
Tatverdächtiger im «Cold Case» will nicht von Vorsatz sprechen
Leonie Fricker
Ein mutmasslicher Mordfall aus dem Jahr 2000 beschäftigt derzeit das Strafgericht Baselland. Der Angeklagte, heute 60 Jahre alt, soll bei einer Drogenübergabe damals seinen Dealer erschossen haben. Er selbst spricht von einem Versehen.
Am Montag startete der Mordprozess am Strafgericht in Muttenz. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, einen damals 21-Jährigen bei einem mutmasslich geplanten Drogendeal auf dem Aussenparkplatz neben der St. Jakobhalle erschossen zu haben. Bereits zu Beginn der Verhandlung lehnte das Gericht ein Gesuch der Verteidigung ab, wonach die Tat verjährt sei.
Früher Drogenkonsum und Schlafprobleme
Die Präsidentin des Gerichts forderte den Beschuldigten zu Beginn auf, seine Biografie darzulegen. In seiner Darstellung zeigte sich ein unstetes Leben, geprägt von frühem Drogenkonsum, Schlafproblemen und einem Hang zum Drogenhandel. Gemäss einem Gutachten aus dem Jahr 1996 weist er zudem psychische Auffälligkeiten auf. Dieses attestiert dem 60-Jährigen eine überdurchschnittliche Intelligenz, zwanghafte und stark narzisstische Züge, sowie ein Selbstbild, «das sich stark von anderen abgrenzt», hielt das Gericht fest. Eine Ex-Partnerin des Beschuldigten habe ihn einst als «menschenverachtend und kalt» beschrieben. Der Beschuldigte ging am Montag nicht weiter auf seinen psychischen Zustand ein, behauptete jedoch, nie gewalttätig gewesen zu sein.
Der Vorfall ereignete sich im Oktober 2000. Gemäss Anklage kam es im Innern eines Kleinwagens zur tödlichen Schussabgabe. Der Beschuldigte gab zu Protokoll, der Schuss habe sich beim Laden der Waffe versehentlich gelöst, die Schusswaffe soll manipuliert gewesen sein. Ein forensisches Gutachten, das zwei Experten am Montag vor Gericht darlegten, sprach hingegen eine andere Sprache. Aufgrund der Spuren sei «wahrscheinlich», dass der Schuss gezielt und einhändig auf das Opfer abgefeuert wurde. Das Szenario, wie es der Beschuldigte darlegt, sei indes «sehr schwer denkbar». Gestützt wurde die These, dass es sich wohl kaum um eine versehentliche Schussabgabe handelte, durch eine 3D-Rekonstruktion der Tat.
«Eine Kokain-Idee»
Am Nachmittag ging das Gericht sämtliche Anklagepunkte durch. Das Gericht wollte mehr zur Beziehung des Beschuldigten zum Opfer wissen, kam aber nicht weit. Das Opfer und dessen Bruder habe er nur flüchtig gekannt, gibt der Beschuldigte zu Protokoll. Auch will er die Tat an diesem Abend im Oktober nicht minutiös geplant haben. «Das war so eine Kokain-Idee», sagte er und ergänzte, dass diese Überlegung «nüchtern betrachtet» keinen Sinn ergeben hätte.
Sein Vorhaben sei gewesen, «die zwei Kilo Koks zu rauben und schnell zu verschwinden». Die geladene Waffe in seiner Jackentasche habe er lediglich mitgeführt, um sein Gegenüber zu bedrohen. Den genauen Ablauf der Tat könne er – auch wegen Schlafmittels – kaum noch rekonstruieren.
Waffe angeblich «zum Schutz» getragen
Die Tatwaffe hatte der Angeklagte legal erworben, er besitzt dafür einen Waffenschein. Wie er vor Gericht ausführte, habe er die Waffe «zum Selbstschutz im Drogenmilieu» stets mit sich geführt, da dies in solchen Kreisen üblich gewesen sei. Dennoch habe er nie vorgehabt, jemanden damit zu töten. Gleichzeitig gab er an, sich mit Waffen nicht auszukennen.
Diese Darstellung hält das Gericht für unglaubwürdig. Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte gemäss Aktenlage zu Hause über eine «ansehnliche Waffensammlung» verfüge, erscheine es wenig plausibel, dass er mit deren Funktionsweise nicht vertraut sei. Auf die Frage, ob er möglicherweise doch den Abzug betätigt habe – gerade weil er sich an das Geschehen nicht mehr erinnern könne – wich der Angeklagte zunächst aus. Letztlich räumte er jedoch ein: «Theoretisch ja.»
Der Prozess wird am Dienstag mit den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung fortgesetzt. Das Urteil ist für Freitag angekündigt. Für den Beschuldigten gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.
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