
Personal geht wegen Veröffentlichung vertraulicher Verhandlungsinhalte an die Öffentlichkeit
Maximilian Karl Fankhauser
In einem offenen Brief an die Theaterleitung und den Verwaltungsrat verlangt das technische Personal, dass das Theater Basel seine Position in den GAV-Verhandlungen überdenkt. Das Theater wehrt sich.
Seit mehr als einem Jahr laufen die Verhandlungen zwischen dem technischen Personal und dem Theater Basel um die Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrages, dem die rund 230 Angestellten momentan unterstellt sind. Diese fordern eine Reduktion der Wochenarbeitszeit, Lohnerhöhungen und eine generelle Reduktion der Arbeitslast. Bis jetzt sei die Theaterleitung aber nicht auf die Forderungen der Mitarbeitenden eingegangen. Was zu Protestaktionen führte:
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Wie die Basler Zeitung berichtet, sei am 11. September 2024 an alle Mitarbeitenden eine Stellungnahme zu den «GAV-Verhandlungen Technik» verschickt worden. Darin soll die Theaterleitung beschrieben haben, wie sie sich die Arbeitsbedingungen vorstellen würde. Pikant: Diese Stellungnahme wurde von der Leitung auch der Redaktion der Basler Zeitung zur Verfügung gestellt.
Für die Mitarbeitenden und die Gewerkschaft VPOD ein grosser Vertrauensbruch. Denn dadurch seien Details aus den Verhandlungen der Öffentlichkeit preisgegeben worden. «Wir halten uns unsererseits an die Vertraulichkeitsabmachungen, sind nun aber auch gezwungen auszuführen, weshalb das Angebot vom Theater keine Lösung unserer Probleme darstellt, sondern diese gar noch intensiviert.» Dies schreiben die Mitarbeitenden am Mittwochabend in einem offenen Brief. Der Vertrauensbruch gefährde eine Lösung auf dem Verhandlungsweg massiv.
Unzählige Kompromissangebote
Sie wollen der Theaterleitung klarmachen, dass es seine Position in den laufenden Verhandlungen überdenken müsse. Auch die Zeit würde ablaufen. «Warum? Weil wir nicht mehr können», schreiben die Mitarbeitenden. Bereits jetzt, zu Beginn der Saison, würden viele von ihnen an ihre Grenzen stossen. Der jetzige Zustand sei aber keine Ausnahme, sondern zeichne sich schon lange ab und werde auch weiter anhalten.
«Die momentane Situation in der Planung führt dazu, dass ich teilweise nur einmal in der Woche mit meiner Familie am Tisch sitze. Meine Schlafgewohnheiten muss ich der Unregelmässigkeit des Betriebs ständig anpassen – und das oft sehr kurzfristig. Kurz gesagt: Die von mir erwartete Verfügbarkeit und Flexibilität verunmöglichen ein planbares Familienleben zeitweise vollkommen», lässt sich ein Mitarbeiter aus dem Vorstellungsbetrieb zitieren.
Die Mitarbeitenden hätten unzählige Kompromissangebote gemacht. Die Vorschläge, die bis jetzt gemacht wurden, seien Scheinlösungen und sie würden sich nicht ernstgenommen fühlen. «Sie, sehr geehrter Verwaltungsrat, bieten uns eine 40h-Woche an, die erst in 4 Jahren vollständig eingeführt werden soll – diesen Vorschlag können wir nun aufgrund des Vertrauensbruches auch nennen», schreiben die Mitarbeitenden weiter. Gleichzeitig soll eine sogenannte Jahreszeit eingeführt werden, was eine vollständige Flexibilisierung der Arbeitszeiten bedeuten würde.
Ruhetage nicht gewährt
«Eine Jahresarbeitszeit würde bedeuten, dass Mitarbeitende nach Willkür des Arbeitgebers monateweise bis zu 12 Stunden am Tag arbeiten müssten und dann in anderen Phasen wieder nur für 6 Stunden aufgeboten würden.» Dies verunmögliche jegliche Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. «Bereits heute müssen wir bis zu 11(!) Tage am Stück arbeiten. Dies nicht nur in Ausnahmefällen, sondern oft mehrmals hintereinander.» Dazwischen würden die vom GAV vorgeschriebenen Ruhetage oft nicht gewährt werden.
