Nach 130 Jahren und vier Generationen: Buchbinderei fand keinen Nachfolger mehr
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Handwerk
Basel-Stadt

Nach 130 Jahren und vier Generationen: Buchbinderei fand keinen Nachfolger mehr

20.05.2024 09:09 - update 25.03.2025 15:38
Kasimir Heeb

Kasimir Heeb

Ende März schloss die Buchbinderei Flügel wegen Nachwuchsproblemen in der Branche. Das alte Handwerk ist in den Zeiten der Digitalisierung immer weniger gefragt. Das spüren die lokalen Betriebe schon länger.

«Schweren Herzens habe ich mich nun entschlossen, meine Geschäftstätigkeit altershalber aufzugeben und den Familienbetrieb zu schliessen» steht auf dem Aushang im Schaufenster der ehemaligen Buchbinderei Flügel in der St. Alban-Vorstadt. Der Familienbetrieb konnte trotz intensiver Bemühungen keine:n Nachfolger:in finden. Dies ist sinnbildlich für die harzige Situation in der traditionellen Branche.

Denn wie mehrere Buchbindereien aus der Region auf Anfrage von Baseljetzt erklärten, sei es heutzutage für die meisten potenziellen Arbeitskräfte zu viel Aufwand mit einem zu grossen Risiko. Die Buchbinderei-Branche sei einem «rückläufigen Markt» angebunden, erklärt Beat Steiner, Präsident des Buchbinder-Vereins der Region. «Seit der Digitalisierung ist Print nicht mehr das attraktivste bei den möglichen Kund:innen.» Und so schwinden auch schon länger die Aufträge.

Nach 130 Jahren und vier Generationen: Buchbinderei fand keinen Nachfolger mehr
Der Inhaber verkündete die Schliessung der Buchbinderei Flügel «mit einem lachenden und einem weinenden Auge». Bild: Baseljetzt

Schwierige Ausbildungssituation

Dieser Rückgang zeigt sich auch in den Ausbildungszahlen: Letztmals wurde im Jahr 2020 eine Lehre als Bindetechnolog:in EFZ abgeschlossen. Aktuell ist niemand in einer Lehre, wie die Lehraufsicht des Basler Erziehungsdepartements auf Anfrage mitteilte. Insgesamt sei es in den letzten Jahren in Basel nur sporadisch zu Lehrabschlüssen in diesem Bereich gekommen.

Das liegt laut Beat Steiner, der ebenfalls Geschäftsleiter der industriellen Buchbinderei Grollimund ist, an zwei Dingen: Zum einen sei die Nachfrage nach der industriellen Lehre klein. «Häufig brechen die Lehrlinge ihre Ausbildung vorzeitig ab.» Auch die Reinacher Buchbinderei ist aktuell wieder auf Lehrlingssuche. Und gleichzeitig gäbe es für eine handwerkliche Lehre keine ausbildenden Betriebe in der Region.

Die Schwierigkeit beim Nachwuchs in dem Markt bestätigt sich auch auf nationaler Ebene. Nach Information des Dachverbands der Print- und Medienindustrie Dpsuisse sind in der Schweiz aktuell nur fünf bis sieben Bindetechnolog:innen in Ausbildung. Die Tendenz zeige auch hier klar abwärts: «In den letzten 15 Jahren ist ein deutlicher linearer Rückbau bei den Ausbildungszahlen zu erkennen.»

«Wer viel Zeit und Hingabe investiert, wird immer eine Zukunft haben»

Trotzdem gibt es auch heute noch mehrere Buchbindereien in den beiden Basel. Mittlerweile leben diese Geschäfte jedoch fast ausschliesslich von privaten Aufträgen – meist Einzelstücken. Handgebundene Bücher sind so fast schon zur Luxusware geworden.

«Heute muss man sich spezialisieren, um zu überleben», meint Beat Gschwind. Er betreibt seine eigene Buchbinderei am Gemsberg. Er habe seine Nische in der Restauration und Reparatur alter Bücher gefunden. Daneben druckt er auch noch Abschlussarbeiten und betreibt – «mehr hobbymässig» – ein Antiquariat. So käme er mit seinem Geschäft durch, wenn auch nicht mehr so einfach wie früher, sagt Gschwind.

Baseljetzt hat dem Buchbinder über die Schulter geschaut:

Die Buchbindereien werden auch in Zukunft zu kämpfen haben. Für die Buchbinder:innen, mit denen Baseljetzt gesprochen hat, ist aber klar: Das Buch als Medium wird immer eine Rolle spielen. Denn auch in einer digitalisierten Welt hätten die Bücher viele Vorteile. Zum Beispiel die Bindung, die man zu einem Buch schliessen kann. Diese unterscheide sich deutlich von der Verbindung zu ein paar Datenreihen im eigenen Computer.

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