
Mann (24) nach mutmasslicher Vergewaltigung im Horburgpark vor Gericht
David Frische
Ein 24-jähriger Mann soll im vergangenen Juni eine 38-jährige Frau im Horburgpark vergewaltigt haben. Seit Dienstag muss sich der Angeklagte vor dem Basler Strafgericht verantworten.
Eine laue Frühsommernacht im Mai. Eine 38-jährige Frau und ein 24-jähriger Mann lernen sich in einem Club in der Clarastrasse kennen. Sie trinken jeweils mehrere alkoholische Getränke, tanzen und küssen sich. Bis sie schliesslich den Club verlassen.
Eine kurze Autofahrt später sind die Beiden kurz nach 3 Uhr morgens beim Horburgpark. Im Park kommt es schliesslich zum Geschlechtsverkehr. Für die Frau ist es die Hölle. Denn laut der Anklage der Basler Staatsanwaltschaft wurde sie vergewaltigt. Die 38-jährige Mutter von zwei Kindern liess die Tat in Todesangst über sich ergehen. Der Mann bestreitet die Tat. Es sei zu einvernehmlichem Sex gekommen, sagt er.
Was ist in jener Frühsommernacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 2024 geschehen? Sieben Monate später wird der Fall vor dem Basler Strafgericht verhandelt.
Frau kann sich an vieles nicht mehr erinnern
Für die Staatsanwältin Alexandra Frank ist klar: Der Mann, ein 24-jähriger Kosovare, ist ein Vergewaltiger, der sich «gnadenlos das nahm, was er wollte». Dass er und die Frau gemeinsam den Abend im Club verbracht haben, ist unbestritten. Ebenso, dass sie sich körperlich angenähert und geküsst haben. Auch der Geschlechtsverkehr im Horburgpark ist Fakt. Offen ist, ob er einvernehmlich stattfand. Denn über den Verlauf des Abends gibt es zwei grundlegend unterschiedliche Versionen der Beteiligten.
Die Frau, mutmassliches Opfer und im Prozess als Privatklägerin anwesend, sagte am Dienstag vor Gericht aus, dass sie sich an das Meiste an besagtem Abend nicht mehr erinnern könne. Sie habe zu Hause bereits etwas getrunken und sei dann in den Ausgang gegangen. Im Club an der Clarastrasse habe der fremde Mann ihr dann ein Getränk bezahlt und ihr Avancen gemacht. Ebenfalls anwesend waren die Schwester des Angeklagten und deren Partner. Sie hätten noch weitere Getränke bestellt. «Ab dem Moment weiss ich nicht mehr viel», so die 38-Jährige gegenüber der Gerichtspräsidentin Sarah Cruz-Wenger. Sie sei später in einem Auto und schliesslich in einem Park gewesen, den sie als Wald wahrgenommen habe. Hier sei das Schreckliche dann passiert.
«Ich war chancenlos»
Der Mann habe sie gewürgt und zu Boden gerissen. «Ich war in Todesangst», schilderte die Frau vor Gericht und brach in Tränen aus. Sie habe gedacht, er wolle sie töten. «Ich wehrte mich mit Händen und Füssen, aber ich war chancenlos.» Am Boden liegend, habe der Mann sie weiter gewürgt und ihr den Mund zugehalten. «Ich sagte ihm, er könne alles machen, was er will. Ich will einfach leben.» Dann sei er ungeschützt in sie eingedrungen, so die Anklage.
Laut der Staatsanwaltschaft machte sich der Beschuldigte nach der Tat «aus dem Staub». Seine Schwester und deren Partner hätten ihn in der Nähe des Parks abgeholt und sie seien in den Club an der Clarastrasse zurückgekehrt. Dort verhaftete die Polizei den Mann kurze Zeit später.
Die 38-jährige Frau setzte verschiedene Hilferufe ab und wurde schliesslich «weinend und schreiend» von Polizeibeamten im Park aufgefunden, wie es weiter heisst. Am Körper der Frau wurden danach Hämatome an den Armen, eine Nackenstarre, Hautabschürfwunden und kleine Blutungen festgestellt.
«Sie wollte die Nacht unbedingt mit mir verbringen»
Ganz anders schildert der Beschuldigte den Abend und die Nacht. Bereits im Club habe die Frau immer wieder gesagt, dass sie zu ihm nach Hause gehen wolle. Das, was sie ihm vorwerfe, sei «einfach nicht wahr». Er habe ihr zu erklären versucht, dass das nicht gehe – er wohne mit seiner Mutter und seiner Schwester zusammen. «Sie wollte die Nacht von Anfang an unbedingt mit mir verbringen».
