Nicolas Hunzikers Fussballtraum, der nur von kurzer Dauer sein sollte
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Nicolas Hunzikers Fussballtraum, der nur von kurzer Dauer sein sollte

13.01.2024 18:30 - update 13.01.2024 18:17

Ann Weber

Ein falscher Schritt, ein ausgerenktes Gelenk, eine misslungene Landung oder ein unglücklicher Sturz – die Wege, sich beim Sport zu verletzen, sind so vielfältig wie die Disziplinen selbst. Über den harten Weg der Rehabilitation spricht kaum jemand.

Wenn der Körper plötzlich zum Hindernis wird, beginnt eine anspruchsvolle Reise der Genesung. Drei individuelle Geschichten von Sportlern.

Ein Traum verbindet Giulia Steingruber, Joana Mäder und Nicolas Hunziker. Aber nicht nur sie drei, sondern eine Gruppe von Menschen, die Tag für Tag an die sportlichen Grenzen des Möglichen gehen. Die Tag für Tag, sichtbar oder unsichtbar, trainieren, ihre Defizite aufarbeiten und das, was sie gut können, noch besser lernen. Die Gruppe von Menschen, die im Fernsehen bewundert wird, wenn sie eine Medaille gewinnt. Das sind sie: Die Spitzensportler:innen.

Aber sie verbindet auch etwas anderes: Jeden Tag leben sie mit dem Risiko, dass ihr Körper streiken könnte, dass er nicht mehr so funktioniert, wie er sollte. Das Risiko, dass eine Bewegung den grossen Traum zerstören könnte, ist allgegenwärtig. Ihr Körper ist ihr Kapital; und so greifbar der Traum in einem Moment ist, so unglaublich weit weg kann er im nächsten sein.

Und dieses Risiko gehen sie als Sportler:innen täglich ein. In diesem Artikel geht es um den oft vernachlässigten Teil der Verletzung, die Rehabilitation, das Zurückkämpfen und die Probleme auf dem Weg dorthin.

Hier geht’s zu Teil 1 der Serie:

«Aus dir wird mal was Grosses»

Auf ihm ruhten alle Hoffnungen. Die Experten waren sich einig: Nicolas Hunziker sollte der neue Offensivstar des Schweizer Fussballs werden. Sein Weg schien geradewegs in ein Leben als Profifussballer zu führen. Wären da nicht die verletzungsbedingten Rückschläge gewesen.

Nicolas Hunzikers Fussballtraum, der nur von kurzer Dauer sein sollte
Nicolas Hunziker an der U17 EM-Qualifikation 2013.Bild: Keystone

Kleiner Junge, grosse Träume

Während andere in seinem Alter davon träumen, mehr Spielsachen zu besitzen oder länger wach zu bleiben, ist Nicolas mit seinen Gedanken ganz woanders. Denn als er mit fünf Jahren zum ersten Mal einen Fussballrasen betritt, ist für ihn schnell klar: Ich will Profi werden. Sein grosser Traum: Einmal im Joggeli spielen zu dürfen.

Er gibt alles. Als Stürmer fasziniert ihn das Tore schiessen. Aber genauso liebt er den Teamgeist des Fussballs, den Gedanken, gemeinsam – als Mannschaft – etwas erreichen zu können. Er liebt das Spiel, die Herausforderung und entwickelt sich schnell zu einem Junior mit aussergewöhnlichen Fähigkeiten. Sein Ehrgeiz, noch besser zu werden, treibt ihn stets an.

Nicolas Hunzikers Fussballtraum, der nur von kurzer Dauer sein sollte
Nicolas Hunziker bei seinen Anfängen beim FCB.Bild: Nicolas Hunziker

Als er mit 11 Jahren vom FCB entdeckt wird, scheint sein Weg endgültig in Richtung Profi zu führen. Mit 12 Jahren pendelt er vier bis fünf Mal pro Woche zwischen Solothurn und Basel, um beim FCB trainieren zu können. Dort durchläuft er alle Juniorenstufen und erlebt den krönenden Abschluss, als er 2013 mit dem FCB Schweizer Meister der U18 wird. Auch in der U17-Nationalmannschaft spielt er eine Schlüsselrolle bei der Qualifikation für die EM-Endrunde.

