
Von gerechterer Finanzierung bis zu mehr Effizienz: Die Politik schreit nach Reformen
Baseljetzt
Sozialer und gerechter oder mehr ambulante Eingriffe: Die politischen Parteien fordern nach dem erneuten Prämienanstieg neue Modelle zur Finanzierung der Krankenversicherung. Die Spitäler sind ob des Kostendrucks zudem besorgt.
Die SP zeigt sich über die neuerliche Erhöhung der Krankenkassenprämien schockiert. Für die Sozialdemokraten ist klar, dass die Prämien gedeckelt und solidarischer finanziert werden müssen, um die Kaufkraft der Menschen in der Schweiz zu schützen. Die Grünen wollen eine sofortige Einführung von einkommens- und vermögensabhängigen Krankenkassenprämien.
Immer mehr Menschen würden in finanzielle Schwierigkeiten geraten, teilte die SP am Donnerstag mit. In den letzten 20 Jahren hätten sich die Prämien mehr als verdoppelt, während Löhne und Renten kaum gestiegen seien. Das Parlament dürfe nicht länger wegschauen.
Die Bevölkerung bezahle auf Kosten der Versicherungs- und Pharmaindustrie, hiess es weiter. Letztere wehre sich gegen die Kostendämpfungen im Gesundheitswesen. Die Mitte-rechts-Mehrheit im Ständerat fungiere als Handlangerin der Versicherungs- und Pharmalobby, so die SP weiter.
Mit der Motion Weichelt fordern die Grünen die Einführung von einkommens- und vermögensabhängigen Krankenkassenprämien, wie die Partei mitteilte. Damit könne das ungerechte System der Kopfprämien aus dem Weg geschafft werden. Ein Beispiel dafür sei die Unfallversicherung, die schon jetzt an den Lohn gekoppelt ist.
Die Mitte fordert wirksame Reformen
Die Mitte ist ebenfalls besorgt über den Anstieg der Krankenkassenprämien. Der Mittelstand und die Familien litten schon jetzt unter den steigenden Prämien und Lebenshaltungskosten. Man müsse nun handeln.
Die Partei habe ihr Forderungen und Massnahmen in einem Gesundheitsmanifest zusammengefasst, teilte die Partei auf X mit. «Das Gesundheitssystem ist zu einem Kartell geworden, in dem sich die Akteure gegenseitig decken und Kosteneinsparungen verhindern», wurde Parteipräsident Gerhard Pfister in der Mitteilung zitiert. Es sei höchste Zeit für wirksame Reformen.
Die Kosten würden explodieren, weil das Gesundheitssystem unfähig sei, sich zu reformieren.
FDP will alternative Versicherungsmodelle stärken
Mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen will die FDP unnötige Spitalaufenthalte durch zeitgemässe ambulante Eingriffe ersetzen. Dies führe zu einer Reduktion der Gesundheitskosten von 440 Millionen Franken pro Jahr.
Die FDP habe einen Katalog mit zahlreichen Massnahmen für eine qualitativ hochstehende, digitalisierte und langfristig bezahlbare Gesundheitsversorgung verabschiedet, teilte die Partei am Donnerstag mit. Die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger dürfe nicht immer durch neue Regulierungen und Verstaatlichungen untergraben werden.
Das Gesundheitssystem solle Qualität belohnen und überflüssige Eingriffe vermeiden, hiess es weiter. Das Umverteilen von Geld, wie es die SP, SVP und die Gewerkschaften wollen, sei schädlich für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Spitäler der Schweiz zeigen sich besorgt
Die Spitäler der Schweiz (H+) nehmen die Prämienerhöhung für das Jahr 2025 mit Besorgnis zur Kenntnis. Die finanzielle Situation der Spitäler und Kliniken verschlechtere sich stetig, weshalb griffige und umgehende Reformen nötig seien. Dies teilte der Verband am Donnerstag mit.
Ohne eine faire Finanzierung mit kostendeckenden Tarifen könnten die Spitäler ihr gewohntes Versorgungsangebot nicht aufrechterhalten, schrieb der Verband. Ein wichtiger Faktor, um das Kostenwachstum zu bremsen, sei die Förderung der Ambulantisierung. Aufgrund von finanziellen Fehlanreizen sei die Zahl der ambulanten Eingriffe in der Schweiz nach wie vor zu tief. Das vorhandene Sparpotenzial werde laut H+ nicht genutzt.
Comparis will mehr Spielraum für alternative Versicherungsmodelle
Der Online-Vergleichsdienst Comparis fordert vom Parlament mehr Spielraum für alternative Versicherungsmodelle. Es sei wichtig, dass Krankenkassen und medizinische Leistungserbringer mehr Möglichkeiten haben im Krankenversicherungsgesetz.
«Dieser dritte Prämienschock in Folge bringt viele Versicherte in finanzielle Schwierigkeiten. Das gilt besonders für Familien, die bisher keine individuelle Prämienverbilligung erhalten haben», liess sich Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly in einem Communiqué vom Donnerstag zitieren. Auch Hypothekarzinsen, Mieten, Energie- und Lebensmittelpreise seien in den letzten Jahren gestiegen.
Konsumentenschutz sieht ein Gesundheitsrisiko
Die Stiftung für Konsumentenschutz sieht in den steigenden Krankenkassenprämien eine enorme Belastung für Haushalte mit tieferen und mittlerem Einkommen. Die neuen Preise würden ein Gesundheitsrisiko nach sich ziehen, da immer mehr Menschen aus finanziellen Gründen auf notwendige medizinische Behandlungen verzichteten.
Im Jahr 2023 sei dies bei einem Fünftel der Schweizer Bevölkerung der Fall gewesen, teilte der Konsumentenschutz am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Das sei ein Armutszeugnis für ein wohlhabendes Land wie die Schweiz.
Der Konsumentenschutz fordert Bundesrat und Parlament dringend zum Handeln auf. Massnahmen wie ein Referenzpreissystem für Generika, höhere Prämienverbilligungen und unabhängige Kontrollen gegen fehlerhafte Spital- und Arztrechnungen könnten die Kosten dämpfen.
Den Konsumentinnen und Konsumenten bleibe nur die Möglichkeit, einen Wechsel des Versicherungsmodells oder Krankenkasse, um Geld zu sparen, so der Konsumentenschutz. (sda/daf)
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pserratore
👍
Sonnenliebe
Das ist richtig so und auch wichtig!