
Verteidiger von FCB-Fan kritisiert die Basler Polizei nach Massenschlägerei scharf
David Frische
Seit Montagmorgen wird am Basler Appellationsgericht eine wüste Massenschlägerei nach einem FCB-Match im Mai 2018 neu aufgerollt. Zürcher und Karlsruher Hooligans griffen damals die Basler Fans an.
Rund 40 Personen aus Zürich reisten am Abend des 19. Mai 2018 gemeinsam mit befreundeten Hooligans aus Karlsruhe extra nach Basel, um die FCB-Fans mit einem Angriff zu überraschen. Diese hatten zuvor das letzte Meisterschaftsspiel des FC Basel gegen den FC Luzern besucht, weder der FC Zürich noch GC noch der Karlsruher SC waren also an jenem Datum Gegner des FCB. Die Gruppierung «Zürichs Kranke Horde» ist ein fanübergreifender Zusammenschluss. Ihr Angriff mündete in einer wüsten Massenschlägerei von insgesamt rund 90 Personen. Mehrere Beteiligte wurden teils schwer verletzt.
Der Telebasel-Beitrag vom 20. Mai 2018:
Vier Beschuldigte fünf Jahre später erneut vor Gericht
Im Februar 2020 mussten sich vor dem Basler Strafgericht zwölf Männer verantworten. Zwölf von insgesamt rund 90. Dieser kleine Anteil an den insgesamt Beteiligten zeigt, dass vieles von dem, was an diesem späten Frühlingsabend im Mai geschah, trotz Videobilder wortwörtlich im Dunkeln liegt.
Acht Zürcher wurden schuldig gesprochen, auch die beiden Angeklagten aus Deutschland wurden verurteilt. Die Schuldsprüche reichen von mehrjährigen Freiheitsstrafen bis zu bedingten Geldstrafen. Ein Mann aus Baselland erhielt eine Geldstrafe aufgebrummt, der zweite Beschuldigte aus der Region wurde freigesprochen.
Vier der Beschuldigten sind nun fünf Jahre später in derselben Sache erneut vor Gericht. Drei von ihnen legten gegen die Urteile Berufung ein. Die Basler Staatsanwaltschaft tat dies ebenfalls. Sie fordert für die drei Beschuldigten härtere Urteile und ging bei einem weiteren Angeklagten in Berufung. Deshalb wird die Massenschlägerei vom Mai 2018 seit Montag am Basler Appellationsgericht neu aufgerollt und die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Bei den vier Beschuldigten handelt es sich um einen Mann aus dem Raum Karlsruhe, um zwei Männer aus dem Kanton Zürich und um einen Mann aus dem Kanton Baselland. Alle Vier erschienen am Montagmorgen vor Gericht.
Hat sich der FCB-Fan bloss gewehrt?
Beim Beschuldigten aus dem Baselbiet geht es um die Frage, inwiefern er an der Auseinandersetzung beteiligt war, oder ob er sich bloss gegen die Angreifer verteidigte. Das Strafgericht hatte den heute 36-Jährigen vom Vorwurf des Raufhandels freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft ging in Berufung. «Von ausschliesslicher Verteidigung kann nicht die Rede sein», so die Staatsanwältin vor dem Appellationsgericht. Der Beschuldigte habe die Auseinandersetzung geradezu «gesucht», er habe sich unterhalb der Plattform der Muttenzerkurve an der Birsstrasse an vorderster Linie der Basler eingereiht und die Gewalt vorangetrieben. Auf dem Videomaterial sei mindestens ein Faustschlag gegen einen Zürcher oder Karlsruher zu sehen. Die Staatsanwaltschaft fordert deshalb für den Basler Anhänger eine Geldstrafe.
Verteidiger: «Polizei platzte in Arztuntersuchung herein»
Dieser Darstellung widerspricht sein Verteidiger entschieden. Es sei klar, dass sich sein Mandant gegen den überraschenden Angriff der gewaltbereiten Zürcher und Karlsruher gewehrt habe. Und sollte man auf den Videos denn ein gewalttätiges Verhalten beim Baselbieter Beschuldigten erkennen, müsse man sich fragen, ob es sich dabei nicht um Notwehr oder Nothilfe gehandelt habe, so sein Anwalt.
