Nach Hammer-Attacke: Täter muss in die geschlossene  Psychiatrie
©Bilder: Keystone
Strafprozess
Basel-Stadt

Nach Hammer-Attacke: Täter muss in die geschlossene Psychiatrie

23.03.2023 16:15 - update 23.03.2023 17:06
Maximilian Karl Fankhauser

Maximilian Karl Fankhauser

François Villeroy de Galhau, Chef der französischen Zentralbank, wurde im Juni 2022 in Basel mit einem Hammer niedergeschlagen. Heute Donnerstag findet die Urteilsverkündung statt.

Der Angeklagte, ein 39-Jähriger Schweizer, soll im letzten Sommer den Chef der französischen Zentralbank, François Villeroy de Galhau, am Centralbahnplatz mit einem Hammer angegriffen und verletzt haben. Er weist jegliche Schuld von sich. Seit Mittwoch, 8:15 Uhr, muss er sich vor dem Basler Strafgericht wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verantworten. Heute Donnerstag, am zweiten Prozesstag, folgt nun die Urteilsverkündung. Baseljetzt berichtet live.

Urteil: Der Angeklagte habe sich Schuldlos der vorsätzlichen Tötung strafbar gemacht. Es wird zudem eine stationäre psychiatrische Behandlung anzuordnen. Seine Schutzhaft verlängert sich bis am 15. Juni 2023.

Begründung: Der Antrag der Täuschung, welche der Verteidiger und der Angeklagte gestellt haben, wurde abgelehnt. Der Angeklagte sei immer im Wissen der Vorwürfe gegen ihn gewesen. Zudem habe er sich bei der Einvernahme nie selbst belastet und ist immer bei der Meinung geblieben, dass er angerempelt wurde und unschuldig sei. Alle Beweismittel sind somit verwertbar.

Neben den Zeugenaussagen sind zudem auch DNA-Spuren des Angeklagten am Hammer festgestellt worden. Der Richter liest nun mehrere Passagen von Aussagen, die die Aktion beschreiben. Es sind dies belastende Aussagen dem Angeklagten gegenüber. Es sind sich alle einig: Die Person, die von der Polizei mitgenommen wurde, ist der Täter. Zudem belastete ihn gestern ein Zeuge schwer. Es werden viele Aussagen wiederholt, die gestern bereits erwähnt wurden, diese Begründen das Urteil.

Die Beschreibungen der Zeuginnen und Zeugen würden alle sehr fest auf den Angeklagten passen, was sonst in solchen Strafrechtsfällen eher selten der Fall sei. Auch dass sich die Zeuginnen und Zeugen abgesprochen haben sollten, sei nicht möglich und deswegen ein kein valables Argument zur Entlastung des Angeklagten.

Auch dass nur die fünf Zeugen, die ihn belastet hätten, Aussage tätigten und die 95, die ihn entlastet hätten, keine Vorladung erhielten, sei eine Behauptung, die klar tatsachenwidrig sei. Auf ein von der Staatsanwaltschaft aufgeschalteter Zeugenaufruf habe sich niemand gemolden.

Den Vorwurf, die Staatsanwaltschaft habe den Geschädigten nicht befragt stimme nicht. Diese war bei ihm im Spital. Die Frage, ob er etwas gesehen habe, negierte dieser, da er von hinten angegriffen wurde und danach zu Boden ging. Wenn zudem die Verteidigungsseite eine Befragung des Geschädigten hätte haben wollen, hätte sie diese längst anfordern können. Dies sei aber nicht geschehen.

Ausserdem passen die Beschreibungen des Vorfalls aus Zeugensicht nicht mit den Erzählungen des angeklagten zusammen. Rein zeitlich hätte es nicht sein können, dass er gestossen wurde, da der Geschädigte den ersten Schlag im Stehen erhielt.

Die Auswertung des Mobiltelefons habe ausserdem ergeben, dass er mehrfach gezielt auf die Seite der BIZ und die Traktandenliste des Meetings geklickt habe. Darauf sei nichts über Zinsen und Zinsentwicklung zu sehen, wie es der Angeklagte behauptet hat. Der Richter befindet, dass wenn ein Angreifer sein Opfer mit einem Hammer angreife und mehrfach auf den Kopf einschlage, würde dieser zumindsest den Tod in Kauf nehmen.