Sie seien schliesslich gemeinsam ins Auto gestiegen und mit seiner Schwester und deren Partner zum Horburgpark gefahren. Er wohne dort ganz in der Nähe. Beim Park ausgestiegen, habe er der Frau nochmals zu verdeutlichen versucht, dass sie nicht zu ihm mitkommen könne. Sie seien dann in den Horburgpark gegangen. Dort habe sie ihn dann gefragt, «ob er sie ficken wolle». Es sei zum Sex gekommen. «Ich habe den ganzen Abend alles mitgemacht, was sie wollte», so der Angeklagte vor Gericht – ausser, dass er mit ihr zu sich nach Hause gegangen sei. «Es gab an diesem Abend keine Gewalt», so der Beschuldigte. Die Frau habe zwar an diesem Abend getrunken. Aber «sie wusste, was sie tat, trotz Alkohol». Wieso die Klägerin ihn nun beschuldigt, wisse er nicht. «Vielleicht will sie Aufmerksamkeit», sagte er gegenüber dem Gericht aus.
Angeklagter ist wegen Vergewaltigung vorbestraft
Der 24-Jährige ist wegen mehrerer Sexualdelikte vorbestraft. Er hatte wegen einer Vergewaltigung einer betrunkenen Frau in einem Keller eine fast vierjährige Haftstrafe verbüsst. Darauf angesprochen gab er vor Gericht an, dass er damals nicht gemerkt habe, dass die Frau keinen Sex wollte. Das tue ihm leid und er habe seine Strafe abgesessen. Er wisse, wann eine Person etwas nicht will.
Gegen den Kosovaren war damals auch ein Landesverweis ausgesprochen worden, gegen den er Rechtsmittel einlegte. Da der definitive Entscheid noch hängig ist, darf sich der Beschuldigte weiterhin in der Schweiz aufhalten. Hier lebt er, seit er 15 ist. Ausbildung und Job hat er nicht, er bezieht Sozialhilfe.
Vor Gericht stritten Staatsanwaltschaft, Opfervertretung und Verteidigung über diverse Punkte, die den Ablauf der Frühsommernacht betreffen. Das Opfer gab an, dass es nach dem Kennenlernen im Club nach Hause wollte, da es ihr «nicht gut ging». Der Beschuldigte behauptet, dass sie unbedingt zu ihm wollte.
Was zeigen die Spuren an den beiden Körpern?
Die Spuren am Körper des Angeklagten und die Verletzungen beim mutmasslichen Opfer werfen ebenfalls Fragen auf. Beide waren vom Institut für Rechtsmedizin untersucht worden. Beim Mann wurden Hautrötungen sowie eine Schwellung an der Stirn festgestellt. Die beiden Gutachterinnen sagten vor Gericht aus, dass es sich bei den Rötungen nicht um Verletzungen handle. Sie könnten etwa von einem zu eng anliegenden Gefängnisoverall stammen. Die gerötete Schwellung an der Stirn könnte vom Liegen auf dem Betonboden im Gefängnis stammen. Es handle sich aber auch um eine «anschlagtypische Stelle». Der Angeklagte gab an, dass es eine allergische Reaktion der Haut auf Haarwachs sei. Dies stufte die Gutachterin als «eher unglaubwürdig» ein.
Zu den Verletzungen des Opfers sagten die Gutachterinnen, dass sie theoretisch von einem Griff an den Hals stammen können. Wird der Hals zugedrückt, komme es zu Quetschungen. Die Lippen und die Innenseiten der Wangen waren laut Gutachten unverletzt. Dass dem mutmasslichen Opfer der Mund zugehalten wurde, konnten die Gutachterinnen nicht bestätigen. «Dafür gibt es keine Befunde.»
Die Staatsanwaltschaft wies in ihrem Plädoyer auf DNA-Spuren des Angeklagten unter den Fingernägeln des mutmasslichen Opfers hin. Diese kämen «da nicht nur vom Küssen hin». Auch die Hämatome würden zeigen, dass es Gewalteinwirkung gegeben habe.
Ein weiterer Streitpunkt sind eine Sprachnachricht, welche die Frau vom Horburgpark aus an einen Freund geschickt hatte, und mehrere unbeantwortete Anrufe dieses Freundes an die Frau. In der Sprachnachricht sagte die Frau, dass sie nach Hause wollte. Die Staatsanwaltschaft sieht das als Beweis. Der Angeklagte sagt, dass sie danach Sex mit ihm haben wollte.