«Beim Probebetrieb für den Ring ist es momentan unmöglich, die im GAV vorgesehene Ruhezeit an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu bekommen. Das heisst, bis Ende Oktober habe ich kein Wochenende mehr frei – und ich hatte auch schon länger keines mehr frei. Auch arbeiten wir oft mit nur einem freien Tag zwischen langen Diensten. Das führt uns an den Rand des Zusammenbruchs», wird jemand aus der Beleuchtung zitiert.
Diese Arbeitslast und Flexibilität soll entsprechend entlohnt werden, schreiben die Mitarbeitenden. Und fordern deshalb Lohnerhöhungen. Die Mitarbeitenden mögen nicht mehr so weitermachen, mit den aktuellen Arbeitsbedingungen würde die Theaterleitung das technische Personal gefährden und somit auch die Zukunft eines attraktiven Theaters. «Denn ohne technisches Personal gibt es kein Theater.» Dem Personal sei bewusst, dass all seine Forderungen einen Paradigmenwechsel erfordert. «Aber wir können den Spruch ‹Das ist halt so im Theater› nicht mehr hören.»
Theaterleitung bedauert Gang an die Öffentlichkeit
Seit Sommer Sommer 2023 befindet sich das Theater Basel nun bereits in den Verhandlungen zum GAV mit dem technischen Personal. Am 2. September diesen Jahres haben die Gewerkschaften diese Verhandlungen unterbrochen und drohten, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Theaterleitung bedauere diesen wiederholten Gang an die Öffentlichkeit, wie das Theater Basel gegenüber Baseljetzt schreibt. «Eine öffentliche Auseinandersetzung über die GAV-Verhandlungen schadet dem Renommee des Theaters bei Publikum, Politik und privaten Förderern und gefährdet die Bemühungen um bessere finanzielle Rahmenbedingungen.»
Am 9. September habe der Verwaltungsrat die Forderungen der Gewerkschaften erneut intensiv diskutiert und daraufhin auch die Stellungnahme verfasst, die der Basler Zeitung vorgelegt wurde. «Obwohl in einigen Bereichen bereits spürbare Fortschritte erzielt wurden, konnte bei den zentralen Forderungen noch keine Einigung erreicht werden, trotz eines Angebots zur Arbeitszeitreduktion», schreibt das Theater weiter. Zudem seien von der Theaterleitung weitere Verhandlungstermine bis zum Jahresende vorgeschlagen worden. Die Gewerkschaft habe das letzte Treffen aber einseitig platzen lassen, was zu Verzögerungen führen würde.
Wiederaufnahme der Gespräche am 9. Oktober
Das Theater Basel gehe im Rahmen seiner Möglichkeiten auf die Anliegen der Belegschaft ein. Hierbei handle es sich um drei Hauptforderungen: Für Lohnerhöhungen habe man schlicht keine Mittel. Eine Reduktion der Arbeitszeiten sei ein grosses Wagnis, das die Theaterleitung aber unter gewissen Bedingungen bereit sei, einzugehen. Bei den Anpassungen der Dienstpläne sei bereits während der laufenden Verhandlungen Verbesserungen erzielt worden.
«Die Theaterleitung schätzt die Arbeit der Mitarbeitenden sehr und weiss, dass die Theaterarbeit oft anspruchsvoll ist, da viele dann arbeiten, wenn andere Freizeit haben.» Der Wunsch nach besseren Arbeitsbedingungen sei verständlich. Die Verringerung der Wochenarbeitszeit von 42 auf 40 Stunden sowie die zugesagten Verbesserungen für das technische Personal würden signifikante Fortschritte bedeuten und gäben dem Theater Basel als Arbeitgeber im Kulturbereich eine grössere Attraktivität. «Die Botschaft des Theater Basel ist, das es verhandlungsbereit bleibt und es fordert die Gewerkschaften auf, wieder an den Verhandlungstisch zu kommen.»
Dies sollte am 9. Oktober geschehen. Bis dann erwarten die Gewerkschaften und die technischen Mitarbeitenden ein konkretes Angebot.
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Sensifer
haben recht 👍🏻
spalen
da scheint ein bisschen selbstherrlichkeit in der chefetage zu existieren.
gottes lohn zu gewähren und aufopferungsvolle hingabe zu verlangen, ist vielleicht nicht mehr ganz angemessen.