslich tiefgreifende Gefühle für ihre Person vorgespielt. Schliesslich habe auch Frau Weiler Gefühle für einen Mann entwickelt, den sie zu kennen geglaubt habe: «Ich war total verliebt, total in einer anderen Welt.» Doch als es dann um das erste Treffen ging, habe das vorgelogene Gebilde inklusive gemeinsamer Zukunftspläne zunehmend zu bröckeln begonnen. «Er hatte versprochen, in die Schweiz zu kommen, aber dann ist diesem Mann dauernd etwas passiert: Er wurde erst ausgeraubt und dann überfallen. Deshalb gab er an, völlig hilflos zu sein und bat mich um Hilfe.»
Maschinerien der Manipulation
Zwar sei Frau Weiler hin und wieder verunsichert gewesen, habe ihm aber dennoch das Geld gegeben. Im weiteren Verlauf habe der Täter immer mehr verlangt und sie habe überwiesen. Doch die Situation stagnierte. Irgendwann habe das Misstrauen von Frau Weiler wieder überhand gewonnen und sie habe gezögert, ihm noch mehr Geld zu übergeben: «Dann wurde er plötzlich giftig und dann habe ich es irgendwann begriffen.» Der Betrug flog auf. «Das Schlimmste daran war, wie ich seelisch gelitten habe. Es war unsäglich, wie schlimm dieses Hintergehen, die Lügen und das Spielen mit meinen Gefühlen war.» Anderen könne sie deshalb nur raten, niemals Geld zu überweisen: «Sie hören auf, wenn sie wirklich merken, dass kein Geld kommt.»
Gemäss dem Institut zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in Neuchâtel (ILCE) operieren die Betrügenden international. Kampagnen-Projektleiterin Kübli bezieht sich bei ihren Einschätzungen auf die Untersuchungsergebnisse des ILCE und ordnet ein: «Diese Täter operieren nach einem gezielten und komplexen Muster – mit Schulungen zu den Abläufen der Chats mit den Betroffenen.»
Die darauffolgende emotionale Manipulation inklusive des vorgetäuschten Ausmalens einer gemeinsamen Zukunft mit den Betroffenen geschehe dann über einen längeren Zeitraum, bis es zur ersten Geldforderung komme. Dabei seien die Gründe für den gewünschten finanziellen Support zwar unterschiedlich, aber immer ähnlich und häufig in Zusammenhang mit einem geplanten baldigen Treffen: Von angeblichen Unfällen oder Diebstählen sei die Rede, aber gleichzeitig würden die Betrüger oft auch direkt klarstellen, dass sie das Geld wieder zurückzahlen würden. Doch dazu kommt es eben doch nie.
Täter agieren selbstständig und in Betrugsfabriken
Neben diesen Auffälligkeiten, die einen möglichen Hinweis auf einen Betrug darstellen können, ist laut Kübli das Wichtigste, das es zu beachten gilt, den Forderungen nicht nachzukommen: «Niemals an jemanden Geld überweisen, den man nur aus dem Internet kennt.» Was in der Theorie so einfach klingt, kann in der Praxis schwer umzusetzen sein. Denn bekannterweise lassen die biochemischen Prozesse, die sich beim Zustand des Verliebtseins einstellen, oftmals kaum noch rationale Gedankenvorgänge zu.
Wer sich unsicher ist, ob es sich bei einer Online-Bekanntschaft um einen potenziellen Betrüger handelt und sich vielleicht nicht traut, seinem Umfeld davon zu erzählen, kann auch einfach bei der SKP selbst anrufen (031 511 00 09) und seinen Fall schildern. Die SKP würde sich dann der Thematik annehmen und eine Einschätzung geben. Zudem listet die SKP auf ihrer Webseite weitere Handlungsmöglichkeiten auf – im Falle eines bereits geschehen oder aktuell vermuteten Betrugs.
Derzeit lassen sich laut ILCE zwei Gruppen von Tätern identifizieren: die Selbstständigen (Sitz u. a. an der Elfenbeinküste) und die Betrugsfabriken (Sitz u. a. in Südostasien). Letztere würden häufig auch Strukturen von Menschenhandel aufweisen, wobei diejenigen, die online diese betrügerischen Romance-Scam-Chats betreiben, oft selbst nur Gefangene in diesem ausbeuterischen Konstrukt seien.
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pserratore
⚠️⚠️⚠️
Sonnenliebe
Leider ist es wohl nötig, dershalb hilft diese Kampagne hoffentlich genug.