Die Wortwahl des Verteidigers, als er das Gutachten als schlampig bezeichnete, gehöre nicht in einen Gerichtssaal. Das Gericht müsse sich, sofern es keine eindeutigen Hinweise gebe, auf ein solches Gutachten stützen. Der Vorwurf der Einflussnahme des Gutachters wird ebenfalls nicht goutiert. Auch dass die Explorationen, deren drei es gab, viel zu wenig waren, stimme so nicht. Mit rund neun Stunden seien diese bereits an der oberen Grenze anzuordnen. Denn wenn diese über einen längeren Zeitraum stattfinden würden, könne der Gutachter seine Unabhängigkeit verlieren. Auch die Akten, die verwendet wurden, seien alle angegeben worden. Weitere Personen, die vom Gutachter hätten befragt werden müssen, seien nicht genannt worden.

Das Gutachten sei lege artis erstellt worden, also würde sich auch auf die Diagnose der paranoiden Schizophrenie gestützt werden. Auch die Krankheitsgeschichte würde einiges klären. Denn bereits 2014 wurde beim Angeklagten eine Verdachtsdiagnose auf paranoide Schizophrenie gestellt. auch ein ihn über wenige Monate behandelnder Arzt gab zu Protokoll, dass sich der Angeklagte psychotisch verhielt und keine Krankheitseinsicht hatte. Auch Verschwörungstheorien, die der Angeklagte immer wieder anschnitt, würden auf wahnhafte Vorstellungen hinweisen. Zudem sei dies auch bereits bei einer Schwester und der Mutter diagnostiziert worden.

Dass der Angeklagte seit 2014 nicht mehr gearbeitet hat, konnte er mit der Pflege seines Vaters plausibel begründen. Das Gericht empfindet dies als bemerkenswert, als das es dem Angeklagten Halt und Struktur im Leben gegeben habe. Dass er sich sich aber in den vier Jahren nach dem Tod seines Vaters auch nicht um Arbeit gekümmert habe, sei nicht eines durchschnittlichen Bürgers würdig.

Die von der Verteidigung angesprochene hohe Kadenz an Sozialkontakten sei aus der Erzählung über den Tagesablauf des Angeklagten nicht zu erkennen. Das Gericht kommt zum Schluss, dass die Diagnose der paranoiden Schizophrenie so stimmen würde. Die Gesamtbetrachtung des Gutachter sei sehr schlüssig, weswegen es auch die hohe Rückfallquote des Angeklagten sehe. Dass es die erste Tat des Angeklagten sei, würde nicht davor schützen, dass es wieder vorkommen könne. Der Angeklagte sei zudem Handlungsbedürftig, es gebe aber auch Institutionen, die ihn medikamentös und therapeutisch behandeln können und somit die Rückfallgefahr mindern. Eine ambulante Therapie könne dies alles nicht leisten.

Bei einer schuldfähigen Person hätte dieses Delikt zu einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geben können. Deswegen sei eine stationäre Behandlung sehr verhältnismässig. Die Schutzhaft müsse zudem verlängert werden.

Kosten werden dem Angeklagten keine auferlegt, da er für Schuldunfähig befunden wurde. Er hat nun die Möglichkeit, das Urteil anzunehmen, es weiterzuziehen oder sich zehn Tage Gedanken darüber machen.

Plädoyers in entgegengesetzte Richtungen

Am gestrigen Morgen war vor allem das psychiatrische Gutachten ein Thema. Der Gutachter diagnostizierte beim Angeklagten eine paranoide Schizophrenie. Diese Diagnose wurde vom Verteidiger sowie auch vom Gutachter in Frage gestellt. Für den Staatsanwalt ist das Gutachten felsenfest. Ebenfalls wurde ein Zeuge vorgeladen, der den Angeklagten schwer belastete.

Am Nachmittag wurde der Angeklagte selbst noch einmal befragt, dieser beteuerte seine Unschuld durchgehend. Er sei Opfer eines Irrtums geworden. Der Staatsanwalt forderte, dass festgestellt werde, dass die beschuldigte Person die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der ihr zur Last gelegten Straftat zwar in rechtswidriger Weise erfüllt hat, bei der Begehung derer aber Schuldunfähig gewesen sei. Zudem sei die vom psychiatrischen Gutachter vorgeschlagene stationäre psychiatrische Behandlung anzuordnen. Zudem solle der Beschuldigte bis zur Rechtskraft des Urteils weiterhin in Schutzhaft bleiben.

Der Verteidiger hingegen plädierte, dass es sich um ein schlampiges, nicht qualitatives Gutachten handle. Er bat den Richter, sich nicht darauf sich nicht auf dieses abzustützen Die Fragen konnte der Gutachter laut dem Verteidiger nicht beantworten, er tätigte nicht zulässige Diagnosen. Deswegen sei sein Mandant freizusprechen, die Frage des Vollzugs stelle sich deswegen nicht. Bei einem allfälligen Freispruch fordere sein Mandant eine Genugtuung.

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.