Der Verteidiger kritisiert zudem die Ermittlungsarbeit der Basler Polizei scharf. Sie habe in der Beweisforschung unzulässige Methoden angewendet. «Die Polizei kann nicht einfach ohne konkreten Tatverdacht und ohne Hausdurchsuchungsbefehl ins Universitätsspital hereinspazieren, in eine ärztliche Untersuchung hereinplatzen und Fotos von meinem Mandanten machen.» Diese Fotos glichen die Ermittler:innen danach mit den Videoaufnahmen der Ausschreitungen ab und identifizierten so den Beschuldigten. Für seinen Verteidiger sind die Beweismittel «nicht verwertbar».
War der Beschuldigte aus Zürich überhaupt in Basel?
Bei einem der Angeklagten aus Zürich muss das Gericht die Frage klären, ob er am Abend des 19. Mai 2018 überhaupt in Basel war. Der Beschuldigte sagt, er sei gar nicht dort gewesen. Die Polizei fand nach der Massenschlägerei im Lehenmattquartier mehrere Zahnschutze am Boden. Auf einem von ihnen wurden DNA-Spuren sichergestellt, die später dem Beschuldigten zugeordnet wurden. Im Laufe der Ermittlungen unterlief den Behörden ein Fehler: Sie vertauschten die Nummer des Zahnschutzes mit jener eines anderen. Der Beschuldigte macht vor Gericht geltend, Opfer einer Verwechslung zu sein.
So befragte das Appellationsgericht am Montagmorgen zwei Fachpersonen der Basler Ermittlungsbehörden vor Gericht. Die Befragungen ergaben: Trotz der vertauschten Nummern habe sich herausgestellt, dass am Zahnschutz, der im Lehenmattquartier gefunden wurde, die DNA des Beschuldigten sichergestellt worden sei. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass eine andere Person diesen Zahnschutz trug, da sonst auch deren DNA auf dem Gegenstand gefunden worden wäre.
Zankapfel Zahnschutz: Was beweist er?
Nun steht das Gericht vor der Frage: Was beweist der Zahnschutz mit der DNA des Beschuldigten? Für die Staatsanwaltschaft ist die Behauptung des Angeklagten, dass er den Mundschutz an eine Drittperson weitergegeben habe und selbst nicht in Basel gewesen sei, eine «reine Schutzbehauptung». Es könne ausgeschlossen werden, dass eine Drittperson den Zahnschutz trug, sonst wäre deren DNA auch darauf festgestellt worden, argumentierte die Staatsanwältin. Sie fordert für den inzwischen 28-Jährigen 13 Monate Gefängnis wegen Raufhandels und Landfriedensbruchs.
Seine Verteidigerin kann die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehen. Klar sei einzig, dass ihr Mandant den Zahnschutz irgendwann einmal im Mund hatte. «Die DNA bleibt auf dem Mundschutz über Jahre erhalten.» Es könne nicht gesagt werden, wann ihr Mandant diesen Mundschutz trug. Er habe diesen schon mehrmals an Drittpersonen ausgeliehen. Wahrscheinlich hatte die Drittperson den Zahnschutz an jenem Abend nicht im Mund gehabt. Ihr Mandant sei zudem auf keiner Videoaufnahme zu sehen und man konnte ihm keine konkreten Verletzungen nachweisen. Die DNA-Spuren auf dem Zahnschutz seien «höchstens ein Indiz für eine mögliche Anwesenheit» des Mandaten in Basel, so die Verteidigerin. «Auf mindestens einem Video müsste man ihn sehen, wenn er denn da war.» Aus der Fanszene habe sich ihr Mandant zudem längst verabschiedet. Sie fordert, dass er freigesprochen wird.
Urteile am Dienstag
Die Verteidiger:innen der anderen zwei Beschuldigten, einem Deutschen und einem Mann aus dem Kanton Zürich, wehren sich gegen härtere Strafen für ihre Mandanten.
Das Appellationsgericht wird die Urteile am frühen Dienstagabend verkünden. Baseljetzt wird berichten.
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