
Patrizia’s Schoggiparadies: «Ich bin Chefin mit Veto-Recht»
Tim Meyer
Seit fast 28 Jahren ist Riehen Dorf ein kleines Paradies für Zuckermäulchen. Der Quartierladen geniesst in der Gemeinde ein hohes Ansehen. Gerade zuletzt durchlief das Schoggiparadies aber schwierige Zeiten.
Durch die schmale Holztüre hindurch erklingt beim Eintreten ins Paradies ein Glockenspiel. Der Duft von frischem Brot und Pralinen weht entgegen. Direkt an der Hauptstrasse vor dem Riehener Dorf gehen hier die Kund:innen von Patrizia Dammann seit 1996 ein und aus. Das Schoggiparadies, welches als Quartierladen in Riehen seit fast drei Jahrzehnte nicht mehr wegzudenken ist.
Ursprünglich war das Paradies ein Hobbyraum. Zum fünfzigsten Geburtstag ihrer Mutter fertigte Patrizia Dammann als Tischdekoration kleine
„Champagnerkübeli» gefüllt mit «Schoggimandeln» her. Eine Bäckerei wurde dadurch auf die gelernte Bäcker-Konditorin aufmerksam. Und so lieferte sie künftig Truffes an die Bäckerei, angefertigt in Eigenregie – alleine im Hobbyraum.
Alles beim Alten
Auch wenn dies schon fast 30 Jahre her ist, hat sich seither nicht viel verändert, wie Patrizia Dammann gegenüber Baseljetzt sagt: «Mit 18 habe ich meine erste Temperiermaschine bekommen und diese ist immer noch in Betrieb. Wir haben generell wenig Maschinen und ich arbeite auch heute noch wie früher. Wir haben wirklich noch Handwerk.»

Im kleinen Café mit zehn Sitzplätzen klingelt im Hintergrund während dem Gespräch immer wieder das Telefon. Auch dieses könnte mit seinem altmodischen Klingelton schon seit 30 Jahren das Gleiche sein.
Bereits am morgen früh gehen Bestellungen ein und Kund:innen holen ihre Ware. Dass Patrizia Dammann trotzdem entspannt im Café sitzen und erzählen kann liegt an ihrem Team und der Familie. Auch wenn sie heute noch viel selbst leistet: «Ich war lange alleine am Backen und habe zum Teil 15 Stunden am Tag gearbeitet. Meine drei Mitarbeiterinnen vom Verkauf meinten dann zu mir ‘so geht es nicht weiter’. Und so kam meine Tochter Caroline in den Betrieb.»
Caroline Dammann hilft ihrer Mutter bereits seit sieben Jahren. Seitdem sie ihre Ideen einbringt, würde das Schoggiparadies auch mehr Brote und Gipfeli herstellen. Diese hätten sie zuvor von anderen Bäckereien oder Bauern bezogen, sagt Patrizia Dammann.

So ist es auch keine Überraschung, dass das Schoggiparadies im Dezember 2023 eine Backstube gleich nebenan eröffnete. Dies sei auch nötig gewesen sagt Dammann: «Die Backstube war lange in der Confiserie drin. Seit drei Jahren dachte ich, wir platzen dort hinten aus allen Nähten.»
In der neuen Backstube gebe es praktisch keinen Abfall. Das Brot von gestern verkauft Patrizia Dammann für zwei Franken, der Rest geht an die Tafel oder wird zu Paniermehl.
Turbulenzen im Paradies
Bis die separate Backstube realisiert werden konnte, gab es aber einiges an Unannehmlichkeiten. Denn zuvor wurde dem Schoggiparadies vom Gastgewerbeinspektorat die Bagatellbewilligung entzogen. Der Grund: Das Geschäft war nicht beim Bauinspektorat angemeldet: «Das Gesetz hatte sich geändert und ich hätte mich neu anmelden müssen. Deshalb durfte ich aus Sicherheitsgründen das Café nicht mehr öffnen. Ich musste ein Baugesuch eingeben, das konnte ich aber nicht alleine, sondern nur mit einem Architekten.»
Es brauchte Änderungen im Treppenhaus und einen neuen Sicherheitskasten. Umbauarbeiten, die tausende Franken kosteten: «Zum Glück ist der Sohn meines Vermieters Architekt. So musste ich die Zusatzinstallationen nicht zahlen. Sonst hätte ich das Schoggiparadies schliessen müssen, weil ich mir das Ganze nicht hätte leisten können.»
Eine «heftige» Zeit für das Schoggiparadies. Acht Monate voller Turbulenzen brachten schlussendlich auch eine Verzögerung der Neueröffnung der Backstube mit sich. Diese war ursprünglich für Sommer 2023 geplant, am Ende wurde es Dezember.

