Mit viel Geduld und Beharrlichkeit das Tabu endlich durchbrechen
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Häusliche Gewalt
Basel-Stadt

Mit viel Geduld und Beharrlichkeit das Tabu endlich durchbrechen

21.11.2023 18:28
Pascal Kamber

Pascal Kamber

Nach einem Jahr Sensibilisierungskampagne «Halt Gewalt!» ziehen die Projektleiterinnen Imma Mäder und Clara Wittich eine positive Bilanz. Bis das Thema kein Tabu mehr ist, braucht es aber noch viel Zeit.

Vor einem Jahr lancierte der Kanton Basel-Stadt zusammen mit der Kantonspolizei und dem Stadtteilsekretariat Kleinbasel die Sensibilisierungskampagne «Halt Gewalt!». Das Ziel: Die Quartierbevölkerung auf die häusliche Gewalt aufmerksam machen und ihr aufzeigen, wie man in bestimmen Fällen richtig reagiert.

Verschiedene Botschafterinnen und Botschafter sind seither im Kleinbasel unterwegs, bringen die wichtigen Informationen unter die Leute und sind für Fragen oder Anliegen ansprechbar. Zuständig für dieses Team und die Kampagne im Allgemeinen sind Imma Mäder und Clara Wittich. Die beiden Co-Projektleiterinnen ziehen eine positive Bilanz. «Viele Partnerorganisationen haben uns eingeladen für Sensibilisierungen, Workshops oder Bastelaktionen», sagt Imma Mäder. «Oft rennen wir offene Türen ein und merken, dass schon etwas unter der Oberfläche da war und das Interesse da ist. Das zeigt uns, dass die Zeit reif ist, um die häusliche Gewalt zum Thema zu machen und zu enttabuisieren.»

Das Bewusstsein wächst

Imma Mäder kann allerdings noch nicht abschätzen, ob sich durch die Kampagne die Dunkelzahl der Fälle wie erhofft gesenkt hat. Das Projekt wird voraussichtlich im kommenden Jahr extern evaluiert und die Polizeirapporte ausgewertet. Erst dann liegen genauere Zahlen zur häuslichen Gewalt vor.

In den Schilderungen der Betroffenen spürt Imma Mäder aber eine Wirkung der Kampagne. «Die Leute sehen, dass sie etwas machen können. Dass sie Rechte haben. Langsam entsteht ein Bewusstsein, vor allem in den Communities, die wir vorher mit unseren Informationen schlecht erreicht haben», sagt Mäder.

Damit die Tipps und Ratschläge von «Halt Gewalt!» auch wirklich überall ankommen, sind die Infos mittlerweile auch als Audioaufnahmen in verschiedenen Sprachen erhältlich. So erreicht die Botschaft auch Leute, die nicht lesen können, oder Menschen mit Beeinträchtigungen.

Noch ist es ein (zu) grosses Tabu

Bis alle wissen, wie man auf häusliche Gewalt richtig reagiert, sei aber noch viel Geduld gefragt, sagt Clara Wittich. «Sensibilisierungsarbeit braucht extrem viel Zeit. Vor allem dann, wenn es darum geht, das Phänomen der häuslichen Gewalt zuerst einmal aufzugreifen. Denn es ist ein sehr tabuisiertes Thema, das nicht von heute auf Morgen durchbrochen wird.»

Umso wichtiger sei deshalb der direkte Austausch mit den Menschen, um den Betroffenen zu zeigen, dass sie kein Einzelfall sind. «Männer und Frauen erleben häusliche Gewalt, aber viel mehr Frauen sind davon betroffen. Es gibt Statistiken, die besagen, dass jede vierte bis fünfte Frau im Erwachsenenalter häusliche Gewalt erlebt», sagt Wittich. Mit den Gespräche und Veranstaltungen wollen sie und Imma Mäder aufzeigen, dass häusliche Gewalt ein gesellschaftliches Problem ist. «Und dass es sich lohnt, sich dagegen einzusetzen.»

Standaktionen in beiden Basel

Das tun die Co-Projektleiterinnen auch am kommenden Samstag. Am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen suchen sie von 13.30 bis 16.30 Uhr mit Standaktionen in der Greifengasse, bei der Kaserne und beim Bistro Pulpo das Gespräch mit den Leuten. In der Nacht werden der Spiegelhof und das Theater Basel orange beleuchtet – die Farbe der Aktion.

Auch im Kanton Baselland sind die Behörden präsent. In Liestal stehen Fachpersonen von 8 bis 13 Uhr beim Gnussmärt für Interessierte bereit. Der 25. November ist zugleich der Starttag der schweizweiten Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen», die am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, endet.

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