
Simone Lustenberger: «Als Staatsanwältin war ich eine Einzelkämpferin»
David Frische
Das Basler Stimmvolk hat gewählt: Simone Lustenberger wird neue Präsidentin am Strafgericht. Im Interview spricht die 44-Jährige über die neue Aufgabe und was das Amt von dem Beruf als Staatsanwältin unterscheidet.
Simone Lustenberger setzte sich bei der Wahl am 18. August gegen den parteilosen Daniel Bäumlin durch. Lustenberger kandidierte für die GLP und wurde von den bürgerlichen Parteien LDP, FDP, Mitte, EVP und SVP unterstützt. Ab dem kommenden Jahr wird sie in einem 80-Prozent-Pensum als eine von mehreren Strafgerichtspräsident:innen tätig sein. Telebasel hat in der Sendung «Punkt6 Thema» mit Lustenberger über die neue Tätigkeit und die damit verbundenen Herausforderungen gesprochen.
Telebasel: Frau Lustenberger, Sie arbeiteten rund 16 Jahre als Staatsanwältin. Warum wollten Sie jetzt diesen Seitenwechsel vollziehen?
Simone Lustenberger: Sie sagen es richtig, ich bin seit 16 Jahren bei der Staatsanwaltschaft als Staatsanwältin tätig. Ich durfte und konnte in dieser Zeit viel Erfahrung sammeln. Ich habe mich auch stetig beruflich weiterentwickelt und bin jetzt bereit für eine neue berufliche Herausforderung und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die Stimmbevölkerung mir nun diese Möglichkeit gegeben und das Vertrauen geschenkt hat und mich in das Amt der Strafgerichtspräsidentin gewählt hat.
Was fasziniert Sie am Beruf der Staatsanwältin und jetzt der Strafgerichtspräsidentin?
Für mich war bereits während des Studiums der Rechtswissenschaften in Zürich ganz schnell klar, dass ich später im Strafrecht tätig sein will. Ich bekam dann unmittelbar nach der Anwaltsprüfung die Stelle bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Ich hatte mich auch gezielt auf eine Stelle bei der Staatsanwaltschaft beworben, weil dies das einzige Feld ist, in dem man von Anfang an ausschliesslich im Strafrecht tätig sein und sich richtig einbringen kann, die Strafverfahren führen und diese vor Gericht vertreten kann. Das hat mich bereits im Studium fasziniert, das habe ich gern als Staatsanwältin gemacht und jetzt, nach dieser langen Zeit, bin ich bereit, den nächsten Schritt zu gehen und mich dieser neuen beruflichen Herausforderung zu stellen.
Gehen einen als Staatsanwältin die Fälle der Opfer und der Täter:innen eigentlich auch nahe?
Es ist klar, dass einen das nicht kalt lässt. Gerade, wenn eine schwere Gewaltstraftat oder ein Sexualdelikt passierte, stehen da Menschen dahinter. Da sind betroffene Personen, die möglicherweise schwer verletzt, schwer traumatisiert sind. Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Trotzdem muss man natürlich versuchen, eine professionelle Distanz zu haben, damit man den Fall gut bearbeiten kann. Im Laufe der Jahre lernt man auch, damit umzugehen. Ich kann nicht sagen, dass man abgehärtet wird, aber man lernt den Umgang ein bisschen und man kann die professionelle Distanz haben. So kann man die Schicksale professionell bearbeiten, auch wenn sie einen natürlich immer wieder berühren.
Sie sind künftig eine von zwölf Präsident:innen am Basler Strafgericht. Wieso gibt es eigentlich so viele in diesem Amt und was haben die Strafgerichtspräsident:innen genau für Funktionen?
Jenes Präsidium, in das ich gewählt wurde, wurde zusätzlich geschaffen, um der Überlastung in der Strafjustiz entgegenwirken zu können. Es gibt sehr viele Verfahren, sehr hohe Pendenzen. Das Strafgericht hat Verfahren aus den unterschiedlichsten Bereichen zu beurteilen. Einerseits die Sachfälle, in denen wirklich eine Verhandlung stattfindet und es ein Urteil gibt. Andererseits das Zwangsmassnahmengericht, das beispielsweise die Untersuchungshaft anordnet. Dann gibt es aber auch die Einspracheabteilung, die alle Einsprachen bearbeitet, die gegen Sprachbefehle erhoben wurden. Es ist also sehr vielseitig und es gibt genug Arbeit. Und deshalb wurden nun auch diese Stelle und die zweite zusätzliche Stelle geschaffen – es gibt neben meinem 80-Prozent-Pensum noch eine 50-Prozent-Stelle.
Wie kann das Problem der Überlastung der Strafjustiz gelöst werden?
Mehr Stellen und damit mehr Personal ist sicher hilfreich, das nützt den Strafverfolgungsbehörden. Man muss diese Leute aber auch finden. Gerade bei der Staatsanwaltschaft und wenn man eine junge Person anstellt, braucht es eine gewisse Zeit, bis man diese Erfahrung hat und die Fälle effizienter bearbeiten kann.
Als Staatsanwältin mussten Sie sich nicht einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Der Wahlkampf war also etwas Neues für Sie. Wie war das für Sie?
Es war für mich schon eine neue Erfahrung, dass es plötzlich um mich als Person geht und dass ich Wahlkampf betreiben muss. Es war aber auch eine spannende Erfahrung. Es ergaben sich viele interessante Gespräche mit Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Das war sicher eine Erfahrung, die mich gestärkt hat.
Sie kandidierten für die GLP für das Amt der Strafgerichtspräsidentin, Sie wurden aber auch von anderen Parteien unterstützt. Spielt der Parteihut bei Ihrer Arbeit am Strafgericht eine Rolle?
Nein, das spielt keine Rolle. Man beurteilt die Fälle und tut das je nachdem auch in einem Gremium. Das ist meistens dann der Fall, wenn es sich um einen normalen Sachfall handelt, der mit einem Urteil endet. Fälle bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe werden von einem Einzelrichter oder einer Einzelrichterin beurteilt. Ab einem Jahr Freiheitsstrafe entscheidet dann entweder ein Dreiergericht oder eine Kammer mit fünf Richter:innen. Und das ist etwas, auf das ich mich wirklich freue. Das ist einen Fall auch mal in einem Gremium diskutieren kann. Als Staatsanwältin war ich eine Einzelkämpferin. Ich war die einzige, die diesen Fall so kannte. Die Kriminalpolizei ermittelte, daher führte ich mit den Kriminalist:innen Gespräche. Aber ansonsten war ich vor Gericht eine Einzelkämpferin. Ich vertrat einen Fall als Partei. Daher freue ich mich jetzt darauf, über einen Fall auch mal beraten und zwischen den verschiedenen Seiten abwägen und ein möglichst gerechtes Urteil fällen zu können.
Das ganze Gespräch mit der neu gewählten Strafgerichtspräsidentin Simone Lustenberger findest du in der Telebasel-Mediathek.
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