Aus der Ruhe bringen lässt sich Patrizia Dammann aber durch diese holprige Phase nicht. Die Kund:innen hätten sie gerade in der Umbauzeit oder auch während der Coronapandemie fest unterstützt. Es gab viele die einen Coffe to go bei ihr bestellten obwohl «viele ja selbst eine Kaffeemaschine zuhause haben». Die Riehener Bevölkerung würde hinter ihr stehen.
Sich treu bleiben und gleichwohl neu erfinden
Den Beruf der Bäcker-Konditorin übt sie seit bald 40 Jahren aus. Oftmals ein Balanceakt zwischen sich selbst treu bleiben, Traditionen brechen und anpassungsfähig bleiben: «Wir hören, was die Kundschaft will. Ich kann nicht sagen ‘Ich mache seit 100 Jahren die Champagner-Truffes gleich und die sind jetzt einfach so, da gibt es nicht daran zu rütteln’. Wenn die Leute keine mehr wollen, muss ich aufhören damit.»
Auch deshalb versucht sich Patrizia Dammann immer wieder mit neuen Kreationen. Dies wisse auch die Kundschaft, welche oftmals durch die schmale Holztüre hineinkäme und fragt: «Was haben Sie Neues?». Solche Interaktionen seien für die Bäcker-Konditorin der Grund, sich die Freude am Arbeiten nicht nehmen zu lassen: «Gestern habe ich eine neue, weisse Schokotafel mit Kokosnuss und Passionsfrucht ins Sortiment aufgenommen.»
Es gebe Wochen und Monate, wo nichts neues käme und gleichzeitig Tage, an denen drei neue Ideen ausprobiert werden. Für Patrizia Dammann sei das Schoggiparadies ein Zusammenspiel zwischen leben und leben lassen: «Ich sage immer: Ich bin Chefin mit Veto-Recht. Ich sage nicht ‘so jetzt macht ihr das’. Ich bin froh, wenn andere auch mitdenken.»
Standfestigkeit und ein baldiges Jubiläum
Vielleicht ist es gerade diese Offenheit, welche das Geschäft über all diese Jahre über Wasser gehalten hat. Denn in Riehen ist es nicht einfach, sich zu behaupten, vor allem als Quartierladen – geschweige denn fast 30 Jahre: «Ich bin nicht von Riehen, aber ich bin hier zuhause. Ich glaube in Riehen ist es so: Entweder sie lieben dich, oder du hast verloren und kannst wieder gehen.»
Es sei vor allem der Service und die offenen Ohren, welche die Kundschaft schätzen würde: «Ich glaube viele, vor allem ältere Leute, zieht es hierher, weil sie wissen: Man hat Zeit für mich und redet mit mir. Im Coop können sie nicht an der Kasse stehen und sagen, dass sie reden wollen.»
Zu reden geben wird auch das Jubiläum in zwei Jahren. Am 13. Oktober 2026 feiert das Schoggiparadies sein 30-jähriges Bestehen. Das letzte Fest gab es beim 25. Geburtstag, jeden Monat mit einer unterschiedlichen Aktion. Was es diesmal für ein Programm geben wird, weiss Patrizia Dammann noch nicht. Die Planung ist noch nicht in den Startlöchern, das Datum darf trotzdem schon im Kalender markiert werden, denn: «Man soll die Feste feiern, solange man noch lebt.»
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pserratore
👍🏻
spalen
als krebs-begg vermissender bekomme ich gleich mal lust, nach riehen zu fahren! solche firmen müssen einfach viel mehr unterstützt werden, wenn wir uns vor dem “einheitsbrei” schützen wollen.