Der Traum beginnt zu bröckeln

In diesen schönen Momenten kommen aber auch die ersten Zweifel auf. Denn schon früh hat Nicolas Probleme mit einer Oberschenkelzerrung, später mit der Hüfte und den Hüftbeugern. Nach der Junioren-Europameisterschaft wird Nicolas mit 17 Jahren an der Hüfte operiert. Es dauert sechs Monate, bis er wieder trainieren kann.

Nicolas bleibt optimistisch, denn er weiss, dass Resignation, Wut und Verzweiflung ihn nicht schneller zurück auf den Rasen bringen. Er macht das Beste aus der Situation und konzentriert sich auf das, was er tun kann: Reha und Physio.

Das Verheerende: Es ist genau die Zeit, in der Junioren den grossen Sprung machen sollten. Als er nach seiner Hüftverletzung 2014 sein Comeback gibt, ist das Verletzungspech leider noch nicht vorbeigezogen. Er zieht sich einen Bänderriss zu und fällt eine weitere Saison aus.

Ausgeträumt

Der Moment des Bänderrisses ist für Nicolas wie ein Weckruf. Er merkt, dass es für ihn schwierig werden könnte, sich wieder zurückzukämpfen: «Da habe ich gemerkt, dass der Körper nicht mehr so will oder kann, wie ich es gerne hätte. Das war schon eine sehr harte Zeit. Es war das erste Mal, dass ich mir Gedanken machen musste, wie mein Leben ohne Sport weitergehen könnte».

Nicolas Hunzikers Fussballtraum, der nur von kurzer Dauer sein sollte
Nicolas Hunziker hat 2016 seinen ersten Einsatz in der Superleague mit dem FC Basel. Sein Traum vom im Joggeli spielen soll aber nur von kurzer Dauer sein. Bild: Keystone / Montage: Baseljetzt

Trotzdem macht er weiter und kann mit Verzögerung einen Profivertrag beim FCB unterschreiben. Er versucht weiterhin, auf hohem Niveau Fussball zu spielen, doch sein Körper macht ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Die Verletzungen häufen sich.

Nicolas ist frustriert: Es kostet ihn viel Kraft, bei seinem Verletzungspech optimistisch zu bleiben.

Das Karriere-Aus

Sieben Jahre nach seiner Hüftoperation, mit 24 Jahren, beendet Nicolas 2020 schlussendlich seine Karriere. Und damit auch den Kampf mit seinem Körper. Für ihn das Schwierigste: Zu akzeptieren, dass es jetzt «vorbei» ist. Dieser Schlussstrich soll für ihn aber auch eine Befreiung sein. Er hatte alles versucht und war mit sich im Reinen.

Nicolas Hunzikers Fussballtraum, der nur von kurzer Dauer sein sollte
Nicolas Hunziker spielt von 2017-2019 bei Thun. Bild: Keystone

Mit seinem Rücktritt schliesst Nicolas Frieden mit seinem Körper: «Irgendwann waren der Sport und die Schmerzen nur noch eine Belastung fürs ganze Leben. Ich habe gemerkt, dass ich ohne Leistungssport langsam wieder ein normales Leben führen kann. Ohne Schmerzen und ohne mit der Sorge aufzuwachen, wie ich trainieren soll.» So sei ein Stück Normalität in sein Leben zurückgekehrt. Der grösste Schritt sei gewesen, herauszufinden, wie sein Leben ohne den Fussball aussehe.

Seine Leidenschaft für den Sport kann er heute als Trainer beim FCB an den Nachwuchs weitergeben. Seine Erfahrung im Fussball würde er trotz Verletzungen wohl gegen nichts eintauschen wollen. Und wer weiss, vielleicht entdeckt er ja bald den nächsten Offensivstar.

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