
Völkerschauen: Ein dunkles Kapitel in der Zolli-Geschichte
Jennifer Weber
Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert waren sie beliebt in Europa – und auch im Zoo Basel fanden zwischen 1879 und 1935 21 Völkerschauen statt. Ein Blick auf dieses dunkle Kapitel des Zollis.
29. Mai 1898: «Im Zoologischen Garten wird eine Familie Mahdi-Krieger ausgestellt.» So kurz und knapp hielt die Basler Chronik damals fest, was aus heutiger Sicht äussert verwerflich ist.
Menschen in Zoos auszustellen, «war eine im späten 19. und 20. Jahrhundert verbreitete und populäre Erscheinung», heisst im Basler Stadtbuch. 21 solcher Völkerschauen wurden zischen 1879 und 1935 alleine im Zoo Basel durchgeführt.
«Betonung des ‹Wilden›, des ‹Kriegerischen›, des ‹Unzivilisierten›»
Diese Schauen hätten dazu beigetragen, dass der «chronisch defizitäre» Zolli überleben konnte. Eine Singhalesen-Ausstellung im Jahr 1885 habe beispielsweise 12’000 Schaulustige an einem Tag angelockt. Dazu muss angemerkt werden: Der Zoo Basel war zu jener Zeit noch um einiges kleiner als heute. Während einer Völkerschau, die zwei bis drei Wochen dauerte, habe der Zolli durchschnittlich etwa 20 Prozent aller Besucher:innen eines ganzen Jahres anlocken können.
Im Zolli – und auch in anderen Zoos – seien die Menschen meistens umzäunt gezeigt worden. Dies, auch wenn sie keine Tiere bei sich gehabt haben. Ausserdem durften sie den Zoo nicht verlassen. In den letzten Völkerschauen in den 20er- und 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts seien die Ausstellungen auf eingezäunten Festmatte durch «Eingeborenendörfer» abgelöst worden.

Dabei habe es sich um «einen mit hohen Brettern eingezäunten Bereich des Gartens, der den Besuchern und Besucherinnen gegen Entrichtung eines Spezialeintrittes zugänglich war», gehandelt. Die Besucher:innen hätten so, dort, wo heute das Flamingo-Gehege angesiedelt ist, zwischen spielenden Kindern, Handwerkern, kochenden Frauen, etc. herumgehen können. Im Vordergrund dieser Schauen hätten gemäss Basler Stadtbuch «die Betonung des ‹Wilden›, des ‹Kriegerischen›, des ‹Unzivilisierten›» gestanden.
Bis 1935 durchgeführt
«Die Tatsache, dass die Menschenausstellungen in zoologischen Gärten gezeigt wurden, widerspiegelte das bis heute in gewissen Köpfen herumspukende Konzept einer Rassenhierarchie, die Völker in der Nähe der Tiere ansiedelt, um dann aufsteigend zur höchsten Stufe des Menschheitsgeschlechts zu gelangen, dem weissen Europäer», hält das Basler Stadtbuch 1992 fest.
Nicht nur in Zoos wurden Menschen ausgestellt. Auch an grossen Welt- und Kolonialausstellungen sowie auf Jahrmärkten war «die Zurschaustellung von andersfarbigen Menschen eine bekannte Attraktion».
Das Besuchendeninteresse nahm gegen Ende der 1920er-Jahre langsam ab. So hielt der Zoo Basel im Jahresbericht 1926 fest, dass diese Völkerschauen «etwas aus der Mode gekommen zu sein» scheinen. Die Letzte fand schliesslich im Jahr 1935 statt.
Die Informationen in diesem Artikel stammen aus dem Basler Stadtbuch.
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GLOBA
Als es noch keinen Massentourismus gab und jeder bis in die hinterste Ecke der Welt reisen wollte, fand ich die Völkerschauen im Zolli gut!
PJPM
Damals war es gut zu sehen, was in anderen Ländern Usus ist. Billigflüge gab es nicht. Es war ein kultureller Austausch. Sich jetzt darüber zu empören wäre einfach und schlicht falsch, die Bedingungen waren anders. Kein Internet, kein Massentourismus, keine Billigflüge, keine sozialen Medien, folglich holte man die Informationen “analog” zum Zuschauer. Heute wird gleich “verwerfliches” gemacht, nur halt übers Internet. Der Voyeurismus ist derselbe, nur das Medium hat geändert.
snape
Das Problem war, es gab keinen „Austausch“ der sinn und Zweck war bloss: „schaut Euch mal diese primitive Wilden an.“ wobei ich heute auch nicht meine Hand ins Feuer halten würde für die innere Haltung gewisser Toutisten.