
Sagst du noch Angge? Oder bist du schon bei der Butter angelangt?
Leonie Fricker
In rund 40 Jahren werden einige Dialektwörter aus dem Schweizerdeutschen verschwunden sein. Dies prognostiziert der Berner Germanist Adrian Leemann. Auch das «Baaseldytsch» bleibt vom Wandel nicht verschont.
Sprache ist einem ständigen Wandel unterworfen. Deshalb besteht die Möglichkeit, dass einige Dialektbegriffe in den nächsten Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Laut einer Analyse von Adrian Leemann, Germanistikprofessor an der Universität Bern, wird sich dies in Zukunft am Frühstückstisch bemerkbar machen.
Am Zmoorgetisch scheiden sich die Geister
Die im Rahmen der Studie erhobenen Daten sagen voraus, dass in 80 Jahren kaum noch jemand ‹Anke› auf das Brötchen schmieren wird. Die Mehrheit wird ‹Butter› sagen. Eine Ausnahme dürfte Bern sein, und auch in Basel könnte sich der ‹Angge› noch halten, allerdings ist Basel jetzt schon umzingelt von Butter-Orten.
Wie nennt man das, was vom Apfel übrig bleibt? Im Raum Basel gibt es verschiedene Wörter dafür. Im Baselbiet halte sich das ‹Giegi› und teilweise auch das <Üürbsi> relativ stabil, sagt Leemann. Das Stadtbasler Wort dafür, nämlich ‹Butze›, höre man heute hingegen kaum noch. Stattdessen wurde die Stadt Basel eingenommen vom Zürcher ‹Bütschgi›. Und auch im Baselbiet wird man wohl in 100 Jahren mehrheitlich ‹Bütschi› statt ‹Giegi› dazu sagen.
Das Bütschgi aus Zürich
Das ‹Bütschgi› hat also den Weg von Zürich nach Basel gefunden. Wo führt das bloss hin, dürften sich die einen oder anderen Baaseldytsch-Verfechterinnen und -Verfechter nun fragen. Die bisherigen Daten der Studie geben Entwarnung: Laut Leemann gebe es – ausser bei der Sache mit dem ‹Bütschgi› – wenige Hinweise darauf, dass sich Baseldeutsch stark dem Zürichdeutschen anpasst. «Was beim ‹Bütschgi› wahrscheinlich passiert ist, ist eine sogenannte hierarchische Ausbreitung von der Stadt Zürich zuerst in die Stadt Basel und dann langsam von der Stadt Basel aufs Land.»
Doch Zürich ist gross und der Dialekt breitet sich, auch wegen anderer Faktoren, weiter aus. Viele Zürcher Varianten dürften in Zukunft in Richtung Aargau, Zentralschweiz, den Nordosten und den Südosten wandern. «Im Moment können Bern und Basel oft sehr gut gegenhalten, was den Einfluss von Zürich anbelangt», sagt Leemann.
Während sich der ‹Angge› langsam verabschiedet und sich das Zürcher ‹Bütschgi› in Basel bereits heimisch fühlt, gibt es einen Begriff, der fest verwurzelt zu sein scheint: das Basler ‹pfätze›. Das Wort halte sich erstaunlich stabil und gehe nicht etwa zum Berner ‹chlemme› oder Zürcher ‹chlüübe› über, so Leemann.
Schmetterling statt Summervogel
Ebenfalls halten könne sich das ‹Schmützli› oder der ‹Schmutz›, während man im östlichen Mittelland praktisch ganz zu ‹Kuss› und ‹Küssli› verändert hat und somit stark vom Hochdeutschen beeinflusst wurde. Auch in Basel gibt es standardnähere Wörter, die mittlerweile dominieren. So zum Beispiel Löwenzahn oder Schmetterling. Aber diese Anpassung ans Deutsche finden wir in vielen anderen Städten auch.
Die Prognosen basierten auf Dialekt-Messungen zu drei Zeitpunkten: der Dialekt der Lost Generation (1880−1900), Baby-Boomers (1940−60), und Millennials (1980−2000). Aufgrund dieser Messungen könne mittels statistischer Modellierung die dialektale Zukunft prognostiziert werden.
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