Zeuge: Mann wollte Frau überzeugen
In der Verhandlung befragte das Gericht am Dienstag einen Zeugen. Es handelt sich um einen Anwohner des Horburgparks, der eine «Diskussion» zwischen dem mutmasslichen Opfer und dem Angeklagten in der besagten Nacht mitbekam. Sie hätten alkoholisiert gewirkt und schienen zusammen aus einem Club oder einer Bar gekommen zu sein. In der Diskussion sei es darum gegangen, ob die Beiden zusammen an einen Ort gehen – ob es sich dabei um den Park oder um einen anderen Ort handelte, konnte der Zeuge nicht eindeutig sagen. Er habe das Gefühl gehabt, dass der Mann die Frau von etwas überzeugen wollte. Gewalt sei keine im Spiel gewesen. Der Mann habe die Frau höchstens berührt und seine Hand an ihrem Rücken gehabt.
Staatsanwaltschaft fordert sechs Jahre Haft
Die Staatsanwaltschaft fordert für den Angeklagten einen Schuldspruch wegen Vergewaltigung. Im Gegensatz zu seinen Aussagen seien die Aussagen der Frau glaubwürdig, die objektiven Beweismittel wie etwa die medizinischen Gutachten würden diese Aussagen zudem untermauern. Staatsanwältin Alexandra Frank fordert für den Mann eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren, auch wegen seiner Vorstrafen. Er wolle sich nicht an die hiesigen Gesetze halten. Zudem solle er lebenslang des Landes verwiesen werden.
Opfervertreterin Miriam Riegger schliesst sich den Forderungen der Staatsanwaltschaft an. Das Erlebte belaste die Frau «nach wie vor sehr stark» und es gehe ihr nicht gut. «Sie hatte unsägliches Pech, dass sie wieder Opfer eines Sexualdelikts wurde», so Riegger. Die 38-jährige Klägerin war in der Vergangenheit bereits vergewaltigt worden. Die Opfervertreterin fordert zudem eine Genugtuung von 15’000 Franken.
Verteidigung will die Klägerin durchleuchten
Der Verteidiger des Beschuldigten zweifelt die Glaubwürdigkeit des mutmasslichen Opfers massiv an. Anwalt Sararard Arquint befragte die Frau detailliert. So wollte der Verteidiger von ihr wissen, wieso sie an jenem Abend ihre Nachbarin angelogen und ihr angegeben habe, sie gehe zur Arbeit, obwohl sie ja in den Ausgang gegangen sei. Zudem trinke sie auffällig viel Alkohol und habe auch schon Kokain konsumiert. Und sie habe bereits mehrere Sexualdelikte angezeigt. Arquint sieht darin mehrere Warnsignale. Man müsse die Klägerin durchleuchten und schauen, was dort ablaufe.
Auf die Fragen des Verteidigers antwortete die Frau vor Gericht, dass sie toxische Beziehungen mit Männern gehabt habe. Sie räumt ein, auch eine Phase mit erhöhtem Alkoholkonsum gehabt zu haben. Zudem habe sie für ihre Tochter von der Kesb eine Zeit lang einen Beistand erhalten. Heute habe sie noch eine Familienbegleiterin.
Verteidiger hält Plädoyer erst am Donnerstag
Anders als die Staatsanwaltschaft hielt der Verteidiger sein Plädoyer am Dienstag noch nicht. Er habe dieses noch nicht bereit, müsse «noch Abklärungen treffen und Anpassungen vornehmen», so Arquint. Dies sorgte für Aufruhr im Gerichtssaal. Staatsanwältin Alexandra Frank forderte gleiche Bedingungen für alle.
Nach einer kurzen Beratung entschied das Fünfergericht um Präsidentin Sarah Cruz-Wenger «unter grossem Unmut», das Plädoyer der Verteidigung auf Donnerstag zu verschieben. Dies aus Gründen der Umsetzbarkeit, begründete Cruz-Wenger den Entscheid – da der Verteidiger bereits angekündigt hatte, das Plädoyer am Dienstag nicht vollständig halten zu können. Im Gegenzug räumt das Gericht der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung auch Zeit ein, um auf das Plädoyer des Verteidigers zu reagieren.
Die Verhandlung wird also am Donnerstagmorgen fortgesetzt. Vermutlich folgt an diesem Tag auch das Urteil. Baseljetzt wird vor Ort berichten. Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
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