Syrerin aus Basel: «Ich liebe Basel. Würde mein Land aber gerne besuchen gehen.»
Stefan Zischler
Nouran Al Ghamian musste als politische Aktivistin aus Syrien flüchten. 2017 kam Sie in die Schweiz und will auch weiterhin gerne hier bleiben. Ihre Zukunft und das ihres Landes sind ungewiss.
Baseljetzt: Nouran Al Ghamian in Syrien haben sich innert kurzer Zeit die Ereignisse überschlagen, Assad ist gestürzt. Wie hast du diese Nachricht aufgenommen?
Nouran Al Ghamian: Ich selber war auch Aktivistin in Syrien und kam deswegen 2012 ins Gefängnis. Ich habe sehr unter Assads Regierung gelitten. Als ich die Nachricht erhielt, dass er nicht mehr an der Macht ist, war das eine Flut von Gefühlen. Es war wie ein Traum. Nach über 50 Jahren der Diktatur der Familie Assad, war es schwer vorstellbar, etwas anderes erleben zu dürfen. Ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist. Bin aber auch besorgt, wie es weitergehen wird.
Wie geht es dir jetzt?
Eine Menge Emotionen und Gedanken. Da alles noch ungewiss ist, ist es im Moment schwierig, sich ein klares Bild zu machen. Aber das stärkste Gefühl ist im Moment sicherlich die Freude.
Hast du Bekannte vor Ort und weiss, wie es ihnen geht?
Glücklicherweise lebt meine unmittelbare Familie nicht in Syrien und ist nicht direkter Gefahr ausgesetzt. Leider sind in den letzten 13 Jahren andere Verwandte ums Leben gekommen. Für die Menschen vor Ort ist es immer noch weitgehend unsicher. Es gibt keinen Strom, kein Wasser, kein Geld, kein Brot. Die Situation dort ist nach wie vor katastrophal. Ich habe von einigen Bekannten gehört, dass sie nach Damaskus zurückgekehrt sind. Für sie ist die Lage immer noch sehr chaotisch, aber viel besser als vorher. Für sie, wie auch für mich, ist die Angst vor Israel jetzt besonders bedrückend. Sie haben heute schon wieder verschiedene Orte bombardiert. Das ist beängstigend.
Wie sieht deine Situation in der Schweiz momentan aus?
Ich lebe seit 2017 in der Schweiz und habe eine B-Bewilligung als Flüchtling. Ich wohne seit Jahren in Basel. Meine Tochter ist in der ersten Klasse und lebt ebenfalls mit ihrem Vater in Basel. Ursprünglich habe ich in Syrien Politikwissenschaften studiert. In der Schweiz habe ich in verschiedenen Jobs im Bereich Migration und Politik gearbeitet, z.B. als Dolmetscherin. Da ich meine letzte Arbeitsstelle verloren habe, ist für mich die Zukunft in der Schweiz ungewiss, wie für viele Syrer in anderen Ländern auch.
Wie bist du hierher gekommen?
In Syrien war ich als politische Aktivistin tätig und wurde als Gegnerin des Assad-Regimes 2012 inhaftiert. Deshalb musste ich flüchten. Ich lebte zunächst fünf Jahre lang in Jordanien und beendete dort mein Studium. Aber da Jordanien direkt neben Syrien liegt, war die Situation für mich immer noch sehr gefährlich. Also suchte ich Hilfe beim UNHCR, dem UN-Flüchtlingskommissariat. Zunächst vermittelten sie mir einen Platz in den USA, aber als Trump 2016 Präsident wurde, legte er alle Asylanträge von Syrern auf Eis. Danach wurde mir ein Platz in der Schweiz angeboten. Ich kannte nichts von der Schweiz, ausser dass es gute Schokolade und schöne Berge hat. Ich habe natürlich ja gesagt, weil es für mich in Jordanien nicht mehr sicher war.
Die Situation für verschiedene Personengruppen war während der Assad-Regierung sehr schwierig. Wie war die Situation für dich und wie schätzt du die Lage in der Zukunft ein?
Ich bin eine Frau, frei, nicht vermummt, mit Piercings und Tattoos und engagiere mit politisch. Das hat der syrischen Regierung in der Vergangenheit nicht gefallen. Wie es jetzt ist, ist schwierig zu sagen, da die Regierung noch nicht fest steht und unklar ist, welche Werte sie vertreten werden. Sie haben behauptet, dass sie alle Menschen willkommen heissen. Ob das so stimmt, wird sich zeigen. Von dem, was ich von den Leuten in Syrien mitbekommen habe, fühlen sie sich einigermassen sicher. Zumindest im Vergleich zu früher.
Wie schätzt du die Situation in Syrien ein? Bist du optimistisch?
Ja, ich bin optimistisch. Ich bin froh, dass ich nach dem Assad-Regime wieder Hoffnung schöpfen kann. Das hatten wir nach dem langen Kampf nicht erwartet. Es kam auch wenig bis keine Hilfe von Aussen. Auf der anderen Seite wurde Assad von Russland und dem Iran unterstützt. Ich bin aber zuversichtlich, dass jetzt ein Wandel stattfinden wird. Ich wurde auch gefragt, wie ich die islamischen Rebellen und den derzeitigen Anführer finde und muss sagen, dass ich grundsätzlich für eine Trennung von Staat und Religion bin. Ich bin aber sehr dankbar für alle Kämpfer, die sich all die Jahre für unser Land eingesetzt haben.

Glaubst du, dass jetzt demokratische Strukturen in Syrien gebildet werden?
Wir Syrer haben in den letzten 50 Jahren unter Assad und seinem Vater viel durchmachen müssen. Wir haben viel gelitten und gekämpft. In diesen harten Jahren haben wir viel Selbstvertrauen, Stärke und Widerstandsfähigkeit aufgebaut. Ich denke, wir sind jetzt bereit, unsere Stimmen mehr Gehör zu verschaffen. Ich glaube das wir als Bevölkerung logisch denken können und hoffe auf einen Wandel zur Demokratie. Aber wie ich schon sagte, ist die Situation im Moment schwer einzuschätzen.
Willst du zurück nach Syrien?
Ich würde Syrien sehr gerne wieder besuchen. Es ist derzeit sehr schwierig abzuschätzen, ob mich die neue Regierung akzeptieren würde. In der Schweiz konnte ich mich mittlerweile gut integrieren und würde gerne hier bleiben. Ich liebe Basel. Ich fühle mich hier zu Hause. Mir ist hier viel geboten worden, aber ich habe auch viel zurückgegeben und gearbeitet. Aufgrund meines Aufenthaltsstatus bin ich mir nicht sicher, ob die Schweiz mich wieder aufnehmen würde, wenn ich nach Syrien reisen würde. Deshalb ist es im Moment schwierig für mich, dorthin zu reisen. Ich hätte sehr gerne einen Schweizer Pass und somit ein sicheres Zuhause.
Wie sehen deine nächsten Schritte aus?
Zurzeit bin ich wegen einer Konferenz in Berlin, aber am Freitag werde ich wieder in Basel sein. Bei meiner letzten Stelle wurde ich entlassen und ich bin nicht sicher, ob ich in der Schweiz bleiben kann. Ich würde gerne wieder etwas mehr politisch aktiv werden. In Basel will ich mich mit anderen Syrern in der Schweiz in Verbindung setzten und schauen, wie wir von hier aus unseren Leuten im Land unterstützen können. Für eine bessere und sichere Zukunft in Syrien.
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Sonnenliebe
Sicher nicht!
Tarantinoo
super hey mega toll