Unmengen illegaler Pornografie auf dem Rechner: Sexualstraftäter (56) erhält Freiheitsstrafe
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Prozess
Basel-Stadt

Unmengen illegaler Pornografie auf dem Rechner: Sexualstraftäter (56) erhält Freiheitsstrafe

09.10.2024 19:37 - update 10.10.2024 08:55
Leonie Fricker

Leonie Fricker

Im Prozess gegen einen 56-jährigen Deutschen hat das Basler Strafgericht am Mittwoch sein Urteil verkündet. Der Beschuldigte muss für zwei Jahre ins Gefängnis, von einem Landesverweis sah das Gericht ab.

Triggerwarnung: Dieser Artikel behandelt einen Gerichtsfall mit Vorwürfen von Vergewaltigung, sexueller Nötigung und harter Pornografie. Der Inhalt kann belastend sein.

Der 56-jährige Deutsche betrat am Dienstagmorgen in Fussfesseln und in Begleitung zweier Polizeibeamter den Gerichtssaal. Der Angeklagte wirkte sichtlich nervös, stand der Fünferkammer des Strafgerichts jedoch Rede und Antwort. Während der Verhandlung zeigte er sich reuig, bekannte sich aber nicht in allen Anklagepunkten schuldig.

Gerichtspräsidentin Dorrit Schleiminger wollte zunächst wissen, warum der Angeklagte nach seiner Verurteilung im Mai 2014 die Psychotherapie abgebrochen hatte. «Ich habe mich damals in der Gruppentherapie fehl am Platz gefühlt», sagte der Angeklagte. Zudem sei ihm nicht bewusst gewesen, dass die Teilnahme an der Therapie verpflichtend sei. «Heute bereue ich das sehr», sagte der 56-Jährige. Mehrfach betonte er am ersten Prozesstag seine Bereitschaft zur Therapie. Er wolle seiner pädophilen Neigung «auf den Grund gehen».

Dafür wurde der Beschuldigte bereits verurteilt

Der 56-jährige Deutsche wurde im Mai 2014 wegen mehrfacher sexueller Handlungen an einer Bewohnerin einer Basler Anstalt verurteilt. Zu den Übergriffen kam es, als der Beschuldigte in jener Anstalt als Sozialpädagoge tätig war. Schuldig gesprochen wurde er des Weiteren wegen sexueller Handlungen mit der 9-jährigen Tochter eines damaligen Freundes. Für diese Sexualstraftaten wurde er zu drei Jahren teilbedingter Freiheitsstrafe verurteilt und bekam die Weisung, sich einer ambulanten Psychotherapie zu unterziehen. (lef)

Laut Gutachten schuldfähig

Wie stark diese Neigung ist, wurde im Vorfeld des Prozesses im Rahmen eines Gutachtens ermittelt. Der Gutachter stellte die Ergebnisse am Dienstag vor Gericht vor. Demnach liegen bei dem Angeklagten eine sogenannte pädophile Nebenstörung sowie narzisstische, dissoziale und psychopathische Persönlichkeitsanteile vor. An der Schuldfähigkeit des Angeklagten gebe es keine Zweifel, so der Gutachter.

Dass das Amtsgericht Dorneck-Thierstein nach dem Urteil von 2014 nicht überprüft habe, ob der Beschuldigte tatsächlich an den Therapiesitzungen teilnimmt, sei nicht optimal gewesen. «Da hätte man sicher einiges anders machen können», so der Sachverständige weiter. Wegen der fehlenden Therapiemassnahme sei es aus heutiger Sicht schwierig, eine Prognose über das Rückfallrisiko zu stellen. Er gehe aber von einer «moderaten bis hohen» Gefahr einer erneuten Sexualstraftat sowie des erneuten Konsums und der Herstellung von Kinderpornografie aus. Eine Therapie könne dieses Risiko minimieren.

Hunderttausende Dateien mit harter Pornografie

In der Wohnung des Beschuldigten im Gundeliquartier fand die Polizei im März 2022 rund eine Viertelmillion Fotos mit kinderpornografischem Inhalt. Die Hausdurchsuchung war angeordnet worden, nachdem Fedpol einen Hinweis erhalten hatte, wonach der Beschuldigte im Internet Geld für Kinderpornografie überwiesen haben soll. Im Zuhause des Mannes wurden auch über 6000 kinderpornografische Fotomontagen sichergestellt, die der Deutsche selbst angefertigt hatte. Dazu verwendete er Ausschnitte aus Fotos, die er zum Teil im Tram oder auf der Herbstmesse von Minderjährigen gemacht hatte. Der Angeklagte gab am Dienstag zu, diese Bilder selbst hergestellt und konsumiert zu haben. Einen Grossteil habe er aber gelöscht. «Ich schäme mich sehr dafür.»

Über 200’000 der Dateien soll er vor einigen Jahren von einem Arbeitskollegen erhalten haben. Den Vorwurf, er habe seine selbst gemachten Fotocollagen eben diesem Bekannten geschickt, wies der Beschuldigte am Dienstag hingegen zurück. Er könne sich nicht erklären, wie die Bilder in seinen Besitz gekommen seien.

