
Anklage fordert fast 10 Jahre Freiheitsstrafe für Brian
Baseljetzt
Der landesweit bekannte Gefängnisinsasse Brian soll eine weitere Freiheitsstrafe von fast zehn Jahren erhalten. Dies forderte der Staatsanwalt Montags. Die Anwälte des 28-Jährigen beantragen seine Freilassung.
Seit bald zwei Jahren sitzt Brian nicht mehr in Isolationshaft im Gefängnis Pöschwies, sondern im Gefängnis Zürich. Gemäss Rapporten ist er dort angepasst, höflich und korrekt. Der 28-Jährige knüpft Kontakte zu Mithäftlingen, hält sich an Abmachungen und akzeptiert auch mal ein «Nein», zumindest meistens.
«Er kann sich an Situationen anpassen, aber er ist kein anderer Mensch», sagte einer der Gutachter, die beim ersten Prozesstag vor dem Bezirksgericht Dielsdorf befragt wurden. Brians Persönlichkeitsstruktur sei unverändert, da er sich jeglicher Therapie verweigere. Der Angeklagte blieb dem Prozess fern.
Freilassung wäre «ein grosses Experiment»
Dies zeigte sich etwa im Mai, als die Aufseher Brians Handy konfiszierten. Er hatte immer wieder Videos auf Instagram und TikTok gestellt und sich so eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut. Als sein Handy eingezogen wurde, stiess er Drohungen aus und beschädigte Gegenstände – allerdings ging er nicht auf Menschen los.
Was das für ein Leben «draussen» bedeuten würde, konnte der Gutachter nicht beantworten. Eine allfällige Freilassung wäre seiner Ansicht nach «ein grosses Experiment».
Staatsanwalt fordert keine Verwahrung mehr
Die Diskussion um «draussen» wurde deshalb geführt, weil der Staatsanwalt ausschliesslich eine Freiheitsstrafe mit einem klaren Ende beantragte – keine Verwahrung wie bei früheren Prozessen.
Er forderte für 30 Angriffe auf Aufseher und Mithäftlinge in der Pöschwies eine Freiheitsstrafe von 9 Jahren und 7 Monaten. Beim schwersten neu angeklagten Delikt, einer versuchten schweren Körperverletzung, soll Brian eine Glasscherbe in Richtung eines Aufsehers geworfen haben. Dieser wurde oberhalb des Auges verletzt.
Daneben geht es um drei einfache Körperverletzungen, sieben Sachbeschädigungen, fünf Drohungen und 19 Fälle von Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Weil Brian schon seit Jahren im Gefängnis sitzt, hätte er aber selbst die beantragte Strafe von fast zehn Jahren bald zu zwei Dritteln abgesessen. Theoretisch könnte er dann bedingt entlassen werden.
Zweites Verfahren am Obergericht hängig
Allerdings ist noch ein weiteres Verfahren gegen ihn hängig: Das Obergericht klärt aktuell mit Hilfe von Gutachtern ab, ob der 28-Jährige vor allem wegen der rigiden Haftbedingungen aggressiv wurde. Erst Mitte 2024 oder noch später dürfte das Obergericht dieses neue Urteil fällen.
Dort geht es um weitere 6 Jahre und 4 Monate, ebenfalls wegen Delikten in der Pöschwies. Es ist gut möglich, dass er dann wieder ins Gefängnis muss – oder bis Mitte 2024 gleich im Gefängnis bleibt, wenn das Gericht dies angezeigt findet.
2,5 Millionen für «Horror-Haftbedingungen»
Seine Anwälte fordern einen Freilassung sowie rund 2,5 Millionen Franken Genugtuung und Schadenersatz für die «Horror-Haftbedingungen» in absoluter Isolation. Brian habe lediglich auf die jahrelange Isolationshaft und auf die rassistische und bösartige Behandlung reagiert. Die Einzelhaft sei zudem erwiesenermassen verboten gewesen. «Deshalb durfte er sich wehren.»
Tatsächlich übte auch ein Gutachter Kritik am Zürcher Justizvollzug. Er untersuchte im Auftrag des Obergerichts das Haftregime in der Pöschwies und kam zum Schluss, dass diese Haftbedingungen das aggressive Verhalten von Brian erheblich verschärft hätten.
Gewisse Einschränkungen seien zulässig, etwa zum Schutz für andere Personen, sagte der Gutachter. Die Institution, in diesem Fall die Pöschwies, müsse aber «alles Mögliche unternehmen, um die Standards einzuhalten». Dies sei nur unzureichend getan worden.
Brian ist dispensiert
Eine Einzelhaft von dreieinhalb Jahren sei menschenrechtlich zudem klar verboten. Damit stützte der Gutachter die Einschätzung von Nils Melzer, dem früheren Uno-Sonderberichterstatter für Folter, der den Zürcher Justizvollzug ebenfalls stark kritisiert hatte.
Brian selber blieb dem Prozess fern. Weil er sich nicht in Hand- und Fussfesseln vorführen lassen wollte, wurde er dispensiert. Der Richter bedauerte dies. Er hätte Brian gerne «persönlich gesehen und angehört». Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Urteilseröffnung ist am 8. November. (sda/amu)
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