
Todestag einer Protestikone: Irans Kurdenregion ist im Ausnahmezustand
Baseljetzt
Der gewaltsame Tod der iranischen Widerstandsikone Jina Mahsa Amini jährt sich zum ersten Mal. Der Machtapparat versucht mit strengen Vorkehrungen, Proteste in den Kurdengebieten zu verhindern.
An diesem Samstag jährt sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt – letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus. Ihre Eltern äusserten damals früh Zweifel an der staatlichen Darstellung, ihre Tochter sei infolge einer Erkrankung gestorben. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.
Vor allem die junge Generation ging in der Folge unter dem Slogan «Frau, Leben, Freiheit» gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Strasse. Die Staatsmacht liess die Proteste, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen. Auf Geheiss der iranischen Justiz wurden sieben Männer im Zusammenhang mit den Demonstrationen hingerichtet. Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht – in diesem Ausmass hat es das im Iran zuvor nicht gegeben.
Heimatort vor dem Todestag abgeriegelt
Aminis Heimatort Saghes wurde vor ihrem Todestag abgeriegelt, wie Bewohner der Region berichteten. Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Einsatzkräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschliessungen. Auch in anderen Städten traf der Machtapparat Vorkehrungen gegen mögliche neue Proteste. Während in den vergangenen Tagen weitgehend Alltag herrschte, waren vor allem nach Einbruch der Dunkelheit vermehrt Polizisten rund um öffentliche Plätze zu sehen.
Während Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran um ihre Sicherheit fürchten, sind in Deutschland und anderen Ländern Kundgebungen und Demos anlässlich des Jahrestags geplant. Bundesaussenministerin Annalena Baerbock versprach den Menschen im Iran weitere Unterstützung gegen Unterdrückung. «Wir setzen die Schicksale der Menschen im Iran in Brüssel, New York und Genf auf die Tagesordnung», erklärte die Grünen-Politikerin, die sich derzeit in den USA aufhält. Dort traf sie am Freitag (Ortszeit) die Tochter des im Iran wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd. Er ist einer von mehreren im Iran inhaftierten Deutschen.
Neue Sanktionen wegen Niederschlagung
Die USA und die EU verhängten im Vorfeld des brisanten Datums neue Sanktionen im Zusammenhang mit der brutalen Niederschlagung der Proteste. In Washington wurden am Freitag Strafmassnahmen gegen 25 iranische Personen, drei vom iranischen Staat unterstützte Medien und ein iranisches Unternehmen bekanntgegeben, das Nachforschungen im Internet anstellt.
Die USA handelten dabei in Abstimmung mit Grossbritannien, Kanada, Australien und anderen Partnern, die diese Woche ebenfalls Sanktionen verhängen wollten, teilte das Aussenministerium mit. Zudem habe man Visabeschränkungen gegen 13 iranische Beamte verhängt, die an der Verhaftung oder Tötung friedlicher Demonstranten sowie an der Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit beteiligt gewesen seien. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor zum ersten Todestag Aminis den Protestierenden anhaltende Unterstützung zugesichert.
Von den EU-Strafmassnahmen sind nach Angaben vom Freitag vier Personen sowie sechs Einrichtungen und Unternehmen betroffen. Dabei geht es unter anderem um zwei ranghohe Polizisten, einen Vertreter der Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte sowie mehrere Gefängnisse und die Nachrichtenagentur Tasnim, der von der EU unter anderem vorgeworfen wird, sie veröffentliche falsche Geständnisse von Protestteilnehmern. (sda/mal)
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