«Habe sie nie vergewaltigt»

Im Prozess gegen den 56-Jährigen wiegt der Vorwurf der mehrfachen Vergewaltigung seiner Ex-Freundin am schwersten. Hier wies der Angeklagte am Dienstag vor dem Basler Strafgericht jede Schuld von sich. Er sei «schockiert» gewesen, als er von den Vorwürfen erfahren habe. Er und seine ehemalige Partnerin hätten immer «eine gute Beziehung» gehabt. Ab und zu habe sie zwar «keine Lust auf Sex» gehabt. Er habe den Geschlechtsverkehr aber nie erzwungen. «Ich habe sie nicht einmal vergewaltigt», sagte er vor Gericht.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung ging Gerichtspräsidentin Schleiminger auf den Anklagepunkt der sexuellen Nötigung ein. Laut Anklageschrift soll der Mann seine Ex-Freundin mehrmals gewaltsam gezwungen haben, sein Geschlechtsteil zu berühren. Es sei zwar vorgekommen, dass er ihre Hand genommen und sie an seinen Penis geführt habe – auch wenn sie das zunächst nicht gewollt habe. Gewalt in der Beziehung habe es aber nie gegeben.

Die Plädoyers

Staatsanwältin Alexandra Frank beantragte am Dienstag vor der Fünferkammer des Strafgerichts einen Schuldspruch in allen Anklagepunkten. Die Ex-Freundin des Angeklagten habe 2023 im Rahmen einer Einvernahme ausgesagt, dass es vor dem Geschlechtsverkehr mehrfach zu einem «Gerangel» gekommen sei. Körperlich unterlegen habe sie den Sex über sich ergehen lassen und sich «tot gestellt». Ihre Angaben seien, so die Staatsanwältin weiter, weder aus Wut noch aus Rache erfolgt und sehr glaubhaft. Zum Vorwurf der sexuellen Nötigung liege vom Beschuldigten ausserdem teilweise ein Geständnis vor. Das Gutachten zeige seine Schuldfähigkeit sowie die Rückfallgefahr.

Den Konsum und die Herstellung harter Pornografie habe der Beschuldigte zugegeben. «Dafür hat er unschuldige und ahnungslose Mädchen fotografiert, ihre Hände und Gesichter für seine Collagen verwendet und diese verschickt», so Staatsanwältin Frank. Dass der 56-Jährige seine Taten derart herunterspiele, zeuge von seinem manipulativen Verhalten.

Die Staatsanwältin beantragte neun Jahre Freiheitsstrafe unter Einberechnung der jetzigen Sicherheitshaft, sowie einen Landesverweis. «Die hier lebende Bevölkerung muss vor dem Beschuldigten geschützt werden.»

Verteidiger Andreas Fischer rückte während seines Plädoyers in den Fokus, dass der Beschuldigte grosse Bereitschaft zeige, eine Therapie zu beginnen. In den Anklagepunkten der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung forderte der Verteidiger einen Freispruch. Der Staatsanwaltschaft sei es nicht gelungen, eine physische Aggression des Beschuldigten gegenüber seiner ehemaligen Partnerin nachzuweisen. «Er hat nie körperliche Gewalt angewendet, das ist zentral.»

Was die anderen Tatbestände betrifft, sei auffällig, dass der Beschuldigte den Grossteil der Kinderpornografie von seinem früheren Arbeitskollegen erhalten und das Meiste davon gelöscht habe, so der Verteidiger. Es sei des Weiteren nicht bekannt, wie die Fotocollagen in den Besitz dieses Kollegen gekommen sind. Er habe somit auch nicht in Kauf genommen, dass sich die Bilder unkontrolliert im Internet verbreiten. Des Besitzes harter Pornografie sei der Beschuldigte schuldig zu sprechen mit angemessenem bedingt ausgesprochenen Freiheitsentzug. Weiter sei eine Weisung zur Einzel- und Gruppentherapie sowie Bewährungshilfe anzuordnen, von einem Landesverweis solle abgesehen werden, fordert Verteidiger Fischer.

Zwei Jahre Freiheitsentzug

Am Mittwochnachmittag verkündete das Basler Strafgericht sein Urteil. Der Beschuldigte wurde von den Anklagepunkten der mehrfachen Vergewaltigung und sexuellen Nötigung freigesprochen. Wegen Konsums und Herstellung harter Pornografie erklärte ihn das Gericht hingegen als schuldig. Unter Einberechnung des Polizeigewahrsams wurde der 56-Jährige zu 24 Monaten Gefängnisstrafe verurteilt. Von einer Landesverweisung sah die Fünferkammer zugunsten einer ambulanten Massnahme ab. Ihm wurde zudem jegliche berufliche Tätigkeit, die den Kontakt mit Minderjährigen beinhaltet, lebenslänglich verboten.

Gerichtspräsidentin Dorrit Schleiminger begründete den Schuldspruch am Mittwoch mit der erheblichen Menge an Kinderpornografie, die in der Wohnung des Beschuldigten gefunden wurde. «Es bleibt eine unvorstellbar grosse Zahl», sagte Schleiminger. Zu seinen Ungunsten hätten sich auch die Vorstrafen ausgewirkt sowie die Tatsache, dass der Angeklagte während eines hängigen Verfahrens weiter straffällig wurde. Weil der Gutachter das Rückfallrisiko als mittel bis hoch einstufte, müsse die Strafe unbedingt ausgesprochen werden. Haftbegleitend muss er mindestens fünf Jahre lang ambulant therapiert werden, diese Massnahme kann verlängert werden, entschied die Fünferkammer des Strafgerichts.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Parteien können dagegen in Berufung gehen.

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