Masterarbeit zeigt: Gegenderte Texte beeinträchtigen das Leseverständnis nicht
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Gendern an Schulen
Basel-Stadt

Masterarbeit zeigt: Gegenderte Texte beeinträchtigen das Leseverständnis nicht

17.01.2024 18:52 - update 18.01.2024 10:41
Jessica Schön

Jessica Schön

Eine Masterarbeit an der Universität Basel zeigt, dass gegenderte Texte das Leseverständnis nicht beeinträchtigen. Die Studie widerlegt somit dieses Argument der Gegner:innen.

Die Frage, wie Gendern richtig geht – und ob man es überhaupt tun soll – bewegt Wissenschaft und Öffentlichkeit seit Jahrzehnten. Gegenwärtig sorgt die Kantonale Volksinitiative gegen das Gendern in der Region für Gesprächsstoff.

Das Initiativkomitee rund um SVP-Shooting-Star Sarah Regez möchte rechtliche Voraussetzungen schaffen, den Gebrauch gendergerechter Sprache mithilfe von Sonderzeichen in Baselbieter Volksschulen zu verbieten.

Eines der Argumente bezieht auf die vermeintlich verringerte Verständlichkeit von Texten, in denen mittels typografischer Zeichen gegendert wird: Die Gendersprache unterbinde eine genaue Benennung des Gemeinten und nehme den Fokus von wichtigen Unterrichtsinhalten, heisst es auf der Webseite des Komitees.

Ein Gesetz, dass das Gendern an Volksschulen etwa mit dem Genderstern vorschreibt, gibt es nicht. Untersuchungen, wie diejenige, die Studentin Rahel Baer im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität Basel durchführte, deuten ferner darauf hin, dass sogenannte Splittingvarianten die Lesbarkeit von Texten nicht beeinträchtigen.

«Indizien, die dafür sprechen»

Baers eigene Lehrtätigkeit habe sie zur Bearbeitung ihrer Fragestellung inspiriert. Bei Arbeitsblättern für ihre Schüler:innen habe sie etwa mit dem Genderstern gearbeitet. Angesichts der Tatsache, dass ein Drittel der Kinder Anspruch auf einen Nachteilsausgleich hatte, stellte Baer sich die Frage, ob diese Texte für die Schüler:innen verständlich waren.

Das Ergebnis ihrer Masterarbeit, welche die Leseverständnisfähigkeit von 141 Schüler:innen der Sekundarstufe I im Leistungszug A untersuchte, bestärkte sie jedoch in ihren Bemühungen: «Die Wissenschaft liefert Indizien, die für das Gendern sprechen.»

Baer überprüfte die Gedächtnisleistung der Schüler:innen mithilfe eines Lesetextes und anschliessender Multiple-Choice-Fragen: Den Schüler:innen wurden Texte vorgelegt, in denen entweder der Genderstern, Beidnennungen und neutrale Formen, oder das generische Maskulinum verwendet wurde. Anschliessend beantworteten sie Fragen zum Inhalt.

Die Erfolgsquoten der drei Varianten wurde mittels statistischer Berechnungen miteinander verglichen. Dabei zeigte sich, dass Texte mit geschlechtergerechten Formulierungen im Vergleich zu solchen, die ausschliesslich das generische Maskulinum verwendeten, keine signifikanten Unterschiede in der Erfolgsrate aufwiesen. Baers Untersuchung reiht sich damit in Studien mit ähnlichen Ergebnissen ein.

Ursprünge gendergerechter Sprache

Das Gendern hat seinen Ursprung in der Zweiten Frauenbewegung: Im deutschsprachigen Raum war es die Linguistin Luise Pusch, die seit den 1970er Jahren an vorderster Front Kritik am generischen Maskulinum, also der Schreibweise, bei der lediglich das männliche Genus genannt wird, übte. Erst nach und nach sickerten neue Schreibformen – Beispielsweise das Binnen-I oder Beidnennungen – von den Universitäten in breitere Teile der Gesellschaft.

«Sprache prägt Realität»

«Im Kern geht es um die Frage, ob wir gendergerechte Sprache wollen, oder nicht», so Baer. Natürlich sei das Thema politisch aufgeladen.

Psycholinguistische Studien zeigen, dass Sprache massgeblich beeinflusse, wie Personen die Realität wahrnehmen, so Baer. Gerade in Bezug auf die Kategorie «Geschlecht» finde gesellschaftlich ein Wandel statt. Während es noch vor ein paar Jahrzehnten darum ging, Männer und Frauen in der Sprache abzubilden, gebe es gegenwärtig auch Bemühungen, geschlechtliche Vielfalt sichtbar zu machen.

Man müsse gar nicht so philosophisch werden, um zu verstehen, dass Worte verletzen können: «Auch ausgeschlossen, nicht mit gemeint zu sein, kann verletzen. Verhandlungen darüber, wie wir Sprache so diskriminierungsfrei wie möglich gestalten können, halte ich darum für wichtig», so Baer.

Baer plädiere darum dafür, das Gendern im Unterricht altersgerecht zu thematisieren: Schüler:innen sollen wissen, dass es die Möglichkeit gibt, Geschlechtervielfalt in der Sprache abzubilden. Vereinfacht ausgedrückt gehe es ihr mehr um ein Einbringen als um ein Einfordern.

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Kommentare

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21.01.2024 12:44

gugus

Ich neige dazu, eine Masterarbeit über diese Masterarbeit zu erarbeiten. Allerdings weiss ich schon jetzt, was da rauskommen würde. Bestimmt nicht das, was in dieser Masterarbeit kommuniziert wird. Sondern genau das Gegenteil. Soll mir doch einer mal was anderes behaupten.

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18.01.2024 10:11

GLOBA

Noch schlimmer sind die Radioberichte vom Regionaljournal Basel (SRF)! Wenn mehrfach im selben Bericht wiederholt wird Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer, so ist das Risiko hoch, dass das Radio abgestellt wird. Auch bei Wahlen wiederholt die Redaktorin x-mal Wählerinnen und Wähler!

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