Krawalle in Frankreich: Es sind erneut 45’000 Polizisten im Einsatz
©Bild: Keystone
Proteste
International

Krawalle in Frankreich: Es sind erneut 45’000 Polizisten im Einsatz

01.07.2023 09:27 - update 02.07.2023 09:04

Baseljetzt

Aufgrund der anhaltenden Unruhen in Frankreich sollen in der Nacht auf Sonntag erneut 45’000 Polizisten im Einsatz sein. Präsident Emmanuel Macron hat seinen Deutschlandbesuch abgesagt.

Aufgrund der anhaltenden Krawalle hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland abgesagt. Die von Sonntag bis Dienstag geplante Reise solle baldmöglichst nachgeholt werden, teilte das Bundespräsidialamt mit. Auch der Élysée-Palast in Paris bestätigte die Absage.

Es wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren gewesen. Aus Sicht des Bundespräsidialamts sollte dabei die deutsch-französische Freundschaft gefeiert und zugleich ein neues Kapitel aufgeschlagen werden.

Doch nun muss die Aussenpolitik warten und Macron sich erneut um die Innenpolitik kümmern. In der Nacht zum Samstag wurden einem vorläufigen Bericht des Innenministeriums zufolge 1311 Menschen festgenommen – deutlich mehr als in den Nächten zuvor. 406 Menschen wurden demnach allein in Paris festgenommen. 79 Polizisten seien verletzt worden. In der Nacht zuvor waren es deutlich mehr.

Beerdigung des 17-Jährigen am Samstagnachmittag

Auslöser der Unruhen war der Tod eines 17-Jährigen bei einer Polizeikontrolle am Dienstag. Eine Motorradstreife in Nanterre bei Paris hatte den 17-jährigen Nahel am Morgen am Steuer eines Autos gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Der Vorfall sorgte landesweit für Bestürzung, Frankreich wird seitdem von heftigen Unruhen erschüttert. Der Polizist, der für Nahels Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.

Ab Samstagnachmittag richten sich die Blicke wieder auf Nanterre, dem Heimatort des erschossenen 17-Jährigen nahe Paris. Er soll dort beigesetzt werden. Medienberichten zufolge wünscht die Familie keine Journalisten bei der Beerdigung.

«Le Parisien» berichtete, dass gegen Mittag ein weisser Sarg in der Moschee aufgebahrt wurde. Rund um das Gebäude sei eine Sicherheitszone errichtet worden, zu der nur ausgewählte Personen Zutritt bekommen hätten. Die Zeitung «Le Figaro» schrieb, dass Hunderte Menschen an den Trauerfeierlichkeiten teilnahmen.

Erneut 45’000 Polizisten im Einsatz

Die Unruhen griffen derweil nicht nur auf die belgische Hauptstadt Brüssel über, sondern auch auf französische Überseegebiete in der Karibik, wo ein Mensch durch einen Querschläger ums Leben kam.

Krawalle in Frankreich: Es sind erneut 45'000 Polizisten im Einsatz
Der französische Innenminister Gérald Darmanin ist wegen der grossen Unruhen unter Druck. Bild: Keystone

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin sagte am frühen Samstagmorgen, dass die Gewalt in dieser Nacht von «geringerer Intensität» gewesen sei als zuvor. Er setzte landesweit 45’000 Polizisten in der Nacht ein, darunter auch Spezialkräfte. Doch trotz der massiven Polzeipräsenz mit gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern kam es vielerorts zu Bränden und Plünderungen. 1350 Autos sind dem Innenministerium zufolge ausgebrannt. Insgesamt habe es 2560 Brandherde auf öffentlichen Strassen gegeben. Ausserdem seien 31 Polizeiwachen angegriffen worden. In der vorherigen Nacht waren den Behörden zufolge noch 1900 Autos ausgebrannt.

In der Nacht zum Sonntag sollen erneut 45 000 Polizisten im Einsatz sein. Besonders in Lyon und Marseille würden die Sicherheitsmassnahmen verstärkt, teilte Innenminister Gérald Darmanin am Samstagabend im Fernsehsender BFMTV mit.

Während es im Grossraum Paris ruhiger zuzugehen schien als in den Nächten zuvor, spitzte sich die Lage im Süden Frankreichs zu. In Marseille wurde Medienberichten zufolge eine Waffenkammer geplündert, und sieben Gewehre gestohlen. Die Polizeigewerkschaft Alliance Police sprach im Fernsehsender franceinfo von einer «Nacht voller Chaos mit Szenen beispielloser Gewalt gegen die Polizei, Plünderungen, Mörserfeuer.» In Lyon explodierte ein Postamt. Im ganzen Land wurden Rathäuser in Brand gesteckt.

Nachtfahrverbote für Busse und Strassenbahnen

Die Regierung antwortete am Freitag auf die Randale unter anderem mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Beispielsweise sollen Strassenbahnen und Busse bis auf Weiteres nicht mehr nachts fahren, Grossveranstaltungen wurden abgesagt und der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten.

Da viele der Randalierer nach Angaben der Regierung sehr jung sind, appellierte Präsident Emmanuel Macron an das Verantwortungsbewusstsein der Eltern und machte die sozialen Medien für die Gewalteskalation verantwortlich.

Ausschreitungen auch in französischen Überseegebieten

Im Zusammenhang mit den Unruhen in Frankreich kam es auch in einigen französischen Überseegebieten zu Ausschreitungen. In Cayenne, der Hauptstadt des südamerikanischen Französisch-Guayana, wurde ein Mann in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) durch einen Querschläger getötet, wie die örtlichen Behörden mitteilten. Nach Medienberichten handelte es sich bei dem Mann um einen Mitarbeiter der Lokalverwaltung. Der Präfekt Thierry Queffelec verbot nach offiziellen Angaben daraufhin am Freitag für die folgenden zwei Nächte das Tragen von Waffen und bis Montag den Transport brennbarer Stoffe.

Auch im karibischen Überseegebiet Martinique kam es nach einem Bericht des regionalen Portals France-Antilles in der Nacht zum Freitag zu Gewalt. Etwa 20 bis 30 Vermummte warfen demnach in der Hauptstadt Fort-de-France mit Steinen auf Polizisten. An mehreren Orten seien Mülltonnen angezündet worden.

Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel kamen am Freitagnachmittag als Reaktion auf den Tod des 17-Jährigen erneut Jugendliche zusammen. Einer Polizeisprecherin zufolge versammelten sie sich nach einem Aufruf in sozialen Netzwerken an verschiedenen Orten. Zwischenzeitlich seien rund 50 Menschen präventiv festgenommen worden, hiess es. Bereits am Donnerstagabend war es in der belgischen Hauptstadt zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Ordnungskräften gekommen.

Macron wollte sich einem Bericht des Fernsehsenders BFMTV zufolge noch am Samstag mit verschiedenen Bürgermeistern treffen, um über die Lage zu beraten. Einige Kommunalpolitiker hatten Ausgangssperren und eine Verstärkung der Polizei gefordert.(sda/daf)

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.