
Auch wegen Ukraine-Krieg: Flüchtlingszahlen auf Rekordhöhe
Baseljetzt
Weltweit ist die Zahl an Geflüchteten auf eine nie dagewesene Höhe angestiegen: Rund 110 Millionen Menschen sind momentan auf der Flucht. Es werden Forderungen zur Ursachenbekämpfung laut.
Ukraine, Afghanistan, Sudan: Weltweit ist die Zahl der Vertriebenen und Flüchtlinge auf einen Rekord gestiegen. Aktuell sind rund 110 Millionen Menschen auf der Flucht, Zweidrittel davon in ihren Heimatländern, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Mittwoch in Genf berichtete. Die Organisation verlangt mehr Anstrengungen, um Fluchtursachen zu bekämpfen und Flüchtenden beizustehen. Im Juni 2022 waren rund 100 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen.
Die Zahlen seien verheerend, sagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi. «Es ist ein Armutszeugnis für den Zustand unserer Welt», meinte er. Es gebe immer mehr Krisen, aber kaum Lösungen. Für 5,7 Millionen im eigenen Land Vertriebene endete die Flucht im vergangenen Jahr, aber nur 340 000 Flüchtlinge kehrten aus dem Ausland in ihre Heimat zurück.
Geflüchtete haben schlechten Ruf
Migration und Flucht dürften nicht in einem Topf geworfen werden, sagte Grandi. Wenn reichere Länder mehr legale Wege der Einwanderung für Menschen böten, die in einem anderen als ihrem Heimatland Arbeit suchten, würden weniger Migranten Asyl beantragen, sagte er. Asyl und ähnlicher Schutz ist Menschen vorbehalten, die vor Krieg, Konflikten, Verfolgung und Gewalt fliehen. Nach der UN-Flüchtlingskonvention sind alle Länder verpflichtet, sie aufzunehmen.
Weil legale Migrationswege fehlten, seien die Asylsysteme überlastet, sagte Grandi. Behörden erkennen bei vielen Asylbewerbern angegebene Fluchtgründe aber nicht an. Schutzbedürftige gerieten in Verruf, sagte Grandi. In Deutschland wurden 2022 bei knapp 230 000 Asylentscheiden die Anträge von fast 50 000 Personen abgelehnt. Rund 50 000 weitere Fälle erledigten sich – etwa, weil Personen in anderen Ländern registriert waren oder Anträge zurückzogen.
Grandi äusserte die Befürchtung, dass sich die aktuelle Krise im Sudan ausweiten könnte. Noch seien Hunderttausende Geflohene in Nachbarländern untergekommen. Aber der Osten des Landes sei als Terrain von Menschenschmugglern bekannt. Wenn Recht und Ordnung im Sudan nicht bald wieder hergestellt würden, könnten diese Schmuggler Sudanesen auf die Fluchtrouten «nach Libyen und weiter» bringen, wie Grandi sagte.
Ukrainekrieg ist Ursache
Vom Mittelmeerstaat Libyen starten viele Flüchtlingsboote Richtung Europa. Im Sudan gibt es seit Mitte April einen Machtkampf zwischen Truppen des De-facto-Präsidenten und dessen bisherigem Stellvertreter. Seit dem Beginn der Gewalt sind UN-Angaben zufolge mittlerweile fast 1,9 Millionen Menschen geflohen.
Das UNHCR nannte am Mittwoch die aktuelle Flüchtlingszahl. Der jährliche Bericht «Global Trends», den es gleichzeitig veröffentlichte, betrachtet die Flüchtlingslage jeweils im vorangegangenen Jahr. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nach UNHCR-Angaben 2022 die schnellste Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst: Ende 2022 waren nach dem Bericht 5,7 Millionen Menschen innerhalb der Grenzen in der Ukraine vertrieben worden oder ins Ausland geflüchtet.
Ende 2022 seien weltweit insgesamt 108,4 Millionen Menschen auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und den Folgen des Klimawandels gewesen, 19,1 Millionen mehr als ein Jahr zuvor.
Abgelehnte sollen umgehend zurückgeschickt werden
Gut ein Drittel der Vertriebenen flüchtete ins Ausland. Davon waren wiederum Zweidrittel in Ländern mit niedrigen oder mittleren Einkommen. Sie harren meist in Nachbarländern ihrer Heimat aus, in der Hoffnung auf eine baldige Heimkehr. Es sei ein Mythos, dass die Flüchtlinge vor allem in reiche Länder etwa in Europa oder Nordamerika strebten, sagte Grandi. Die Türkei beherbergte Ende 2022 die meisten Flüchtlinge, gefolgt vom Iran, wo überwiegend Afghanen unterkamen, Kolumbien und Deutschland.
Die geplante Reform des EU-Asylwesens lobte Grandi. Die EU will Asylsuchende, die aus einem Staat anreisen, der als relativ sicher gilt, künftig nach dem Grenzübertritt in einer Aufnahmeeinrichtung unter haftähnlichen Bedingungen festhalten.
Nach einer zügigen Prüfung der Gesuche sollen Abgelehnte umgehend zurückgeschickt werden. Nicht alles sei perfekt, aber wenigstens habe sich die EU überhaupt auf etwas geeinigt, sagte Grandi. Er fügte hinzu: «Wir sind klar der Ansicht, dass Asylsuchende nicht in Gefängnisse gesteckt werden sollten. Asyl zu beantragen, ist keine Straftat.» (sda/kae)
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mil1977
Man muss sich fragen, warum alle diese „Flüchtlinge“ unbedingt nach Deutschland, Österreich oder nach Schweden wollen, egal ob aus Syrien, Irak, Afghanistan oder Gambia. Es gibt sehr viele sichere Länder auf dem beschwerlichen Weg, mit einem angenehmeren Klima, sprachlich und kulturell näher an der Heimat als Europa. Es ist schlicht der finanzielle Anreiz. Man kann sich, ganz ohne Arbeit, bis ans Lebensende von den hiesigen Steuerzahlern mit reichlich Sozialhilfegelder versorgen lassen. Es ist aber auch die Möglichkeit, seine alte Identität zu löschen in Form des Reisepasses zu verlieren und neu zu starten, unter einem neuen Namen, einem neuen Alter und ohne Vorstrafen. Keine anderen Länder der Welt bieten diesen hervorragenden Service.